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Interview mit Wolfgang Drechsler

Friederike Müller9. Mai 2013

Die Erwartungen an Afrikas Wirtschaft sind hoch. Das Potenzial des Kontinents ist Thema beim 23. Weltwirtschaftsforum für Afrika in Kapstadt. Afrika-Korrespondent Wolfgang Drechsler warnt vor zu viel Euphorie.

Wolfgang Drechsler, Afrika-Korrespondent des Handelsblatts (Foto: privat)
Bild: privat

DW: Vom 08. bis zum 10.05.2013 findet in Kapstadt das 23. Weltwirtschaftsforum für Afrika statt. Wer sind die wichtigsten Teilnehmer?  

Wolfgang Drechsler: Das ist ein bunter Mix. Hier kommt die gesamte afrikanische Privatwirtschaft zusammen, die großen Firmen - vor allem aus Südafrika - aber natürlich auch die Staatschefs ausgewählter Länder. Einige Vertreter von Nichtregierungsorganisationen werden dabei sein, allerdings sind die insgesamt weniger stark repräsentiert. Es ist eher eine Gelegenheit zum Netzwerken zwischen Staat und Privatwirtschaft.

Als wichtiger Index für die wirtschaftliche Entwicklung gilt die Höhe der ausländischen Direktinvestitionen. Welche Rolle spielen ausländische Investoren bei dem Treffen in Kapstadt?

Die spielen seit Jahren eine Rolle als interessierte Zuhörer. Und da sind wir auch gleich bei den Schwierigkeiten der Veranstaltung: Es werden jedes Mal wieder große Hoffnungen geweckt, dass jetzt auch wirklich Privatinvestitionen auf den Kontinent fließen - und die afrikanischen Regierungen ihren Beitrag dazu leisten und das Umfeld schaffen. Aber dann passiert wieder gar nichts oder nur sehr wenig. Das ist auch der Grund, warum Hilfe für Afrika  bislang sehr stark auf die Entwicklungshilfe beschränkt war. Der Slogan der Konferenz lautet dieses Jahr "Afrikas Versprechen erfüllen". Ob Afrika sein Potenzial erschließt, hängt ganz entscheidend von der Privatwirtschaft ab. Man braucht Kapital von Privatunternehmen, die dann wiederum Afrikaner im eigenen Land ausbilden, Straßen und auch teilweise Schulen bauen. So kommt ein Entwicklungszyklus in Gang. Für mich ist das die eigentliche Lösung für Afrika: Dass der Privatsektor anfängt, hier ebenso massiv zu investieren, wie er das zuvor bereits in Asien und Lateinamerika getan hat. Doch da sieht es im Moment nicht so gut aus: Unter fünf Prozent der weltweit zirkulierenden Privatinvestitionen fließen zurzeit nach Afrika. Das ist ein klares Misstrauensvotum: Die Privatwirtschaft hat aus gutem Grund noch immer Angst, ihr Geld hier anzulegen.

Man hört aber auch positive Nachrichten aus Afrika: Eine Unternehmensberatung hat kürzlich eine Studie veröffentlicht, nach der die ausländischen Direktinvestitionen in Afrika in den letzten Jahren sehr stark gestiegen sind.

Das kann man auch nicht bestreiten: Es geht in Afrika zumindest langsam bergauf. 5,6 Prozent Wachstum werden für Subsahara-Afrika für dieses Jahr erwartet. Das ist immerhin schon mehr als in den 1990er Jahren, wo das Wachstum teilweise bei vier Prozent oder darunter lag. Nur: Der Aufholbedarf ist gigantisch, weil Afrika - das sollte man nicht vergessen - 30 Jahre verschenkt hat. Zwischen 1975 und 2005 ist der Lebensstandard dort immer weiter gesunken, während er auf allen anderen Kontinenten kontinuierlich stieg. Diese ganzen Wachstumszahlen kommen von einer sehr niedrigen Basis.

Noch immer ist der Rohstoffboom der eigentliche Wachstumstreiber in Afrika. Jetzt ist es wichtig, dass Afrika nicht nur Rohstoffe exportiert, sondern auch verarbeitende Industrien aufbaut und Waren herstellt, die die Welt gebraucht. Aber das ist bislang leider noch nicht gelungen - auch, weil zum Beispiel Strom und Ähnliches fehlen. Deutschland allein verfügt zum Beispiel über doppelt soviel Strom wie ganz Afrika zusammen.

Afrika muss seine Abhängigkeit von Rohstoffen überwinden, sagt DrechslerBild: picture-alliance/dpa


Was ist nötig, damit Afrika international aufholen kann?

Man müsste das Rad bestimmt nicht neu erfinden. Es sind dieselben Dinge notwendig, die auch auf andern Kontinenten gefruchtet haben: Institutionen aufbauen, Steuerämter und Behörden einrichten, die vernünftig planen; Gerichte mit Richtern besetzen, die keinen Politikern hörig sind; eine funktionierende Stadtplanung schaffen und natürlich für die nötige Infrastruktur sorgen. Kenia hat zum Beispiel in den 50 Jahren seit der Unabhängigkeit nicht einen einzigen Kilometer neue Bahnlinie gebaut - und das Vorhandene ist verfallen. Die Abhängigkeit von Rohstoffen müsste gebrochen, die Wirtschaft diversifiziert, die Korruption eingeschränkt und die Landwirtschaft mit ihren archaischen Anbaumethoden staatlich gefördert werden. Möglich ist vieles. Man braucht dazu aber vor allem Eliten, die nicht zuerst an sich selbst denken, sondern das Allgemeinwohl in den Vordergrund stellen.

Kennen Sie positive Beispiele aus Afrika?

Oh ja! Das möchte ich auch klar betonen: Diese Beispiele gibt es. Botswana hatte zum Zeitpunkt seiner Unabhängigkeit vielleicht zehn bis 15 Kilometer Teerstraßen. Durch eine vernünftig wirtschaftende Regierung hat das Land eine klasse Infrastruktur aufgebaut, es entstanden Hunderte Kilometer an Straßen, eine Bankeninfrastruktur, Gesundheitszentren und eine gute Telekommunikation. Wie ist das passiert? Indem das Land seine Rohstoffe nicht vergeudet hat, sondern seine Diamanten gemeinsam mit dem südafrikanischen Konzern De Beers ausgebuddelt und vermarktet und das Geld vernünftig angelegt hat. Möglichkeiten bestehen in Afrika also auf jeden Fall. Aber ich denke, es wird sehr schwer, in die Fußstapfen Asiens zu treten, so wie das manche Beratungsfirmen heute schon orakeln.

Einer der Programmpunkte auf dem Weltwirtschaftsforum für Afrika heißt „Africa 2063“. Wie sehen Sie Afrika in 50 Jahren?

Da bin ich vorsichtig. Der Kontinent hat zweifelsohne ein großes Potenzial - aber das hat er seit der Unabhängigkeit der ersten Länder vor 50 Jahren, ohne es zu nutzen. Es gibt eben auch sehr große Risiken von der überbordenden Bürokratie bis zum sozialen Zündstoff. Momentan leben in Afrika etwas über eine Milliarde Menschen. Bis 2030 werden sie auf 1,5 Milliarden und bis 2050 auf fast zwei Milliarden ansteigen. Das ist natürlich ein enormes Potenzial, gerade für Unternehmen. Es birgt aber auch ein enormes Unruhepotenzial, wenn diese Menschen keine Arbeitsplätze finden. Und bisher hat Afrika zu wenig getan, um diese Leute in Lohn und Brot zu bringen. Das macht mir gegenwärtig eher Sorgen als Hoffnung.

Dazu kommen aktuell Konflikte wie in Mali, das vom vermeintlichen Hoffnungsträger zum gescheiterten Staat mutiert ist. Den Zusammenstoß zwischen verschiedenen Religionen und Kulturen, den wir dort beobachten, gibt es entlang der Sahelzone von Westafrika bis nach Ostafrika. Und da sehe ich eine echte Gefahr. Afrika muss diesen religiös ausgetragenen Konflikt um seine knappen Ressourcen möglichst bald entschärfen, denn auch dieser Konflikt könnte leider das jetzt aufkeimende Wirtschaftswachstum schnell ersticken. Ich möchte den Kontinent nicht schlecht reden. Aber es ist mir wichtig, den gegenwärtigen Afrika-Hype mit einer Portion Realismus auszubalancieren.

Musterbeispiel: Diamantenmine in BotswanaBild: AFP/Getty Images

Wolfgang Drechsler ist Afrika-Korrespondent der Wirtschafts-Tageszeitung Handelsblatt.

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