Von Alltagskleidung bis Avantgardemode: Anhand der Garderoben sieben modebewusster Frauen erzählt das Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg, dass Kleidung auch Emanzipation bedeutete.
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Ausstellung "Dressed": Sieben Frauen - 200 Jahre Mode
Eine Ausstellung zeigt die Mode von sieben Frauen, für die Garderobe auch Emanzipation bedeutete. Die Anfänge finden sich im 19. Jahrhundert und reichen bis in die heutige Zeit.
Bild: Anne Schönharting
Elise Fränckel (1807–1898)
Das früheste Konvolut der Senatorengattin Elise Fränckel besteht vor allem aus Accessoires und zeigt, wie pompös sich die Politiker-Frau aus dem holsteinischen Oldenburg um 1820 gerne kleidete. Hier abgebildet: ein Hochzeitskleid und Brautschleier von 1826.
Bild: Anne Schönharting/Agentur Ostkreuz
Erika Holst (1917–1946)
Das Leben und die Kleidung von Erika Holst (1917–1946) sind vom Krieg und ihrer Tuberkuloseerkrankung gezeichnet. Ihre Garderobe enthält überwiegend schlichte Tageskleidung der Jahre 1935-45. Hier abgebildet: zwei Latzröcke und Pullover aus den Jahren 1937-1943.
Bild: Anne Schönharting/Agentur Ostkreuz
Edith von Maltzan (1886-1976)
Die Garderobe der Gattin des deutschen Botschafters in den Vereinigten Staaten, Edith von Maltzan, umfasst sowohl exquisite Abend- und Gesellschaftsroben als auch elegante Tageskleidung aus den Jahren 1895 bis 1950. Hier zu sehen: ein Abendkleid aus den Jahren 1948–1950.
Bild: Anne Schönharting/Agentur Ostkreuz
Angelica Blechschmidt (1942–2018)
Angelica Blechschmidt war Artdirektorin und Chefredakteurin der deutschen Ausgabe der Zeitschrift Vogue. In der Ausstellung ist ihr Mantelkleid vom japanischen Fashiondesigner Yohji Yamamoto zu sehen.
Bild: Anne Schönharting
Elke Dröscher (*1941)
Die Hamburger Galeristin Elke Dröscher trug zwischen 1968 und 1986 fast ausschließlich Prêt-à-Porter-Mode von Yves Saint Laurent und realisierte damit eine Form von "Power Dressing". Hier abgebildet: zwei zweiteilige Kleider von Yves Saint Laurent.
Bild: Anne Schönharting
Anne Lühn (*1944)
Die deutsche Designsammlerin Anne Lühn hat dem Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe über viele Jahre Einzelstücke aus ihrer Garderobe überlassen. Die häufig asymmetrischen Entwürfe einer internationalen Design-Avantgarde zeigen eine widerständige Ästhetik. Hier zu sehen: ein Minikleid von 1997 und eine Handtasche von 1987.
Bild: Anne Schönharting
Ines Ortner (*1968)
Ines Ortner ist seit Mitte der 1980er-Jahre in der Hamburger Punkszene aktiv. Ihre Mode: gesellschaftskritisch und selbstentworfen, mit teilweise anarchischen Motiven. Hier abgebildet: eines ihrer Abendkleider aus den 1980er-Jahren und ein Escora-Dessous von 1987.
Bild: Anne Schönharting
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Die eine war Diplomatengattin, die andere Chefredakteurin der deutschen "Vogue", wieder eine andere ist Künstlerin und noch immer in der Hamburger Punk-Szene aktiv: So unterschiedlich wie die Lebensläufe dieser Damen sind, waren auch ihre Kleider. Die Ausstellung "Dressed. 7 Frauen - 200 Jahre Mode" im "Museum für Kunst & Gewerbe Hamburg" (MK&G), gibt von Freitag (25.02.2022) an Einblick in die Garderoben dieser Frauen sowie von vier weiteren Damen; darunter Alltagskleider, Haute Couture, Protest- und Avantgardemode.
Die älteste der vertretenen Damen wurde im beginnenden 19. Jahrhundert geboren, die jüngste mehr als 150 Jahre später. Damit erzählt "Dressed" ausgehend von den sieben Beispielen, welchen Veränderungen die Mode über die Jahrzehnte unterlag und zeigt zugleich auf, welche Gesellschaftsschichten welche Richtungen (mit)prägten.
