"Drohnen sind ein sehr verlockendes Mittel"
17. Januar 2013 Deutsche Welle: Warum wird gezielt mit Drohnenangriffen getötet?
Armin Krishnan: Das Hauptargument ist, dass die Angriffe Selbstverteidigungen sind. Die Positionen der USA sind, dass die Drohnenangriffe in Pakistan gedeckt sind von dem Recht zur nationalen Selbstverteidigung, garantiert im Artikel 51 der UN-Charta. Das zweite Argument ist, dass diese Angriffe chirurgisch durchgeführt werden und dass nur die "bösen Jungs" angegriffen werden, dass man damit den Schaden minimiert und dadurch eine unmittelbare Bedrohung abwenden kann.
Können Sie auch die Argumente der Gegner bzw. Kritiker von Drohnenangriffen benennen?
Man muss unterscheiden zwischen den Drohnenangriffen, die in Kriegsgebieten durchgeführt werden und den Drohnenangriffen in neutralen Staaten. Die Drohnenangriffe in Afghanistan oder 2011 in Libyen sind eher unproblematisch. Völkerrechtlich spielt es keine Rolle, ob ein Angriff mit einem bemannten Flugzeug durchgeführt wird oder mit einem unbemannten Flugzeug. Es gibt Schätzung des "Büro für investigativen Journalismus", die besagt, dass in den letzten fünf Jahren etwa 1200 Drohnenangriffe im Irak, Afghanistan und Libyen stattfanden. Etwa dreimal mehr als Drohnenangriffe in Pakistan und anderen neutralen Staaten. Diese Drohnenangriffe sind eher unproblematisch.
Die interessante Frage ist: Was passiert in den so genannten neutralen Staaten? Haben die USA ein Recht, Terroristen in den Stammesgebieten von Pakistan oder in Somalia oder im Jemen auszuschalten, wenn die Geheimdienste Informationen dieser Art haben? Das größte Problem ist die Geheimhaltung. Die CIA kommentiert keine Drohnenangriffe. Auch die US-Regierung kommentiert keine bestimmten Drohnenangriffe. Sie haben inzwischen eingestanden, dass es dieses Drohnenprogramm gibt, aber sie erklären nicht, wer auf der Todesliste steht und wer spezifisch das Ziel eines bestimmten Angriffes war. Es gibt Ausnahmefälle wie [der islamistische Extremist - Red.] Anwar al-Awlaki. Da haben sie hinterher erklärt: "Ja, er war das Ziel des Angriffs und wir haben ihn erwischt." Das ist der absolute Ausnahmefall. Normalerweise wird das nicht kommentiert. Und da ergibt sich natürlich die Schwierigkeit festzustellen: Bestand militärischer Notwendigkeit für den Angriff? War eine unmittelbare Bedrohung gegeben? War der Angriff verhältnismäßig?
Wenn man ein sogenanntes Hochwertziel angreift, dann ist ein höheres Maß an Kollateralschäden erlaubt, als wenn man nur einen kleinen militanten Islamisten angreift. Der Angriff muss verhältnismäßig sein, im Bezug auf den zu erwartenden militärischen Vorteil, und das ist humanitäres Kriegsvölkerrecht. Andererseits, wenn es außerhalb von den Kriegsgebieten stattfindet, dann sollte eigentlich die Menschenrechtskonvention gelten. Da gibt es sehr viel stärkere Beschränkungen. In diesem Fall muss tatsächlich eine unmittelbare Bedrohung bestanden haben und es darf keine andere Möglichkeit gegeben haben, um diese Bedrohung abzuwenden. Es ist eine absolute Notmaßnahme.
Aber da die US-Regierung keine Informationen dazu herausrückt, ist es einfach schwer zu beurteilen. Was sich abzeichnet ist, dass in vielen Fällen die CIA noch nicht einmal weiß, wen sie da tötet. Nach einem Bericht des Wall Street Journals sind die allermeisten Drohnenangriffe in Pakistan sogenannte Signaturangriffe. Das bedeutet, dass die Identitäten der Personen, die angegriffen werden, nicht vor dem Angriff bekannt waren. Es wird ein bestimmtes Verhaltensmuster beobachtet, zum Beispiel von den Drohnenpiloten selbst oder von Beobachtern am Boden. Dann wird festgestellt, diese Personen sind wahrscheinlich in terroristische Aktivitäten verwickelt, und das erlaubt der CIA dann, den Angriff durchzuführen. Aber die CIA sagt nicht, welche Kriterien sie anlegt um festzustellen, ob sich Menschen verdächtig machen.
In Pakistan gibt es zum Beispiel viel Kollateralschaden. Viele Unschuldige werden getötet. Die Bevölkerung in Pakistan bzw. in den Stammesgebieten wird terrorisiert und der militärische Vorteil, den die USA und die NATO gewinnen, ist sehr zweifelhaft.
Wenn Sie ein abschließendes Urteil über die gezielte Tötung mittels Drohnen, in Pakistan oder auch im Jemen, also in Staaten, mit denen man nicht im Krieg steht, fällen müssten, wie lautete ihr Urteil?
Ich glaube nicht, dass es militärisch effektiv ist und das wirft dann natürlich auch Fragen im Bezug auf die Moral und juristische Zulässigkeit auf. Wenn es keine militärische Notwendigkeit gibt, diese Personen zu töten, dann sollte man es auch nicht tun. Ganz besonders nicht, wenn es die Souveränität von anderen Staaten verletzt. Und es scheint eher einen sogenannten Blowback zugeben als Folge von diesen Drohnenangriffen. Sie sind überaus unpopulär in allen Teilen der Welt, abgesehen von den USA. Es könnte sehr negative Folgewirkungen geben, denn die Drohnenangriffe tragen zur Radikalisierung und zum Anti-Amerikanismus bei.
Wird diese Praxis der Drohnenangriffe eher zunehmen und ausgebaut werden, wird sie auf dem Niveau bleiben oder wird man vielleicht überlegen, andere Wege einzuschlagen? Kann man das schon abschätzen?
Es gibt derzeit einen Wechsel im Kabinett von US-Präsident Obama. Besonders bemerkenswert ist die Ernennung von John Brennan als zukünftigem CIA-Direktor. Sie ist noch nicht bestätigt vom Senat, aber wahrscheinlich wird er es werden. John Brennan ist der Architekt und der hauptsächliche Befürworter des Drohnenprogramms. Es gab während der Bush-Administration nur 50 Drohnenangriffe in Pakistan, unter Obama gab es bereits über 300. Ich nehme an, dass die Drohnenangriffe eher zunehmen werden. Ganz besonders, weil sich amerikanische Truppen aus Afghanistan und anderen Teilen der Welt zunehmend zurückziehen werden, und mit den Drohnen können sie immer noch Präsenz zeigen. Das ist ein sehr verlockendes Mittel.
Armin Krishnan ist Professor für Security Studies an der Universität von Texas und Autor mehrerer Bücher über moderne Kriegsführung. Zuletzt ist von ihm erschienen: Gezielte Tötung. Die Zukunft des Kriegs, Berlin 2012 (272 Seiten).