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Die Geschichte der Künstlerfamilie Dreyfus

Maria John Sánchez
1. November 2021

Die deutsch-australische Künstlerin Ella Dreyfus geht filmisch auf Spurensuche ihrer jüdischen Familie, die vor den Nazis aus Deutschland flüchtete.

In bunten Filzbuchstaben steht buchstabiert: Wir sind Juden
Kunstinstallation von Ella Dreyfus: Wir sind Juden Bild: Ella Dreyfus

Es ist ihre eigene Familiengeschichte, die die Künstlerin Ella Dreyfus in ihrem Dokumentarfilm aufarbeitet. Eine Geschichte, über der in ihrer Kindheit im jüdischen Elternhaus in Sydney der Schleier des Schweigens lag. Lange Zeit wusste Dreyfus kaum etwas über die Vergangenheit ihrer Familie. Mit "Dreyfus Drei" hat sie auf der Suche nach der eigenen Identität den Blick zurück gewagt.

Transportschiffe brachten Dreyfus-Brüder nach Australien

Der Ausgangspunkt des Films ist die Flucht der Brüder Richard und George Dreyfus - Ellas Vater und Onkel - aus Deutschland im Mai 1939, einige Monate vor dem Überfall Deutschlands auf Polen und dem damit verbundenen Beginn des Zweiten Weltkriegs. Für die Juden war das Leben in Deutschland zu diesem Zeitpunkt unmöglich geworden. Sie wurden verfolgt und ihre Lebensgrundlagen vernichtet. Mit einem Kindertransportschiff des Britischen Empires wurden die Dreyfus-Brüder nach Melbourne in Australien gebracht. Anders als die meisten Kinder, die ihre Eltern nie wiedersahen und die einzigen aus ihren Familien waren, die den Holocaust überlebten, hatten die Geschwister Dreyfus Glück. Ihr Eltern, Hilde und Alfred Dreyfus, konnten im Jahr 1940 ebenfalls nach Australien fliehen. 

Deutschland: Wie Kinder dem Holocaust entkamen

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Ella Dreyfus' Vater Richard fand in der neuen Heimat Australien seinen Halt in den jüdischen Traditionen und Ritualen. Über seine Kindheit in den deutschen Städten Wuppertal und Berlin sprach er jedoch nie. "Mein Vater hat uns nichts über seine deutsche Herkunft erzählt. Wir hatten keine Familiengeschichten, keine überlieferten Rezepte oder Kinderlieder, keine Fotos und schon gar keinen Zugang zu seinem früheren Leben in Wuppertal oder Berlin", sagt die Künstlerin im Gespräch mit der DW.

"Ich glaube, ich habe in meinen Zwanzigern aufgegeben, ihn zu fragen, und sein Schweigen traurig akzeptiert", erinnert sie sich. Nie hat sie mit ihrem Vater über die Vergangenheit der Familie sprechen können. Erst in der Schule erfuhr sie von den Verbrechen des NS-Regimes in Deutschland und der Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden. 

Holocaust: Generationenübergreifendes Trauma 

Nach dem Tod ihres Vaters Richard im Jahr 1998 kam Ella Dreyfus der Gedanke, nach Deutschland zu reisen. "Als er noch gelebt hat, blieb ich fort, unbewusst vielleicht, um ihn zu schützen", sagt sie gegenüber der DW. Durch das generationenübergreifende Holocaust-Trauma und das Schweigen ihres Vaters habe sie damals eine vage Angst gegenüber allem Deutschen entwickelt. Zeitweise hatte sie mit Albträumen, die vom Holocaust handelten, zu kämpfen. 

Auf der Suche nach ihrer deutschen Identität: Ella Dreyfus in BerlinBild: Ute Freund

Schließlich konnte sie ihre Angst überwinden. Sie reiste mehrmals nach Deutschland - zuletzt, um den Dokumentarfilm zu drehen. Doch die Reise war für sie mit Herausforderungen verbunden: "Wenn ich in Deutschland bin, erlebe ich manchmal Momente unerklärlichen Schreckens, die meinen Körper durchschütteln", sagt sie. Schon der Tonfall einer Stimme, ein Zuggleis oder eine Gasse können bei ihr Momente der Panik auslösen. Auch die Erkenntnisse, die sie während ihrer Recherche machte, waren schmerzhaft. So erfuhr Dreyfus, dass ihre Urgroßeltern in Konzentrationslagern ermordet worden waren.

Schmerzhafte Erfahrungen

In den sozialen Medien schildert sie außerdem einen Besuch beim Wiesbadener Deportationsmahnmal, bei dem sie den Eindruck hatte, die junge Generation wisse nicht mehr genug über den Holocaust und die Mahnmale: 

Auch um daran zu erinnern, installierte Ella Dreyfus auf ihrer Reise eine Reihe von Straßenkunstinstallationen, bei denen sie mit bunten Filzbuchstaben den Namen ihrer Familie und deren jüdische Identität als Mahnmal an öffentliche Orte klebte. (Unser Aufmacherbild oben zeigt eine dieser Installationen.)

Mit Kunst Brücken bauen

Ihre Kunstwerke seien von dem Wunsch getrieben, "Brücken zwischen der traumatischen Vergangenheit der europäischen Juden und dem Streben nach neuen Begegnungen für das Publikum durch zeitgenössische Kunstpraktiken zu bauen", so Ella Dreyfus, die neben ihrer Tätigkeit als Künstlerin auch Dozentin an der National Art School in Sydney ist. 

Das Ziel sei letztlich, die "Namen unserer Familien und unsere jüdische Zugehörigkeit zurück nach Deutschland zu bringen, um unser rechtmäßiges Territorium an dem Ort zurückzufordern, an dem es vernichtet wurde." Auch solle der Film einen Dialog für nachfolgende Generationen leisten, sich bewusst mit ihren ererbten Traumata auseinanderzusetzen und sie ermutigen, auch ihr jüdisches Leben in Deutschland neu zu entdecken, so Dreyfus.

Ella Dreyfus bei der Vorbereitung der Kunstinstallationen aus FilzBild: Ute Freund

Die Rückeroberung der deutschen Identität und die Rückkehr nach Deutschland ist das, was die "Dreyfus Drei", von denen der Dokumentarfilm erzählt, vereint: Ella, ihren Onkel George Dreyfus und dessen Sohn Jonathan.

Rückeroberung der deutschen Identität

Anders als sein Bruder Richard entwickelte George Dreyfus trotz des Kindheitstraumas eine Beziehung zu seinem Geburtsland. Der Komponist kehrte ab 1955 immer wieder nach Deutschland zurück, um dort Musik zu studieren und aufzuführen. Nur zehn Jahre nach dem Ende des Krieges war er unter den ersten Juden, die aus dem Exil zurückkehrten. "Er tauchte in die europäische Musik und Kultur ein, behielt seine Sprache, knüpfte Kontakte und gab Konzerte", erzählt Ella Dreyfus. 

Sein Sohn Jonathan wuchs in Melbourne auf, lebt aber inzwischen dauerhaft in Berlin und arbeitet als Musiker und Komponist. Wie auch Ella hat er die doppelte Staatsbürgerschaft , die australische und die deutsche - und muss sich nicht für eine Identität entscheiden.

"Dreyfus Drei" feierte am 29.10.2021 Premiere in Berlin. Der Dokumentarfilm entstand im Rahmen des Festjahres "1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland". 

Filmplakat des Dokumentarfilms: Ella Dreyfus mit ihrem Cousin Jonathan DreyfusBild: Dreyfus Drei
Maria John Sánchez Autorin
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