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Politik

Jamaika-Koalition auf der Kippe?

Lea Fauth
6. November 2017

FDP-Chef Lindner hat dieses Wochenende erstmals von Neuwahlen gesprochen: Die Sondierungsgespräche mit CDU, CSU und den Grünen gehen ihm nicht schnell genug. Union und Grüne wollen auf keinen Fall aufgeben.

Fortsetzung der Sondierungsgespräche
Bild: picture alliance/dpa/M. Kappeler

Es war ein bisschen so, als würde sie Beruhigungspillen verteilen: Grünen-Chefin Katrin Göring-Eckardt reichte bei der Fraktionssitzung ihrer Partei Jamaika-Rum-Schokolade herum. Ein Zeichen der Entschlossenheit: Die Sondierungsgespräche gehen weiter - auch wenn sie bisher nicht so gut liefen. Von Klimaschutz bis Landwirtschaft, von EU-Politik bis hin zu Wohnungspolitik und Sicherheit: Meistens kündigten die Einigungspapiere von Grünen, FDP und Union vor allem an, über welche Themen die Parteien sich in Zukunft streiten wollen.

Und nun? Zwar sagte Grünen-Chefin Katrin Göring-Eckardt, dass ein Ende der Sondierungsgespräche frühestens nächste Woche zu erwarten sei. Und Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte sogar erstmals öffentlich ein Enddatum für die Sondierungen. "Am Donnerstag, dem 16. November wollen wir fertig sein mit allem", sagte die CDU-Chefin in einer Videobotschaft auf ihrer Facebook-Seite. Demnach sollen bis Ende der Woche die Knackpunkte für mögliche Koalitionsgespräche geklärt werden.

Aber schon jetzt ist klar: Nach zähen Verhandlungen ohne wirkliche Lösungen kommt nun die Phase der Zerreißprobe. Jetzt geht es darum, ob die Jamaika-Koalition überhaupt zustande kommen kann. Vor allem steht die zweite Phase der Sondierungsgespräche im Schatten von Christian Lindners letzter Ansage. "Wir haben keine Angst vor Neuwahlen", verkündete der FDP-Chef am Wochenende. Reine Provokation?

Er nimmt "jeden Shitstorm in Kauf"

Nicht nur. Denn wenn es eine Partei gibt, die bei Neuwahlen nichts zu verlieren hat, dann ist es die FDP. Sie hat die Möglichkeit mitzuregieren, könnte sich aber auch als kompromisslose Oppositionspartei profilieren, um bei den nächsten Wahlen umso besser dazustehen. Diese Option sprach Lindner dieses Wochenende unverblümt aus. "Dafür nehme ich jeden Shitstorm in Kauf", brüstete sich der Liberale - wobei ihm klar sein dürfte, dass Kompromisslosigkeit bei den Wählern gut ankommt.

Steht besonders unter Druck: CSU-Chef Horst SeehoferBild: Reuters/F. Bensch

Dass die Liberalen mit dem Gedanken an Neuwahlen spielen, könnte aber auch Ausdruck ihrer Verhandlungsstrategie sein. Die FDP weiß, dass Grüne und Union um jeden Preis an der Jamaika-Koalition festhalten wollen - trotz aller Dissonanzen. Wenn Lindner nun mit einem Ende der Verhandlungen droht, werden - so kalkuliert er - die Grünen ihm womöglich weiter entgegenkommen müssen. 

Die wollen sich und ihrer Verhandlungsposition zu Beginn der zweiten Phase keine Blöße geben. Grünen-Chef Cem Özdemir kritisierte Lindner umgehend. Er finde das "Gerede" um Neuwahlen "unverantwortlich", sagte der Grünen-Chef am Montag in Berlin. "Wir sind nicht gewählt worden, dass wir dem Wähler sagen, das Wahlergebnis gefällt uns nicht", fügte er hinzu. Wählen und wieder wählen, bis das Ergebnis den Politikern passe, sei keine Option. Implizit wirft Özdemir dem FDP-Chef damit vor, bei den Verhandlungen nicht ernst genug bei der Sache zu sein.

Ungeduld mit strategischem Hintergrund

Tatsächlich dauern die scheinbar so langwierigen Sondierungsgespräche im Vergleich noch gar nicht so lange an. Sogar die schwarz-gelbe Traumkoalition von 2009 benötigte mehr als einen Monat, um zustande zu kommen. Die jetzigen Sondierungsgespräche dauern bis jetzt gerade etwas mehr als zwei Wochen. In diesem Kontext hat Lindners Drängen zu Eile auch einen Anschein von Ungeduld, deren strategische Absicht umso mehr durchscheint.

Dass die Sondierungsgespräche zu einem Ergebnis kommen, liegt auch im Interesse der Union. Gerade in Bayern hat die wackelig dastehende CSU viele Stimmen an die rechtspopulistische AfD verloren und mit 38,8 Prozent bei den Bundestagswahlen ihr schlechtestes Ergebnis seit Jahrzehnten eingefahren. Besonders Parteichef Horst Seehofer dürfte vor einem Scheitern der Sondierungsgespräche zittern. Er steht parteiintern so sehr in der Kritik, dass er bei Neuwahlen wohl den Posten als CSU-Chef räumen müsste. Die Junge Union fordert angesichts der Landtagswahlen 2018 jetzt schon seinen Rücktritt. Die relativ guten Wahlergebnisse der AfD könnten viele Wähler von CDU und CSU außerdem auch ermutigen, die Rechtspopulisten zu wählen, sollte es zu Neuwahlen kommen. Ein Stück Jamaika-Rum-Schokolade hätte Seehofer womöglich sogar von Grünen-Chefin Göring-Eckardt angenommen.

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