1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Druck auf US-Präsident Biden wächst nach neuen Versprechern

12. Juli 2024

Abermals patzt der Präsident vor der Weltöffentlichkeit. Immer mehr Politiker des eigenen Lagers fordern ihn auf, nicht für eine zweite Amtszeit zu kandidieren.

USA | US-Präsident Joe Biden
Räuspern, Satzabbrüche, Namensfehler: Joe Biden nach dem NATO-GipfelBild: SAUL LOEB/AFP/Getty Images

Nach erneuten Versprechern nimmt der Druck auf Amtsinhaber Joe Biden weiter zu, auf eine Kandidatur bei der US-Präsidentenwahl im November zu verzichten. Auf dem NATO-Jubiläumsgipfel in Washington, an dem auch der Staatschef der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, teilnahm, hatte er diesen öffentlich als "Präsident Putin" vorgestellt - und sich dann selbst korrigiert. Der Gast aus Kiew nahm die Verwechslung mit dem russischen Machthaber Wladimir Putin humorvoll und konterte: "Ich bin besser!"

Im Anschluss an den Gipfel gab Biden eine Pressekonferenz, die mit knapp einer Stunde länger dauerte als die meisten früheren Auftritte des Präsidenten vor Journalisten. Zu Beginn las er Ausführungen vom Teleprompter ab. Dann antwortete er augenscheinlich frei auf Fragen, die sich weniger um das Treffen mit den Staats- und Regierungschefs anlässlich des 75-jährigen Bestehens der NATO drehten als vielmehr um die gesundheitliche Eignung des 81-Jährigen für eine zweite Amtszeit.

Biden auf Pressekonferenz: "Mir geht es gut"

01:25

This browser does not support the video element.

Dabei unterlief ihm erneut ein Patzer; diesmal bemerkte er ihn nicht: Er sprach von "Vizepräsident Trump" - statt korrekt von "Vizepräsidentin Kamala Harris". Der fragende Reporter hatte den Namen von Bidens republikanischem Konkurrenten, dem vormaligen US-Präsidenten Donald Trump, erwähnt und damit offenbar die Assoziation geweckt, die schließlich zum Versprecher führte.

Blinken zuckt kaum merklich zusammen

Im Saal waren nicht nur Vertreter der Presse versammelt: In der ersten Reihe saßen nebeneinander US-Außenminister Antony Blinken, Verteidigungsminister Lloyd Austin und der Nationale Sicherheitsberater der Vereinigten Staaten, Jake Sullivan. Als der fehlerhafte Name fiel, zuckte Blinken fast unmerklich zusammen und senkte den Blick. Sullivan hob eine Hand vors Gesicht und rieb sich das Kinn. Austin hörte regungslos zu.

Monothematische Presskonferenz: Fragen nach der mentalen und physischen Fitness des PräsidentenBild: Kevin Dietsch/Getty Images

Der Präsident räusperte sich mehrfach in der Pressekonferenz, sprach schleppend, verhedderte sich in seinen Sätzen, die er teilweise unvollendet ließ. Zugleich betonte Biden, er sei die "qualifizierteste Person", um Trump im Rennen um das Weiße Haus zu schlagen.

Auf Drängen der Journalisten musste der siebenfache Großvater zu seinem Geisteszustand Stellung beziehen. Biden versicherte, neurologische Untersuchungen hätten seine gute Verfassung bestätigt. Er sei entschlossen zu kandidieren, "aber ich weiß, dass es wichtig ist, dass ich Ängste zerstreue".

"Ich bin besser!" - Wolodymyr Selenskyj (rechts) nimmt die Vorstellung durch Biden als "Präsident Putin" mit HumorBild: BRENDAN SMIALOWSKI/AFP/Getty Images

Der Präsident bemühte seine NATO-Partner als Kronzeugen. "Ich höre keinen von den europäischen Verbündeten sagen: 'Joe, tritt nicht an'. Ich höre sie sagen: 'Wenn du nicht gewinnst, wird es ein Desaster.'" Tatsächlich stellten ihm mehrere prominente Gäste öffentlich ein positives Zeugnis aus, darunter Deutschlands Bundeskanzler. Olaf Scholz lobte im US-Sender PBS Bidens Führungsstärke und behauptete, im TV-Duell mit Trump vor zwei Wochen habe der Amtsinhaber "klar und fokussiert" gewirkt.

Tatsächlich hatte Biden selbst danach von einem "fürchterlichen Abend" gesprochen, den er bereue. Führende internationale Medien drängten ihn in den Kommentarspalten zum raschen Rückzug. Inzwischen wird auch der Gegenwind aus den eigenen Reihen stärker - mindestens siebzehn Kongressmitglieder haben Biden öffentlich zum Rückzug aufgefordert.

Desaster im Scheinwerferlicht: US-Präsident Biden in der TV-Debatte mit Donald TrumpBild: Yuri Gripas/abaca/picture alliance

Am lautesten hallte nach, was die mächtige Demokratin und Ex-Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, am Mittwoch in einem Fernsehinterview sagte: "Es liegt am Präsidenten, zu entscheiden, ob er kandidiert." Dann ergänzte sie: "Wir alle ermutigen ihn, diese Entscheidung zu treffen. Die Zeit wird knapp."

"Kampf gegen die Zeit kann er nicht gewinnen"

Hollywoodstar George Clooney hatte in einem Gastbeitrag der "New York Times" in die gleiche Kerbe gehauen und mit Verweis auf Bidens Alter geschrieben, eine Schlacht, die der Präsident nicht gewinnen könne, sei der Kampf gegen die Zeit. Das Blatt berichtete zudem, eine wachsende Anzahl von Großspendern, die für den US-Wahlkampf enorme Bedeutung haben, fordere einen Ersatzkandidaten.

Biden wehrt sich weiter gegen das Ansinnen; er hat für Montag erneut ein TV-Interview angekündigt. Im Sender NBC will er sich den Fragen von Lester Holt stellen, einem der bekanntesten Nachrichtenmoderatoren des Landes, der 2016 auch das erste Fernsehduell zwischen Trump und dessen damaliger Herausforderin Hillary Clinton moderiert hatte. Vergangene Woche war Biden schon im Sender ABC aufgetreten - um dabei zu betonen, dass nur Gott ihn zum Rückzug bewegen könne.

jj/AR (dpa, afp, rtr)