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Dschihadisten für Assad

Kersten Knipp18. Januar 2014

Islamistische Dschihadisten spielen im syrischen Bürgerkrieg eine immer größere Rolle. Längst bestimmt ihre Präsenz in dem Land auch den politischen Umgang mit der Krise. Das nützt vor allem dem Assad-Regime.

Kämpfer der Gruppe ISIL in Syrien (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Die im Internet kursierenden Bilder sind schockierend: Zu sehen sind die Leichen blutig dahingemetzelter Männer. Sie sollen in Gebieten gefunden worden sein, die unter die Herrschaft der Terrorgruppe "Islamischer Staat im Irak und der Levante" (ISIL) fielen. Die Authentizität der einzelnen Bilder ist weder bewiesen noch widerlegt, aber ihren Zweck erfüllen die Fotos: die Weltbevölkerung wachzurütteln angesichts des Schreckens, den die aus dem Ausland eingesickerten und nun in Syrien wütenden dschihadistischen Gruppen - allen voran ISIL - verbreiten.

Durch sie ist die Front der Assad-Gegner weiter zerbrochen. Die syrischen Rebellen hatten die Kämpfer zunächst noch willkommen geheißen, wegen ihrer Waffen und Kampferfahrung. Aber die Meldungen über die Terror-Herrschaft der Dschihadisten haben alles verändert: Die Rebellen und die Dschihadisten wurden schnell zu Feinden. Allein in den vergangenen zwei Wochen wurden bei Kämpfen zwischen säkularen Assad-Gegnern und den Dschihadisten über 1000 Menschen getötet, wie die in London ansässige "Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte" berichtet, die den Krieg in Syrien seit seinem Ausbruch dokumentiert. 130 der Todesopfer sind demnach Zivilisten; von ihnen wurden 20 exekutiert.

Auch bei den Kämpfen der bewaffneten Gruppen untereinander scheint es immer brutaler zuzugehen: Knapp hundert säkulare Kämpfer wurden von den Milizen von ISIL exekutiert, die Rebellen ihrerseits töteten knapp 60 gefangengenommene Dschihadisten, so die Beobachtungsstelle.

Sich selbst erfüllende Prophezeiungen

Zivilcourage gegen den Terror: Syrische Zivilisten protestieren bei Aleppo gegen ISILBild: Reuters

Die meisten der im Internet zirkulierenden Fotos und Berichte wurden offenbar von unbeteiligten Zivilisten veröffentlicht. Mit ihren Texten und Bildern wird inzwischen aber ein Medienkrieg geführt, der vor allem einer Kriegspartei in die Hände spielt: dem Assad-Regime.

Seit Beginn des Krieges hat es seine Gegner pauschal als "Terroristen" bezeichnet, ganz unabhängig davon, ob es sich um syrische Bürger oder - etwas später dann - aus dem Ausland eingereiste Dschihadisten handelte. Nahezu täglich erscheint der Begriff auf der Website der staatlichen syrischen Nachrichtenagentur Sana.sy. Dank der ausländischen Extremisten, die ins Land drängen, kann das Regime den Begriff mit immer größerem Recht verwenden: Das ursprünglich zur Denunziation der Gegner gebrauchte Wort bezeichnet mehr und mehr eine politische Realität. "Das Regime reibt sich die Hände und schaut zu, wie seine sich selbst erfüllenden Prophezeiungen Stück für Stück Wirklichkeit werden", schreibt das arabische Internet-Magazin "Al Monitor".

Westliche Staaten gehen auf Assad zu

Diese Wirklichkeit spielt dem Regime nun mehr und mehr politisch zu. Längst haben sich angesichts der terroristischen Bedrohungen die Prioritäten der westlichen Staaten verschoben. Standen sie zu Beginn des Aufstands auf Seiten der Demonstranten, gehen sie nun auf das Assad-Regime zu - nicht aus Sympathie, sondern aus Sorge vor dem sich ausbreitenden Terrorismus. Die Gotteskämpfer, so die Befürchtung, könnten sich eines Tages auch in Richtung Westen aufmachen.

Terror im Namen Gottes? Kämpfer von ISIL, hier fotografiert im LibanonBild: Radwan Mortada

Der Krieg gegen den Terrorismus sei zur Grundlage der Partnerschaft zwischen den USA, Russland, Europa und China geworden, schreibt die Politik-Analystin und Kolumnistin Raghida Dergham in der in London erscheinenden pan-arabischen Zeitung "Al Hayat". Und die syrische Regierung nutze den Terrorismus, um sich als Mitglied dieser Partnerschaft zu empfehlen. "Mit dem Label Terrorbekämpfung schmückt sie sich nicht nur. Sie will dadurch auch vermeiden, eines Tages zur Rechenschaft gezogen zu werden."

Terror könnte Assad retten

Indem sie nun den Kampf gegen den Terrorismus aufnähmen, so Dergham weiter, gäben die westlichen Staaten ihre ursprünglichen Ziele auf. "Sie gehen in jene Falle, die Damaskus und seine Verbündeten gestellt haben, um Washington, London und die anderen europäischen Hauptstädte von ihrem ursprünglichen Pfad abzubringen."

Die Rechnung scheint aufzugehen, das sieht auch der Nahost-Experte Guido Steinberg von der Berliner "Stiftung Wissenschaft und Politik" so. Die derzeitige Entwicklung stärke Assad, sagt er. Denn tatsächlich würden die Amerikaner in ihrer Syrienpolitik mehr und mehr die Bekämpfung des Terrorismus in den Blick nehmen. "Und wenn sie darauf umschalten, ist Assad vollends gerettet."

Neues Thema für die Syrien-Konferenz

Der russische Außenminister Lawrow und sein syrischer Amtskollege al-Muallim in MoskauBild: Reuters

Einen Schritt dahin will die Regierung Assad offenbar auch auf der Schweizer Syrien-Konferenz tun. Die syrische Nachrichtenagentur Sana berichtet auf ihrer Website von einem Treffen des russischen Außenministers Sergej Lawrow mit seinem syrischen Amtskollegen Walid al-Muallim in Moskau (17.01.2014). Beide Politiker, heißt es dort, seien sich über die in Genf zu erreichenden Ziele einig. "Wir wollen, dass diese Konferenz eine politische Lösung der Krise in Syrien bringt", erklärte al-Muallim. "Das ist der sicherste Weg, die Anliegen der syrischen Bevölkerung umzusetzen, allen voran die Bekämpfung des Terrorismus."

War es das ursprüngliche Ziel der Konferenz, die Gewalt in Syrien zu beenden und eine Übergangsregierung zu installieren, so machen sich Syrien und Russland für ein anderes Thema, die Bekämpfung des Terrorismus, stark.

Politisches Dilemma

Damit stehen die westlichen Staaten vor einem Dilemma: Einerseits arbeiten sie mit einem Regime zusammen, das für den Tod von über 100.000 Syrern verantwortlich gemacht wird. Auf der anderen Seite haben sie es mit religiösen Extremisten zu tun, die nicht nur für Syrien eine Bedrohung sind. Verbünden sich die Staaten mit dem Assad-Regime, machen sie sich die Hände schmutzig. Tun sie es nicht, setzen sie sich dem Vorwurf aus, womöglich die Fürsorgepflicht gegenüber ihren Bürgern zu verletzen.

Auf jeden Fall, sagt Guido Steinberg, berge der islamistische Terror politischen Sprengstoff. "Die Gefahr der Dschihadisten hat heute schon eine Dimension angenommen, die unsere Sichtweise auf den Konflikt verändert. Was sich da zusammenbraut, ist in der deutschen Politik nur noch nicht angekommen."

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