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Von Bekleidungsnormen und einer widerständigen Ästhetik
'Kleider machen Leute', so heißt eine Redewendung, die älter ist als Gottfried Kellers gleichnamige Novelle von 1874. Darin erzählt er die Geschichte eines Schneiderlehrlings, der sich so vornehm kleidet wie ein Graf. Eine Parabel, die zeigt, dass wir uns durch die Wahl der Kleidung eine bestimmte Wirkung bei unserem Gegenüber erhoffen. Wir kommunizieren mittels Kleidung, können Bekleidungsnormen oder bestimmten Dresscodes entsprechen oder uns gegen gängige Konventionen einer Zeit auflehnen.
Die Hamburger Ausstellung rückt mit Elise Fränckel (1807-1898), Edith von Maltzan (1886-1976), Erika Holst (1917-1946), Elke Dröscher (*1941), Angelica Blechschmidt (1941-2018), Anne Lühn (*1944) und Ines Ortner (*1968) sieben unterschiedliche Persönlichkeiten über die Mode, die sie trugen, in den Fokus.
Repräsentation, Protest, Avantgarde: Vielfältige Stile
Das Beispiel der Senatorengattin Elise Fränckel etwa repräsentiert das selbstbewusst Mode und Kleidungsnormen erobernde Bürgertum der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Obwohl hauptsächlich Hausfrau und Mutter, ist Elise Fränckels Garderobe durchaus elegant. Als Gattin des angesehenen Buchdruckers Carl Fränckel und Ratsmitglieds muss sie auch repräsentative Pflichten erfüllen. So erklären sich Schals aus Kaschmir, Spitzenkragen, ein Sonnenschirm und feine Handschuhe.
Repräsentativ und praktisch war die Anforderung, die die im Zweiten Weltkrieg geborene Elke Dröscher an ihre Garderobe stellte. Als Galeristin stieß sie dabei 1968 auf Yves Saint Laurents etwas preiswertere "Prêt-à-porter"-Linie "Rive Gauche". Fortan trug sie die sportlich-elegante Tagesmode des französischen Designers fast zwanzig Jahre lang und kreierte so ein Bild von sich selbst.
Mit einem eigenen Stil, ihrem persönlichen Modestatement, wurde wiederum die einstige Chefredakteurin der deutschen Ausgabe des Modemagazins "Vogue", Angelica Blechschmidt, bekannt: Ein schwarzes Cocktailkleid, High Heels und auffällige Accessoires wurden zu ihrer "Uniform". Blechschmidts Zeit ist die Zeit der Designermode und der Supermodels.
Die gezeigten Kreationen der Jüngsten, Ines Ortner, fallen hingegen durch Symbole der Protestkultur auf. Denn Punkmode sollte erst später in den Mainstream eingehen. Die von ihr genutzten Techniken waren die der Assemblage und der Dekonstruktion: Sie bemalte Kleidungsstücke, besprühte und durchlöcherte sie schonmal. Und avantgardistisch mutet an, was von Anne Lühns Exponaten, entstanden zwischen 1985 und 2020, zu sehen ist. Lühn sammelte Stücke von japanischen Modedesignerinnen und Designern und der sogenannten Antwerpener Schule. Es sind Entwürfe sogenannter "game changer", die wegführen vom fraglichen Ideal optimierter Körper und dem ausgestellten Sexappeal.
Kleider aus nah und fern
Die gezeigten Teile aus den Garderoben der sieben Frauen stammen nur teilweise von Designern wie eben Yves Saint Laurent oder anderen, darunter Elsa Schiaparelli und Yohji Yamamoto. Viele wurden von anonymen Hausnäherinnen und Schneiderinnen gefertigt oder - im Falle von Ines Ortner - auch selbst.
Dass die älteste Protagonistin, Elise Fränckel, dabei bereits außerhalb ihres norddeutschen Radius Kleider "shoppte", ist ein Fakt, der sich über die Ausstellung transportiert: Fränckel trug Schuhe aus Paris und besaß einen Tüllkragen mit Stempel in kyrillischer Schrift, der vermutlich aus Riga stammte. Insgesamt zeugen 150 Ausstellungsstücke - darunter auch ein Hochzeitskleid und Accessoires - vom Modebewusstsein der zum Teil bereits verstorbenen Protagonistinnen.
Die Ausstellung "Dressed. 7 Frauen - 200 Jahre Mode" ist im Museum für Kunst & Gewerbe Hamburg vom 25.02. bis 28.08.2022 zu sehen.
Die "Sibylle" war die Vogue der DDR
Dass die Mode der DDR auch von der Politik geprägt wurde, zeigt eine Ausstellung in Berlin über die Frauenzeitschrift "Sibylle". Mit ihren besonderen Modefotos spiegelt sie auch ein Stück DDR-Geschichte.
