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PolitikAsien

Drohnen und mehr: Iran hilft Putin

28. Oktober 2022

Neben zusätzlichen Einkünften dienen Irans Drohnenlieferungen an Russland auch der Unterstützung eines Partners gegen den Westen.

Symbolfoto I Iranische Drohne
Start einer iranischen Drohne während eines Manövers im Iran im August 2022 Bild: Iranian Army Office/ZUMA/IMAGO

Erst Drohnen, nun offenbar Boden-Boden-Raketen: Einem Bericht der "Washington Post" zufolge weitet Iran seine Unterstützung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine aus. Damit, so das Blatt unter Berufung auf amerikanische und verbündete Geheimdienste, trägt Teheran dazu bei, die "großen Verluste" auszugleichen, die Russland seit Beginn des Angriffs auf die Ukraine im Februar erlitten habe, insbesondere bei Präzisionswaffen. Zu diesem Zweck habe Teheran Mitte September Vertreter nach Russland geschickt, um über die Lieferungen von zwei unterschiedliche Typen von Boden-Boden-Raketen zu sprechen.

Diese Waffen - konkret: Fateh 100- und Zolfaghar-Raketen - haben eine Reichweite zwischen 300 und 700 Kilometern. Die ukrainische Luftwaffe warnt zudem davor, dass Russland bald einen neuen Typ iranischer Drohnen einsetzen könnte, nämlich solche des Typs Meraj-521. Diese sind klein und leicht und können bis zu 15 Minuten über ihrem Ziel kreisen. Eingesetzt werden sie vor allem gegen leicht gepanzerte Fahrzeuge und Personen.

Der Kreml bestreitet den Einsatz iranischer Drohnen in der Ukraine.  Auch der Iran weist die Berichte als "unbegründete Behauptungen" zurück. Die Erklärungen der beiden Staaten gelten Fachleuten allerdings als unglaubwürdig.

Partner im Syrien-Konflikt

Spätestens seit 2015 hätten sich Russland und der Iran aufeinander zubewegt, sagt Markus Kaim von der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Von jenem Jahr an unterstützte Russland den seit dem Aufstand von 2011 immer stärker in die Defensive getrieben syrischen Diktator Baschar al-Assad  mit militärischen Mitteln.

Pro-russische Demonstration in Damaskus nach dem Angriff auf die UkraineBild: LOUAI BESHARA/AFP

Iran hatte sich Assad bereits Jahre zuvor an die Seite gestellt. Beide Länder - Russland und Iran - trugen wesentlich zum Scheitern des syrischen Aufstands bei. Darüber seien sie zusammengewachsen, so Kaim. "Beide haben zudem Syrien als besondere Interessensphäre ihrer jeweiligen Außenpolitik definiert. Das hat die beiden Staaten zusammengeschweißt", so Kaim gegenüber der DW.

Darüber, welche konkreten aktuellen Interessen der Iran mit seiner Militärhilfe für Russland verfolgt, gibt es verschiedene Vermutungen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte gegenüber der israelischen Zeitung "Haaretz", Iran könne sich seinen Einsatz durch russische Unterstützung für sein sein Atomprogramm bezahlen lassen. Das Magazin "Foreign Policy" nimmt an, Teheran könnte durch den Einsatz der Drohnen Werbung für seine Waffenindustrie  machen. Außerdem könnte es die auf diesem Schlachtfeld gewonnenen Erfahrungen dazu nutzen, seine Drohnen und Raketen zu modernisieren.

Gegen "amerikanisch dominierte Weltordnung"

Markus Kaim von SWP verweist darauf, dass der Iran und Russland sich beide als Zielscheibe westlicher Sanktionen sehen. "Ihr gemeinsames Interesse und ihre gemeinsamen Überlegungen zielen deshalb auf die Frage, wie sie westliche Sanktionen unterlaufen können." So verstanden, könnten die iranischen Waffenexporte an Russland Grandlage für weitere, auch nicht-militärische Zusammenarbeit sein. Ideologisch verbinde beide Regierungen darüber hinaus die Abwehr gegen eine wahrgenommene Vorherrschaft des Westens. "Beide wenden sich gegen eine aus ihrer Sicht amerikanisch dominiert Weltordnung", sagt Kaim.

Wladimir Putin legt in einer Rede am 27. Oktober seine Sicht vom "Ende der Hegemonie des Westens" darBild: Sergei Karpukhin/AP/picture alliance

Dieses Ziel verfolgte Iran bislang vor allem in der Region des Nahen Ostens. Dort versucht sich Iran seit Jahren als regionale und anti-westliche Hegemonialmacht zu etablieren. Dazu hat das Regime in Teheran ein umfassendes Bündnis mit nichtstaatlichen Akteuren geschlossen, so etwa mit Milizen wie die irakischen Kataib Hisbollah, Kampfverbänden wie den Huthis im Jemen oder Terrororganisationen wie der Hisbollah im Libanon. Der durch die iranischen Drohnen zusätzlich angeheizte Krieg in der Ukraine soll den Westen davon ablenken, "dem iranischen Hegemonialstreben im Nahen Osten entgegenzutreten", analysiert "Foreign Policy". 

Eric Brewer von der Organisation "Nuclear Threat Initiative" sieht Rache und Drohungen als Motive Irans: Es sei nicht auszuschließen, dass das Regime in Teheran versucht, den Westen, zu dem aus iranischer Sicht auch die Ukraine zähle, auch auf dessen eigenem Territorium zu attackieren. Dies wäre in den Augen des Regimes dann die Revanche dafür, dass der Westen, das heißt die USA, seit langem im Nahen Osten, also in unmittelbarer Nachbarschaft Irans, militärisch präsent sei. In diesem Sinne könnte der Einsatz iranischer Drohnen auch eine Warnung an die USA, die Golfstaaten und Israel sein, so Brewer weiter. Würden sie den Iran angreifen, so die Botschaft, könnten sie bereits am Beispiel der Ukraine sehen, wie Iran reagieren würde.

Solidarität gefallener Imperien

Die Politologin Barbara Slavin vom amerikanischen Thinktank Atlantic Council blickt weit in die Geschichte zurück, um eine Erklärung für den russisch-iranischen Schulterschluss gegen "den Westen" zu finden: Bei beiden Ländern handele es sich um ehemalige Imperien. Beide neigten zu Paranoia und Verschwörungstheorien und gingen davon aus, dass Außenstehende ihr Territorium begehren und sie durch die Anzettelung ethnischer Unruhen untergraben oder gar zerschlagen wollten.

Protest an der iranischen Botschaft in Kiew gegen Angriff russischer Drohnen Bild: SERGEY DOLZHENKO/EPA-EFE

Inzwischen scheint auch nicht ausgeschlossen, dass Russland das Regime in Teheran bei der Bekämpfung der derzeitigen Protestbewegung  unterstützt. Agenturmeldungen zufolge versprach Putin in einem Telegramm an Raisi, sein Land werde die Zusammenarbeit mit der Islamischen Republik "im Kampf gegen Terrorismus" verstärken. Die Führung in Teheran bezeichnete zuletzt auch die regierungskritischen Demonstranten als "Terroristen".

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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