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PolitikEuropa

Drei-Meere-Initiative geht auf Ukraine zu

21. Juni 2022

Die mittel- und osteuropäischen Mitglieder der Drei-Meere-Initiative bieten der Ukraine eine engere Kooperation an und wollen den EU-Kandidatenstatus des Landes unterstützen. Vom Gipfel in Riga Rosalia Romaniec.

Bundespräsident Steinmeier in Lettland - Familienfoto der Drei-Meere-Initiative des Gipfeltreffens
Wohl protokollarischer Zufall: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (2.v.r.) weit weg von der Vertreterin der Ukraine, Parlamentsvize Olena Kondratiuk (4.v.l.)Bild: Britta Pedersen/dpa/picture alliance

Die Stimmung dieses Gipfels konnte man schon gleich zu Beginn, beim traditionellen Familienfoto, erahnen. Alle 16 Teilnehmer stellten sich dafür in zwei Reihen auf - Vertreter von Mitglieds- und Partnerländern der Drei-Meere-Initiative. Aus Deutschland kam Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der die Initiative seit 2015 kennt, in die lettische Hauptstadt Riga. Doch war ihm gegenüber schon beim Auftakt eine gewisse Reserviertheit zu spüren.

Die Stehordnung auf dem Foto mag ein protokollarischer Zufall sein, aber mit Blick auf die Unterstützung der Ukraine bildete sie ab, wie nah oder fern sich gerade manche Gipfelteilnehmer stehen. Vertreter der USA, der Ukraine und Polens standen oben links zusammen, der Bundespräsident diagonal dazu - auf der Außenposition rechts unten. Das Bild stand symbolisch für die Distanz, die Kritik und den Frust Osteuropas über die langsamen Waffenlieferungen Deutschlands an die Ukraine.

Eine Initiative des Ostens

Mit der Drei-Meere-Initiative wollen zwölf vorwiegend junge EU-Mitglieder zwischen Ostsee, Schwarzem Meer und Adria mehr eigene Interessen durchsetzen. 2015 hatten sich die Baltischen Staaten, Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Bulgarien, Rumänien, Slowenien, Kroatien und Österreich) für eine engere Kooperation entschieden. Bis auf Österreich war keiner der Staaten vor 2004 EU-Mitglied.

Der ukrainische Präsident Selenskyj war beim Gipfel der Drei-Meere-Initiative in Riga per Video zugeschaltetBild: Peter Lechner/BUNDESHEER/APA/dpa/picture alliance

Berlin wurde bisher lediglich ein Partnerstatus ohne Stimmrecht angeboten. Seither ist Deutschland regelmäßig bei Gipfeln und Projekten vertreten. Gefragt nach der Perspektive einer vollen deutschen Mitgliedschaft in der Drei-Meere-Initiative sagte Bundespräsident Steinmeier, er könne sich vorstellen, dass die deutsche Regierung in ein paar Jahren einen entsprechenden Antrag einreiche.

Solidarisch mit der Ukraine

Die Ukraine und der russische Angriff auf das Land standen auch im Fokus des offiziellen Teils des Gipfels. Auf polnischen Vorschlag hin wurde der Ukraine ein Status als Partnerland der Drei-Meere-Initiative angeboten, wofür Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Videobotschaft warb. Damit könne sich die Ukraine an allen Projekten der Initiative beteiligen, sagte im Anschluss der lettische Gastgeber, Präsident Egils Levits.

Die Ukraine soll enger an die Drei-Meere-Initiative angebunden werden und vom Infrastrukturausbau der Region profitierenBild: Vladimir Shtanko/AA/picture alliance

Auch würden alle zwölf Länder, inklusive der bis vor kurzem zurückhaltenden Ungarn, den EU-Kandidatenstatus der Ukraine beim anstehenden EU-Gipfel klar unterstützen.

Drei-Meere-Initiative stärken

Die Drei-Meere-Initiative sei heute "wichtiger denn je", sagte Steinmeier am Rande des Gipfels. Noch vor wenigen Jahren habe die Initiative zur Vernetzung und Entwicklung der Region in vielen Ohren "abstrakt geklungen", aber der russische Angriff auf die Ukraine zeige ihre Notwendigkeit.

Vor allem bei der Infrastruktur, der Energieversorgung und der Sicherheit wollen die Länder mehr kooperieren. Eine stärkere Zusammenarbeit führe zu einem Europa, das "widerstandsfähiger, vereinter und global wettbewerbsfähiger" sei, sagte der lettische Präsident Levits in Riga.

Konkrete Projekte

Bisher werden im Rahmen der Zusammenarbeit vor allem Infrastrukturprojekte realisiert. Ein solches Prestigeprojekt ist der Bau der Baltic-Rail. Die Eisenbahnstrecke soll von Warschau über Kaunas und Riga nach Tallinn führen und darüber hinaus einen Fähren- und Tunnel-Anschluss nach Helsinki und Tallinn anbieten. An dem durch die EU-geförderten Ausbau beteiligen sich Polen, Litauen, Lettland, Estland und Finnland.

Erdgaspipeline zwischen Polen und Litauen GIPL: Energiesicherheit gehört zu den Prioritäten der Drei-Meere-InitiativeBild: Alexey Vitvitsky/Sputnik/dpa/picture alliance

Aber auch im Bereich der Energie und der Digitalisierung geht es in der Region voran. Der polnische Präsident Andrzej Duda berichtete über den Ausbau von speziellen Gasanschlüssen, die den Gastransfer in mehrere Richtungen ermöglichen und damit die Energieabhängigkeit einzelner Länder von Russland verringern sollen.

Keine Lösung für Getreidekrise

Ohne konkrete Vorschläge endeten die Gespräche über die anstehende Ernährungskrise infolge des Krieges in der Ukraine. Es gebe die Idee eines möglichen Getreidekorridors vom Süden in den Norden Europas, doch dieser würde wegen enormer Transportkosten zu höheren Preisen führen, hieß es.

Klärende Gespräche: Polens Präsident Andrzej Duda und Bundespräsident Frank-Walter SteinmeierBild: Britta Pedersen/dpa/picture alliance

Steinmeier warnte vor politischen Folgen der Krise und verglich die Lage mit dem "Arabischen Frühling". Auch dieser war auf hohe Lebensmittelpreise zurückzuführen. Es sei wichtig, dass in den betroffenen Ländern klar werde, dass der russische Angriff auf die Ukraine die wahre Ursache der Krise sei, sagte er. Sonst drohe, dass sich Russland mit seinem Narrativ durchsetze.

Klärende Gespräche

Am Rande des Gipfels sprach Steinmeier auch bilateral, unter anderem mit dem polnischen Präsidenten Duda. Es war der erste Austausch seit einem diplomatischen Eklat Mitte April während eines Steinmeier-Besuchs in Warschau. Damals hatte Duda eine gemeinsame Reise nach Kiew organisiert - mit den drei baltischen Präsidenten und Steinmeier. Im letzten Moment wurde der Bundespräsident jedoch ausgeladen - von der ukrainischen Führung, wie es damals hieß. Die vier fuhren ohne Steinmeier. Zu den Hintergründen bleiben bis heute offene Fragen.