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PolitikEuropa

Drogen erschweren Albaniens EU-Beitritt

Marina Strauß
5. Oktober 2021

Albanien arbeitet hart auf seinen EU-Beitritt hin. Doch illegaler Cannabis-Anbau, Kokain-Handel und Korruption senken weiterhin die Chancen, eines Tages Mitglied der Europäischen Union zu werden.

Albanische Polizisten mähen eine Cannabis-Plantage
Nach jüngsten Zahlen de UN war Albanien 2013 bis 2019 Europas größter Cannabis-Produzent Bild: Hektor Pustina/AP Photo/picture alliance

Staatsanwalt Altin Dumani weiß, dass noch eine Menge zu tun ist. In seinem Büro in der albanischen Hauptstadt Tirana stapeln sich die Akten. In sämtlichen Fällen geht es um organisierte Kriminalität. Drogenhandel und Korruption - Probleme, die vielen kleinen Ländern in Südosteuropa zu schaffen machten, sagt Dumani.

Der 46-Jährige ist stellvertretender Leiter der "Speziellen Anti-Korruptions-Einheit" (SPAK). Ende 2019 hat Albanien die unabhängige Sonderstaatsanwaltschaft eingerichtet, um eine der Auflagen der Europäischen Union für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen zu erfüllen.

Albanische Drogenhändler seien in einigen EU-Ländern "sehr aktiv", sagt Dumani. "Wegen der großen Bedeutung des Kampfes gegen die organisierte Kriminalität" hätten er und seine Kollegen die Zusammenarbeit mit Kollegen aus Italien, Deutschland und anderen EU-Ländern intensiviert. Mit gewissem Erfolg, sagt Dumani. So habe die SPAK bereits große Mengen Rauschgift in Italien und Albanien sichergestellt.

Drogengeschäfte mit Staatsbeteiligung

Albanien gilt als Hotspot für Cannabis-Anbau in Europa. Laut dem aktuellen Weltdrogenbericht der Vereinten Nationen war das Drei-Millionen-Einwohner-Land von 2015 bis 2019 der sechstgrößte Cannabis-Produzent der Welt und der größte in Europa.

Die albanische Journalistin Fatjona Mejdini ist Balkan-Koordinatorin der zivilgesellschaftlichen "Globalen Initiative gegen Transnationale Organisierte Kriminalität". Aus ihrer Sicht ist das Problem aus dem radikalen Umschwung erwachsen, den das damals isolierte Albanien nach dem Ende der kommunistischen Diktatur 1991 in Richtung Kapitalismus vollzog: "Das waren harte Zeiten für alle", sagt Mejdini, "viele verloren ihre staatlichen Arbeitsplätze und begannen, Cannabis anzubauen, um ihre Familien zu ernähren."

Cannabis-Anbau, um die "Familien zu ernähren": Die albanische Journalistin Fatjona Mejdini erinnert sich Bild: Adriaan De Loore/DW

Jahrelang habe die Regierung darüber hinweggesehen, sagt Mejdini: "In manchen Fällen haben staatliche Stellen mit den Cannabis-Bauern gemeinsame Sache gemacht. Und da wird es gefährlich." Folglich gewannen kriminelle Gruppen an Einfluss. In den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren kam der Kokain-Handel dazu. Die bestehenden Netzwerke und Schmuggelrouten waren der perfekte Ausgangspunkt, meint Mejdini: "Sie hatten die Infrastruktur und nun wollten sie etwas, womit sie noch schneller reich werden konnten."

Drogenhandel bleibt ein Problem 

Nachdem 2013 die sozialistische Regierung von Premierminister Edi Rama an die Macht kam, erklärte sie dem Drogengeschäft den Krieg - eines ihrer damaligen Wahlversprechen. Im YouTube-Kanal der albanischen Polizei sind Videos zu sehen, in denen Beamte gegen Cannabisbauern und -händler vorgehen.

Doch, obwohl der Anbau zurückgegangen ist, bleiben die Drogen ein Problem in Albanien. Laut investigativen Medienberichten und Recherchen der Journalistin Mejdini fördern staatliche Strukturen den Drogenhandel weiterhin. Immer wieder werden führende Politiker beschuldigt, in das Geschäft verwickelt zu sein.

