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Politik

US-Rückenwind für "Drei-Meere-Initiative"

19. Oktober 2020

Zwölf Länder zwischen Ostsee, Adria und Schwarzem Meer wollen gemeinsam ihre Infrastruktur ausbauen. Unterstützung kommt von den USA. In Tallinn fand am Montag der fünfte Gipfel der Gruppe statt.

Drei-Meere-Initiative Treffen in Bukarest Plenum
Vertreter der Mitgliedsstaaten beim Treffen der "Drei-Meere-Initiative" in der rumänischen Hauptstadt Bukarest 2018Bild: picture alliance/AP Photo

2015 riefen Polen und Kroatien einen Verbund von zwölf EU-Ländern zwischen Ostsee, Adria und Schwarzem Meer ins Leben. Zur sogenannten Drei-Meere-Initiative gehören Bulgarien, Estland, Kroatien, Lettland, Litauen, Österreich, Polen, Rumänien, die Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn. Ihr Ziel ist es, mehr Gehör für die politischen Interessen der Teilnehmerstaaten innerhalb der Europäischen Union zu erwecken, um die relativ schwache Infrastruktur ihrer Region auszubauen.

Denn das Potenzial ist groß. Während die Länder der Drei-Meere-Initiative 28 Prozent der Fläche der EU und etwa 22 Prozent der EU-Bewohner umfassen, erwirtschaften sie nur zehn Prozent des europäischen Bruttosozialprodukts. Dafür wiesen sie vor der Corona-Krise das größte Wirtschaftswachstum in der EU auf: bis zu 3,5 Prozent, also weit über dem EU-Durchschnitt von 2,1 Prozent.

Doch bisher kamen die gemeinsamen Vorhaben der Drei-Meere-Initiative nur langsam voran. Oft fehlte es an Finanzen, weil die Mitgliedsländer den 2019 bei einer polnischen Wirtschaftsbank angelegten Fonds der Initiative nur sehr zögerlich aufstockten. Im Februar 2020 kündigte US-Außenminister Mike Pompeo eine Zahlung von einer Milliarde US-Dollar an die Initiative an. Auf dem von Estland organisierten fünften Gipfel der Drei-Meere-Initiative, der an diesem Montag in Tallinn stattfinden wird, sollen weitere finanzielle Schritte verkündet werden.

Man erwarte einen "außerordentlichen Gipfel", sagt der Beauftragte der polnischen Regierung für die Drei-Meere-Initiative, Pawel Jablonski. "Nach einigen Jahren als überwiegend politisches Projekt wird die Initiative nun zu einem wirtschaftlichen Projekt", so Jablonski weiter. Polen würde vor allem den Bau von Gaspipelines zwischen Nord- nach Südeuropa unterstützen, die das Land unabhängiger von russischen Gaslieferungen machen würden. Auch Digitalisierungsprojekte sind laut Jablonski wichtig, damit die Region zu einem "Hub der neuesten Technologien" werden kann.

Kampf um Technologie-Lieferungen

Diese Chance sehen auch die USA, die mit ihrer Initiative "Saubere 5G-Netzwerk-Sicherheit" den chinesischen Einfluss auf Datennetze eindämmen wollen. Das war eines der Ziele der Reise von US-Außenminister Mike Pompeo durch Ost- und Mitteleuropa im August. "Das Blatt wendet sich gegen die chinesische Kommunistische Partei und ihre Versuche, die Freiheiten von uns allen zu beschneiden", so Pompeo Anfang Oktober 2020 bei der Unterzeichnung einer Vereinbarung mit dem EU- und Drei-Meere-Initiative-Mitgliedstaat Slowenien, die auf einen Bann gegen den chinesischen Technologielieferanten Huawei hinausläuft.

US-Außenminister Mike Pompeo spricht am 12.8.2020 vor dem Senat in der tschechischen Hauptstadt PragBild: Reuters/D. Josek

Während die meisten westeuropäischen Länder noch mit der Entscheidung zögern, dem umstrittenen chinesischen Netzausrüster Zugang zu ihren Märkten zu gewähren, gehen immer mehr ost- und mitteleuropäische Länder auf Distanz zu China. Im Vorfeld des Gipfels der Drei-Meere-Initiative hat auch das Gastgeberland Estland, das als europäischer Musterknabe der Digitalisierung gilt, die US-Initiative "Saubere Netze" unterstützt. Auf dem nun anstehenden Gipfel wird Estland sein Projekt "Smart Connectivity" präsentieren, das bei der Digitalisierung der ganzen europäischen Nord-Süd-Achse helfen soll. Mit von der Partie sein werden US-Unterstaatssekretär für Wachstum und Energie Keith Krach und Vertreter des Internet-Konzerns Google.

