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Gesellschaft

Pharmakonzerne schuld an Opioid-Epidemie?

27. August 2019

Der Schmerzmittel-Hersteller Johnson & Johnson muss Millionen an Oklahoma zahlen - der Konzern habe mit dem Marketing seiner Produkte zu hohen Abhängigkeitsraten und Todesfällen durch Überdosis beigetragen.

USA Rauschgift-Krise in Bosten
Rettungsdienstmitarbeiter behandeln in Boston einen Patienten mit Opioid-ÜberdosisBild: Reuters/B. Snyder

Eine der schlimmsten Drogenkrisen in der Geschichte Amerikas geht auf Pillen zurück, die den Menschen eigentlich helfen sollen: Starke Schmerzmittel, die Ärzte ihren Patienten beispielsweise nach einem Unfall oder einer Operation verschreiben. Diese Opioide können abhängig machen - manchmal reicht schon nach kurzer Zeit die verschriebene Menge nicht mehr aus. Die Männer und Frauen, die ohne nicht mehr durch den Tag kommen, müssen andere, gefährlichere Wege finden, an die Pillen zu kommen. Andere steigen auf illegale Drogen um. Insgesamt hat die Opioid-Epidemie in den vergangenen zwei Jahrzehnten rund 400.000 Menschen in den USA das Leben gekostet, 2017 erklärte US-Präsident Donald Trump die Krise zu einem Gesundheitsnotstand.

Im Bundesstaat Oklahoma, der in der Mitte des Landes nördlich von Texas liegt, sind seit dem Jahr 2000 nach offiziellen Angaben rund 6000 Menschen an den Folgen der Opioid-Krise gestorben. Jetzt hat ein Richter in Oklahoma einen Mitverantwortlichen für die Epidemie ausgemacht: Die Pharmariesen, die die Schmerzmittel herstellen, vermarkten und an den Mann, beziehungsweise den Doktor, bringen.

Am Montag verurteilte Richter Thad Balkman den Pharmakonzern Johnson & Johnson zu einer Zahlung von 572 Millionen Dollar. Die Firma habe "falsche, irreführende und gefährliche PR-Kampagnen" in die Welt gesetzt, die zu "exponentiell erhöhten Raten von Abhängigkeit [und] Todesfällen durch Überdosis" geführt hätten, schrieb Balkman in seinem Urteil.

Im Oktober 2017 erklärte US-Präsident Donald Trump die Opioid-Epidemie zu einem nationalen GesundheitsnotstandBild: picture-alliance/AP Photo/E. Vucci

Der Fall war von Anwälten des Bundesstaates vor Gericht gebracht worden. Sie hatten eine Strafe von mehr als 17 Milliarden Dollar gefordert. 2018 verzeichnete Johnson & Johnson einen Umsatz von fast 81,6 Milliarden US Dollar. Als Reaktion auf die verhältnismäßig kleine Summe, zu der Johnson & Johnson verurteilt wurde, stieg der Aktienkurs des Unternehmens nach der Verkündung des Urteils um 5 Prozent.

Risiken der Schmerzmittel heruntergespielt 

Für Oklahomas Generalstaatsanwalt Mike Hunter ist das Urteil trotz der niedriger als erwarteten Geldsumme ein Gewinn. "Das heute ist ein wichtiger Sieg für Oklahoma, die Nation und für jeden, der einen geliebten Menschen durch eine Opioid-Überdosis verloren hat", sagte Hunter am Montag. Johnson & Johnson sei Teil der "tödlichsten durch Menschen verursachten Epidemie, die unser Land je gesehen hat."

Oklahomas Staatsanwälte hatten den Pharmakonzern verklagt, weil er über Jahre hinweg die Wirksamkeit seiner Schmerzmittel zu hoch angesetzt und die Risiken, abhängig zu werden, heruntergespielt habe. Vertreter der Firma sollen Ärzte angeregt haben, mehr und häufiger Opioide zu verschreiben. In Werbematerial wie Flyern und Online-Spots sollen Konsumenten nicht ausreichend über mögliche Folgen der starken Schmerzmittel aufmerksam gemacht worden sein. Stattdessen wurden die Opioide als einfache Lösungen präsentiert.

Mit zwei anderen Pharmafirmen, die Oklahoma aus den gleichen Gründen verklagt hatte, war es bereits zu einer außergerichtlichen Einigung gekommen. Teva Pharmaceutical Industries zahlte dem Bundesstaat 85 Millionen US Dollar, von Purdue Pharma, dem Hersteller des weitverbreiteten Schmerzmittels Oxycontin, kamen 270 Millionen US Dollar.

Pharmakonzern sieht Ärzte in der Verantwortung

Sabrina Strong, eine Rechtsvertreterin der Firma, sagte am Dienstag, das Marketing von Johnson & Johnson sei durch die Regeln der US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel (FDA) reguliert, an welche sich die Firma genauestens halte. Mit den Medikamenten wolle man Patienten helfen, deren Bedürfnisse anders nicht gedeckt werden könnten.

Für die Opioid-Epidemie, "eine ernste Gesundheitskrise", trage der Pharmahersteller keinerlei Verantwortung, sagte Strong im Interview mit dem Radiosender NPR. "Der einzige Weg, auf dem man legal an diese Medikamente kommen kann, ist, wenn ein Arzt sie verschreibt", betonte die Anwältin. "Die Ärzte müssen entscheiden, wer ein geeigneter Patient ist."

Das Verfahren von Oklahoma wurde im ganzen Land mit Spannung beobachtet. Es gilt als Signal für mehr als 2000 ähnliche Fälle, in denen Hersteller, Großhändler oder Verkäufer von Schmerzmitteln wegen ihrer Rolle in der Opioid-Krise vor Gericht stehen. Der Fall von Johnson & Johnson in Oklahoma könnte sich noch länger hinziehen: Die Anwälte des Konzerns haben bereits angekündigt, in Berufung gehen zu wollen.

Carla Bleiker Redakteurin, Channel Managerin und Reporterin mit Blick auf Wissenschaft und US-Politik.@cbleiker
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