Maue Job-Aussichten für junge Menschen

Der "Krieg gegen die Drogen" ist aber auch deshalb schwer zu führen, weil das lukrative Geschäft ein Wirtschaftsfaktor ist. Trotz wirtschaftlicher Fortschritte steigt die Arbeitslosenquote, viele junge Menschen suchen im Ausland nach Jobs. Für diejenigen, die bleiben, sind Drogen eine attraktive Einkommensquelle.

Der heute 26-jährige Automechaniker Raldi wurde 2017 wegen Drogenhandels verhaftetBild: Adriaan De Loore/DW

In der Gegend um Fushë-Kruje nördlich von Tirana wird besonders viel Cannabis angebaut. Von dort stammt der heute 26-jährige Raldi, der 2017 unter dem Vorwurf des Drogenhandels verhaftet wurde. Er selbst beteuert, er habe Cannabis zwar konsumiert, jedoch niemals damit gedealt. Aber er kenne Leute, die es aus Mangel an anderen Erwerbsmöglichkeiten getan hätten. Er selbst arbeite 14 Stunden am Tag für 500 Euro im Monat als Kfz-Mechaniker. Andere hätten überhaupt keine Aussichten auf einen Job.

Journalistin Mejdini sagt, die Regierung tue nicht genug für junge Menschen. Wie viele andere setzt auch sie ihre Hoffnungen in die EU. Laut Umfragen wollen fast 100 Prozent der Albaner den Beitritt.

Bulgarien bremst Albaniens EU-Ambitionen aus

Auch in der Regierung wächst die Ungeduld. Aus ihrer Sicht hat sie die Voraussetzungen für offizielle Beitrittsgespräche geschaffen. Der albanische Chefunterhändler Zef Mazi betonte im Gespräch mit der DW: "Der Transport von Cannabis oder anderer Drogen ist ein internationales Problem." Zudem verweist er darauf, dass hohe Politiker aus der EU mehrfach gesagt hätten, Albanien sei bereit für den Beitrittsprozess. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen seien darunter, meint Mazi.

EU-Komissions-Präsidentin Von der Leyen, der albanische Premier Rama: Albanien bewirbt sich seit 2009 um eine EU-MitgliedschaftBild: Franc Zhurda/dpa/picture alliance

In der Tat haben sämtliche EU-Mitglieder der Aufnahme von Verhandlungen mit Albanien zugestimmt. Dass dies noch nicht geschehen ist, hat nichts mit Albanien zu tun, sondern damit, dass die Verhandlungen parallel zu denen mit Nordmazedonien stattfinden sollen. Derzeit bremst aber Bulgarien den Nachbarn aus: Sofia verlangt, dass Skopje die bulgarischen Wurzeln in Geschichte und Sprache Nordmazedoniens anerkennen müsse.

Erweiterungs-Müdigkeit in der EU

Andererseits stehen einige EU-Länder, insbesondere Frankreich und die Niederlande, einer weiteren Expansion der Staatengemeinschaft ohnehin kritisch gegenüber - nicht zuletzt wegen des Frusts über den Brexit und Probleme mit der Rechtsstaatlichkeit in einigen EU- und Nicht-EU-Staaten Mittel- und Osteuropas. Die Aufnahme von Ländern mit Drogenanbau und Korruption, so die Befürchtungen, könnten einen weiteren Keil in die Union treiben.

Staatsanwalt Altin Dumani ist stellvertretender Leiter der albanischen Anti-Korruptions-Einheit SPAKBild: Adriaan De Loore/DW

Staatsanwalt Dumani beteuert, er und sein Team gäben ihr Bestes, um diese Probleme in Albanien zu bekämpfen. Laut einer kürzlichen Umfrage des Fernsehsenders Euronews Albania vertrauen 41 Prozent der Albaner der SPAK. Dumani genügt das nicht: "Wir sind noch nicht zufrieden mit dem, was wir erreicht haben", sagt er. Aber SPAK sei auch noch eine junge Behörde und mit der Zeit würden auch die Ergebnisse noch besser.

Aus dem Englischen adaptiert von Jan D. Walter.

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