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Draghis Droge macht Börsen nervös

Rolf Wenkel11. März 2016

Seit Jahren flutet Europas Zentralbank mit ihrem Chef Mario Draghi die Märkte mit billigem Geld. Nutznießer waren bislang einzig die Aktienmärkte. Doch selbst die werden immer nervöser.

Deutschland Dax Börse Frankfurt
Bild: Reuters

Für die Finanzminister der Euro-Länder ist die Geldschwemme so schön wie ein warmer Regen. Denn sie zahlen kaum Zinsen auf die Staatsschulden, sparen also Milliardenbeträge. Vor allem die Kassenwarte der südlichen Euroländer verspüren deshalb keine große Lust, unbequeme Strukturreformen durch das Parlament drücken zu müssen und sich der Gefahr auszusetzen, danach nicht wiedergewählt zu werden. Doch für den Normalbürger ist das billige Geld Gift. Sparer erhalten immer weniger für ihr Geld, das sie zur Bank bringen, Immobilien werden noch teurer und die Zukunft der Altersvorsorge ist ungewiss.

Das billige Geld, davon sind Experten überzeugt, landet zu einem großen Teil an den Finanzmärkten und damit am Aktienmarkt. Kein Wunder also, dass der Deutsche Aktienindex Dax nach der überraschenden Entscheidung, den Leitzins auf null zu senken, erst einmal um 2,5 Prozent nach oben geschossen ist. Da Anleihen und Sparanlagen praktisch nichts bringen, fließt viel Geld in Aktien. Und solange keine Trendwende in der europäischen Geldpolitik in Sicht ist, steigen die Kurse tendenziell weiter - allein schon aus Mangel an Anlage-Alternativen.

Achterbahnfahrt

Trotzdem hat der Frankfurter Aktienmarkt am Donnerstag deutlich im Minus geschlossen. Auch Bankentitel, die am Nachmittag fünf bis sieben Prozent höher notiert hatten, standen am Ende des Tages im Minus, der deutsche Leitindex verlor 2,3 Prozent. Was war geschehen? "Wie gewonnen, so zerronnen: Die Halbwertzeit geldpolitischer Maßnahmen ist heute auf eine Stunde gesunken", kommentierte Andreas Paciorek, Aktienstratege bei CMC Markets, die Achterbahnfahrt des Dax am Donnerstag. "Die Äußerung Draghis, er gehe von keinen weiteren Zinssenkungen aus, wurde als die letzte Patrone der Europäischen Zentralbank interpretiert."

Wenn der Zentralbank jedoch die Munition ausgeht, können die Anleger an den Börsen ihre Hoffnung auf weitere Geldgeschenke vorerst begraben. "Draghi hat geliefert, aber das war's dann wohl auch", so der allgemeine Tenor am Donnerstag auf dem Frankfurter Börsenparkett.

Allerdings: Der Dax hat sich am Freitag von den deutlichen Verlusten des Vortags erholt. Als Kurstreiber sah Händler Markus Huber vom Broker City of London Markets die Erholungsbewegung an der Wall Street am Donnerstagabend sowie die weitere Stabilisierung der asiatischen Börsen. Chartexperte Franz-Georg Wenner vom Börsenstatistik-Magazin "Index-Radar" sieht den Dax auf "Richtungssuche nach dem EZB-Chaos". Und wenn die Börsianer eine neue Richtung suchen, kann es schon mal zugehen wie auf der Achterbahn.

Aktien lohnen immer noch

Die Gefahr, die Geldflut der EZB könne zu Spekulationsblasen an den Finanzmärkte führen, sehen die meisten Anleger noch nicht. Doch die Nervosität ist hoch. Die Kurse der 30 im Dax gelisteten Aktien, die im vergangenen Jahr in die Höhe geklettert waren, sind seit Jahresanfang um fast zehn Prozent gefallen - seit dem Höchststand im April vergangenen Jahres von knapp 12.400 Punkten sogar um nahezu 20 Prozent.

Diese langfristigen Kursverluste sprechen also gegen eine Blase. Hinzu kommt, dass deutsche Unternehmen derzeit solide dastehen und - mit Ausnahme der Deutschen Bank und der Energiekonzerne - Rekorddividenden von insgesamt mehr als 30 Milliarden Euro ausschütten. Es gibt also durchaus gute Gründe, Aktien zu kaufen.

Was macht die Fed?

Indes: Nach der Notenbanksitzung ist vor der Notenbanksitzung: Da die neue Geldflut der EZB an den Finanzmärkten mit gemischten Gefühlen aufgenommen wurde, hoffen Börsianer darauf, dass die US-Notenbank in der nächsten Woche der Anlegerstimmung keinen weiteren Dämpfer verpasst. Im Dezember hatte Fed-Chefin Janet Yellen erstmals seit etwa zehn Jahren die Zinsen wieder angehoben.

Nun richtet sich die Aufmerksamkeit der Anleger auf die USA. "Die Kurse an den Terminmärkten signalisieren bereits seit Wochen, dass Investoren die Wahrscheinlichkeit einer US-Zinserhöhung am Mittwoch bei null Prozent sehen", schreibt die Nachrichtenagentur Reuters. Auch danach werde die Fed die Zügel wohl nur sehr langsam straffen. Anleger wetten darauf, dass der US-Leitzins frühestens 2022 wieder bei einem Prozent liegen wird. Bis die Bank von England (BoE), die am Dienstag über ihre Geldpolitik berät, so weit sein wird, "könnte ein Jahrzehnt vergehen", schreibt Reuters. Zeit genug also, an den Börsen doch noch die eine oder andere Blase zu produzieren.

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