Gegen das Vordringen Chinas

Laut Dr. Kamil Zajączkowski, Direktor des "Europäischen Zentrums" der Universität Warschau, nutzten die USA die Drei-Meere-Initiative, um ihre wirtschaftlichen Interessen in der Region zu verfolgen. "Als die Initiative entstand, spielte China noch keine so große Rolle, die Mitgliedsländer wollten einfach gemeinsame Projekte voranbringen. Dann haben die USA entdeckt, dass die Initiative ein Instrument im Kampf gegen das Vordringen Chinas in diesem Teil Europas werden kann", so Zajączkowski im DW-Gespräch. Im Moment hätten die Amerikaner in Ost- und Mitteleuropa gute Karten, weil die Distanz zu China wachse. "Die Corona-Krise zeigt, wie riskant es ist, Produktion nach Asien zu verlegen und wie instabil die Lieferketten geworden sind", betont Zajaczkowski.

Bundesaußenminister Heiko Maas beim Gipfel der Drei-Meere-Initiative in Bukarest 2018 Bild: Imago Images/photothek/F. Zahn

Doch nicht nur die USA sehen das Potenzial der Drei-Meere-Initiative. Nachdem US-Präsident Donald Trump den Gipfel der Mitglieder der Initiative in Warschau besucht und sich der kritischen Linie Polens bezüglich dem Projekt Nord Stream 2 angeschlossen hatte, fuhr im Jahr darauf der deutsche Außenminister Heiko Maas zum Gipfel nach Bukarest und bewarb sich sogar um eine Mitgliedschaft Deutschlands in der Staatengruppe. 2019 besuchte der deutsche Präsident Frank-Walter Steinmeier den Gipfel der Drei-Meere-Initiative in der slowenischen Hauptstadt Lubljana.

US-Interesse: Einfluss in Europa

Während das deutsche Interesse an einer Mitgliedschaft etwa in Polen kaum Beachtung findet, wird das US-Engagement dort bejubelt. "Ich danke für die Unterstützung", schrieb Anfang Oktober Krzysztof Szczerski, Chef der Kanzlei des polnischen Präsidenten, nachdem der Außenpolitische Ausschuss im US-Repräsentantenhaus die Drei-Meere-Initiative gebilligt hatte. In der Resolution werden die Gasleitungen Nord Stream 2 und Turkish Stream als "Unterwanderung der europäischen Energiesicherheit" kritisiert. Dafür werden andere Energieprojekte in der Region gelobt, etwa Flüssiggas-Terminale.

Blick auf das Flüssiggas-Terminal im polnischen SwinoujscieBild: picture-alliance/PAP/M. Bielecki

Darin sehen die USA neue Absatzchancen. Als 2019 der erste US-Gastanker im Flüssiggas-Terminal im polnischen Swinoujscie ankam, sprach Polens Präsident Andrzej Duda von einem "historischen Moment". Das amerikanische Gas, das in Polen zu niedrigeren Preisen als das russische Gas verkauft wird, ist für das EU-Land das Symbol der Unabhängigkeit von Russland schlechthin. Inzwischen engagieren sich die USA in mehreren anderen Energieprojekten in der Region. In Rumänien etwa wollen sie Atomkraftwerke für 8 Milliarden Dollar bauen bzw. das bereits vorhandene alte AKW modernisieren.

Trotz gemeinsamer Vorhaben sind die Mitgliedstaaten der Drei-Meere-Initiative politisch uneinig. "Die politischen Positionen, vor allem gegenüber Russland, sind sehr unterschiedlich", betont der Experte Kamil Zajączkowski. Daher habe es sich als unmöglich erwiesen, gegenüber dem Rest der EU mit einer Stimme zu sprechen. Gemeinsame Wirtschaftsprojekte seien die einzige Chance für eine Zusammenarbeit - und blieben für die USA ein "attraktives Instrument" der Einflussnahme in Europa.