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Politik

Drei Jahre Boykott gegen Katar

Kersten Knipp | Imane Mellouk
5. Juni 2020

Vor drei Jahren startete Saudi-Arabien eine massive Boykott-Kampagne gegen Katar. Seitdem gab es zwar Annäherungsversuche, die aber kaum erfolgreich waren. Dabei hätten die Akteure viele Gründe, aufeinander zuzugehen.

Katar Doha im Nebel
Bild: picture-alliance/dpa/Y. Valat

Katar unterstütze den internationalen Terrorismus. Diese Praxis müsse das Emirat aufgeben. Solange dies nicht der Fall sei, müsse es mit Sanktionen leben. So lautete vor drei Jahren, im Juni 2017, die Begründung, mit der Saudi-Arabien, unterstützt von den Vereinten Arabischen Emiraten (VAE), Bahrain sowie Ägypten eine in der Region bislang beispiellose Boykott-Kampagne gegen den kleinen Nachbarstaat startete. Die Handelsbeziehungen wurden aufgehoben, die diplomatischen Kanäle auf ein absolutes Minimum reduziert. Die am Boykott beteiligten Staaten schlossen ihre Flughäfen für katarische Flugzeuge, den Banken des Emirats wurde die Arbeitslizenz entzogen.

Wolle Katar die Beziehungen wieder normalisieren, ließen die vier Koalitionäre die Regierung in Doha wenige Tage später wissen, müsse es mehrere Bedingungen erfüllen. Es müsse seine diplomatischen Beziehungen zu Iran reduzieren und militärische und geheimdienstliche Kooperationen mit dem Land beenden. Auch solle Katar seine Verbindungen zu den ägyptischen Muslimbrüdern kappen. Diese gelten in Saudi-Arabien und seinen Partnerländern - allen voran Ägypten - als "Terrororganisation". Nicht zuletzt müsse Katar auch den Betrieb seines journalistischen Flaggschiffes, des Senders Al-Jazeera, einstellen. 

Katars mediales Flaggschiff: der Sender Al-JazeeraBild: picture-alliance/dpa/J. Kuhlmann

In dieser Situation verließ sich Katar auf die Hilfe Irans und der Türkei. Beide Länder unterstützten das Emirat nach Kräften. Beide Länder steigerten ihre Exporte in das Land, außerdem konnte das Emirat für Flüge nach Europa den iranischen Luftraum nutzen.

Der saudische Kronprinz und ein neuer politischer Stil

Im Umgang mit Katar zeigte sich sehr früh die politische Handschrift des neuen starken Mannes in Saudi-Arabien, der im Juni 2017 zum Kronprinzen ernannt worden war: Mohammed bin Salman (MbS). "MbS hatte die bisherige Außenpolitik seines Landes immer als zu wenig entschlossen empfunden", sagt Daniel Gerlach, Chefredakteur des auf den Nahen Osten spezialisierten Zenith-Magazins. "Die diskrete Scheckbuch-Diplomatie empfand er wohl nie als angemessen. Er wollte fortan einen entschlosseneren Auftritt demonstrieren."

Die Gelegenheit dazu bot sich im Konflikt mit Katar. Dort pflegte er erstmals jenen rüden Politikstil, der später, insbesondere im Jemen, so typisch für ihn wurde. "Allerdings betreibt MbS in Katar weniger eine Außen- als vielmehr eine Innen- und Sicherheitspolitik", so Gerlach. Jemen und Katar lägen unmittelbar vor der saudischen Haustür. "Was dort geschieht, betrifft aus saudischer Sicht die inneren Angelegenheiten des Königreichs. Deswegen achtet Riad auf die Entwicklung in diesen Ländern viel stärker als auf die in anderen Staaten."

Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman zeigt entschlosseneres Vorgehen im Umgang mit KatarBild: picture-alliance/abaca/Balkis Press

Mäßig erfolgreiche Verhandlungen

Nach über zwei Jahren des Boykotts trafen sich Unterhändler Saudi-Arabiens und Katars im Oktober vergangenen Jahres zu ersten Unterredungen. Doch die Gespräche verliefen von Anfang an zäh. "Für Katar ist das kein Neubeginn, da es sehr viele außenpolitische Meinungsverschiedenheiten gibt", zitierte die Nachrichtenagentur Reuters einen namentlich nicht genannten katarischen Diplomaten, der an den Gesprächen teilgenommen hatte.

Auch der Außenminister Katars, Scheich Mohammed bin Abdulrahman al-Thani, der sich im Dezember zu Gesprächen in Saudi-Arabien aufgehalten hatte, äußerte sich zurückhaltend. Es habe zwar "kleine Fortschritte" gegeben, sagte er gegenüber Reuters. Doch welche das seien, erläuterte er nicht. Klar sei aber, dass Katar keine Zugeständnisse machen werde, die "unsere Souveränität und unsere Innen- oder Außenpolitik beeinträchtigen".

Grundsätzlich sei man in Doha aber zu weiteren Gesprächen bereit, erklärte der Außenminister im Februar. Katar zeige sich offen, "wenn es ernsthafte Versuche gibt, die Krise zu lösen."

Vorteile einer Kooperation

Interesse an erfolgreichen Verhandlungen dürften beide Seiten haben, sagt Zenith-Chefredakteur Gerlach. Die Wirtschaft der Golfstaaten sei konsequent auf einen globalen Maßstab ausgerichtet. "Weltumspannende Lieferketten, insbesondere beim Erdöl, dazu die geographische Lage zwischen Asien und Afrika, die sie zu einer bedeutenden Zwischenstation insbesondere bei Flügen machen; in Zukunft auch noch internationale Sportveranstaltungen: All dies fordert enge Kooperation."

Corona-Krise und gefallener Ölpreis: Könnten sie eine Annäherung der beiden Parteien bewirken?Bild: AP

Hinzu komme der ökonomische Druck, den der gesunkene Ölpreis sowie die Corona-Krise auf die Region ausübten, so Gerlach. "Rivalitäten kann man sich da kaum noch leisten. Für Saudi-Arabien kommt zudem hinzu, dass in sechs Monaten der nächste US-Präsident gewählt wird. Trump pflegte Saudi-Arabien gegenüber eine sehr freundliche Politik. Das könnte sich von November an aber womöglich ändern."

Ein neuer politischer Stil?

Ähnlich sieht es der Nahostexperte Alaa al-Harmaneh. Alle Akteure hätten in der Krise verloren, wirtschaftlich wie politisch. "Der schwerwiegendste Verlust ist der der gemeinsamen politischen und ökonomischen Identität. Es gab Diskussionen um eine stärkere Integration der Golfstaaten. Die ist nun dahin. Auch die gemeinsame Organisation der Region, der Golf-Kooperationsrat (GCC), hat massiv an Einfluss verloren. Das ist ein Verlust für alle Beteiligten."

Organisation unter Kritik: Der Golf-Kooperationsrat, hier die Eröffnungszeremonie der Sitzung vom Dezember 2019Bild: picture-alliance/dpa/Saudi Press Agency

Es könnte sein, dass sowohl Katar als auch Saudi-Arabien sich derzeit um einen neuen politischen Stil bemühen. Beide hätten sich ein Stück von der außenpolitischen Bühne zurückgezogen, sagt Gerlach. "Saudi-Arabien hat die Wahrnehmung seiner Interessen in Teilen an die VAE delegiert, während Katar sich durch die Türkei vertreten lässt. Das entlastet sie davon, stets in der ersten Reihe stehen zu müssen. Allerdings haben die VAE und die Türkei natürlich immer auch eigene Interessen." Insofern blieben Saudi-Arabien und Katar weiterhin gefordert.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika