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Politik

Droht Sami A. Folter in Tunesien?

Nermin Ismail | Wesley Dockery
18. Juli 2018

Jahrelang wurde der als Gefährder eingestufte Sami A. nicht abgeschoben. Der Grund: Ihm drohe Folter in Tunesien. Jetzt aber befindet er sich dort in Untersuchungshaft. Wie steht es um die Menschenrechtslage in Tunesien?

Tunesien Nationalgarde 2015
Bild: Getty Images/AFP/F. Belaid

Geht es nach dem zuständigen Verwaltungsgericht, soll die Abschiebung von Sami A. soll rückgängig gemacht werden. Doch so einfach wird sich das nicht realisieren lassen. Das tunesische Justizministerium beharrt auf eine Zuständigkeit Tunesiens. Tunesien lehnte es also ab, Sami A. am vergangenen Samstag zurückzuschicken. "Er hat nur eine tunesische Staatsangehörigkeit, also sind alleine tunesische Behörden zuständig", sagte der Sprecher der tunesischen Anti-Terror-Staatsanwaltschaft, Sofiène Sliti, mit Verweis auf die Souveränität des Landes. 

Sliti betonte, der Tunesier A. sei seit Januar 2018 wegen Terrorverdachts in Tunesien zur Fahndung ausgeschrieben. Der mutmaßliche frühere Leibwächter des 2011 getöteten Al-Kaida-Führers Osama bin Laden sei seit Freitag in Untersuchungshaft und von Anti-Terror-Richtern vernommen worden.

Folterrisiko vorhanden

"Es besteht das Risiko, dass der mutmaßliche Leibwächter durch eine harte Vernehmung gehen muss", sagt Merouan Mekouar der DW. Er ist Nordafrika-Experte an der York Universität in Kanada. Da die Wirtschaft Tunesiens auch stark vom westlichen Tourismus abhänge, sei Tunesien "ziemlich empfindlich, wenn es um die internationale Aufmerksamkeit geht", sagt der Experte. Da auch medial sehr viel über diesen Fall berichtet wurde, würde die tunesische Regierung sehr vorsichtig mit Sami A. umgehen. Die Beziehung zwischen Tunesien und Deutschland könnte dadurch belastet werden.

Mondher Charni, Generalsekretär der "Nationalen Instanz für Folter-Prävention" meint, Deutschland wäre der bessere Ort für die Ermittlungen gegen den mutmaßlichen Terrorverdächtigen. In Tunesien gebe es eine keine Garantie für einen freien Prozess, vor allem bei Terrorverdächtigen. Charni erzählt von Fällen, bei denen Verdächtige lange Zeit inhaftiert wurden - auch ohne konkrete Beweise, die ihre Schuld belegen.

Amnesty International sieht die Reformen in Tunesien durch das zunehmende brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte gefährdetBild: picture-alliance/dpa

"Rückkehr der Folter"

Während der Diktatur unter dem tunesischen Machthaber Zine El Abidine Ben Ali war Folter in den Gefängnissen Alltag. Eine Methode, um "Rebellion gegen die Regierung im Keim zu ersticken", erklärt Mekouar. Die französische Politikwissenschaftlerin Béatrice Hibou beschreibt in ihrem Buch "The Power of Obedience" wie Folter unter Tunesiens Ex-Diktator Ben Ali funktionierte: "Überfüllte Gefängnisse ohne Betten, Beraubung des Schlafs, Mangel an Nahrung und Wasser, kein Kontakt zur Außenwelt, keine Sauberkeit."

Tunesien hat zwar seit der Aufstände 2011 große Fortschritte erzielt. So hat das Land die internationale Konvention gegen Folter unterzeichnet und 2016 eine unabhängige Behörde geschaffen, die das Verbot von Folter überwachen soll.

Außerdem wurde die tunesische Wahrheitskommission gegründet, nachdem der tunesische Präsident Ben Ali vertrieben wurde. Die "Instance Verité et Dignité" hat die Aufgabe die Menschenrechtsverletzungen aus der Vergangenheit zu untersuchen. Die Komission veranlasste bis jetzt knapp 50.000 Anhörungen von mutmaßlichen Opfern der Diktatur. Von den über 62.000 Fällen, die von dieser Kommission untersucht werden, geht es bei einem Drittel um Folter.

Tunesien als sicherer Herkunftsstaat

Auch wenn es heute keine systematische Folter mehr in Tunesien geben soll, berichten Menschenrechtsorganisationen immer wieder von Fällen, in denen Opfer von Folterungen durch die Sicherheitskräfte berichten. Der Vizepräsident der Weltorganisation gegen Folter Mokhtar Trifi sprach im Oktober 2017 von einer "Rückkehr der Folter in Tunesien". In hunderten Fällen von Folter werden die Täter nicht verurteilt. Eine Reform des Justizwesens sei die einzige Möglichkeit, um jene, die Folter ausüben, zur Verantwortung zu ziehen. Verglichen zu anderen arabischen Ländern wie Ägypten, Irak oder Syrien, ist die Situation in Tunesien jedoch viel fortschrittlicher, sagt Mekouar.

In Deutschland wurde jetzt ein Gesetzentwurf gebilligt, mit dem - unter anderem - Tunesien als sicherer Herkunftsstaat eingestuft werden soll. 

Sami A. war 1997 als Student nach Deutschland eingereist . Im Jahr 2000 soll er in Afghanistan gewesen sein, um an einer militärischen Ausbildung der Al-Kaida teilzunehmen. Zeitweise soll er zur Leibgarde des Gründers des Terrornetzwerks Al-Kaida gehört haben. Seit Jahren lebte er mit seiner Frau und Kindern in Bochum.

 

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