Bild: Günter Rössler
Mode für die werktätige Frau
Die "Vogue des Ostens" wurde sie genannt, die DDR-Modezeitschrift "Sibylle". Ihre Markenzeichen waren anfangs die künstlich schillernden Farben der Titelbilder. Westliche Zeitschriften wie "Elle" und "Vogue" galten als Vorbilder. Gefragt war eine weibliche Eleganz, ohne politische Beziehung. Doch gerade in den späten 1960er und 1980er Jahren war die Zeitschrift keineswegs systemkonform.
Bild: Willi Altendorf
Mode zum Nachschneidern
Die Mannequins wurden Anfang der 1960er Jahre hauptsächlich in Studios, in statischen Posen, fotografiert. Die Kleidung sollte optimal zur Geltung kommen. Kaufen konnte man die Blusen und Röcke in der DDR nicht. Mit entsprechenden Maß- und Stoff-Angaben wurde alles zu Hause selbst geschneidert. In Westdeutschland hatte die Zeitschrift "Burda" seit den 1950er Jahren mit diesem Modell Erfolg.
Bild: Günter Rössler
Raus aus dem Studio
Die Bildvorgaben änderten sich 1962 mit dem Fotografen Arno Fischer. Er war Lehrer an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee und ein Vertreter der "straight photography". Die Mode wurde fotografisch alltagsnah und dynamisch inszeniert. Die Models zeigten sich auf den Straßen Berlins in lebendiger Bewegung - oder eben sitzend in Berliner U-Bahn-Stationen.
Bild: Günter Rössler
Modeaufnahmen aus dem Osten
Die Verbindung von Modeaufnahmen und fotografischen Alltagsbeobachtungen wurde verstärkt und weiterentwickelt durch regelmäßige Berichte aus dem osteuropäischen Ausland. Dabei spielte Moskau als "Modemetropole" immer wieder eine große Rolle.
Bild: Günter Rössler
"Frauen von heute"
In den 1970er Jahren veränderte sich das Klima in der DDR, weil der ökonomische Erfolg ausblieb. Die Zeitschrift wurde dem Arbeitsalltag der DDR angepasst. Westliche Modezeitschriften dienten nicht mehr als Vorbild. Die anmutigen Models der Anfangsjahre wurden durch werktätige Frauen ersetzt, die am Aufbau einer neuen Gesellschaft mitwirkten.
Bild: Jochen Moll
Arbeitskleidung wird Mode
"Als unkomplizierte Freizeitbekleidung sind diese beiden Overalls gedacht. Sportliche Details wie aufgesteppte Taschen mit eingelegter Falte. Achselklappen und Tunnelgürtel [...] kennzeichnen das linke Modell." So steht's in der "Sibylle" von 1977. Das Model auf der rechten Seite trägt übrigens einen Overall, der am Modeinstitut der DDR entworfen wurde.
Bild: Roger Melis
Die Ästhetik des Schönen
Die frühen 1980er Jahre gingen in der DDR als "bleierne Zeit" in die Geschichte ein. Die Wirtschaft nahm keinen Aufschwung. Dennoch war diese Zeit für die "Sibylle" eine gute Phase, da sie Trost und einen Kontrapunkt mit ästhetischen Bildern bot. Gerade in den Fotos von Ute Mahler zeigte sich eine stilistische Individualisierung, die keine allzu enge Bindung zum Thema Mode suchte.
Bild: OSTKREUZ/Ute Mahler
Cool bleiben
Die Bildsprache in den Heften änderte sich in den 1980er Jahren merklich. Die Models präsentierten sich dem Betrachter zunehmend distanzierter. Internationale Trends gewannen wieder an Einfluss, etwa in Anspielungen auf den Typus des englischen Models Twiggy. Hippie-Outfits fanden sich ebenso in der "Sibylle" wie die Popper-Mode. Zudem strahlten die Models oft eine provozierende Coolness aus.
Bild: Ulrich Wüst
Das Aus nach der Wende
1986 ging es modisch um neue Farben und Formen - im Herbst 1989 suchte die Politik nach neuen Formen. Im Zuge des Falls der Berliner Mauer kamen auch in der Redaktion politisch motivierte Konflikte zum Ausbruch. Die amtierende Chefredakteurin wurde von der Belegschaft abgewählt. Nach dem Ende der DDR verlor die "Sybille" ihren exotischen Status. 1995 musste die Zeitschrift Insolvenz anmelden.