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Politik

Vereinigte Arabische Emirate: Fluchtpunkt reicher Russen

Cathrin Schaer
16. März 2022

Seit langem fungieren die VAE als Zufluchtsort reicher Russen, die ihr Vermögen in Sicherheit bringen wollen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und westlicher Sanktionen.

Vereinigte Arabische Emirate | Dubai
Zur Villa ein Visum: möglich in den VAEBild: picture alliance / Soeren Stache/dpa-Zentralbild/ZB

Wo findet man in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) russisches Essen? Wo praktizieren russischsprachige Ärzte? Es sind Fragen wie diese, die die Leser des in Dubai ansässigen Lifestyle-Magazins "Russian Emirates" interessieren. Doch im Zentrum des Interesses steht eine andere Frage: "Kann ich die Staatsbürgerschaft der VAE erhalten?" Sie wurde auf der Webseite des russischsprachigen Magazins bereits über 83.000 Mal angeklickt.

Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine und den daraufhin von westlichen Staaten verhängten Sanktionen hat sich die Zahl der Leser auf der Website des Magazins mit fast 300.000 Aufrufen innerhalb einer Woche nahezu verdoppelt.

Der Trend dürfte sich fortsetzen, nehmen Experten an. Denn viele Russen suchten nach Möglichkeiten, die von den westlichen Staaten gegen Russland verhängten Sanktionen zu umgehen und ihren Wohlstand angesichts eines möglichen Staatsbankrotts in Sicherheit zu bringen. Einige weitere dürften zudem wohl versuchen, der aus ihrer Sicht zunehmend gefährlichen politischen Situation in ihrer Heimatregion zu entkommen.

Privatjets zwischen Dubai und Moskau

Ein Insider der Ölindustrie, der diesen Monat das Emirat Dubai besuchte und seinen Namen nicht veröffentlicht sehen will, berichtet gegenüber der DW von einer spürbaren Veränderung der Atmosphäre. "Man hat das Gefühl, dass der Krieg hinsichtlich des russischen Kapitalzuflusses nach Dubai einen enormen Wandel bewirkt. Viele Russen verlassen ihr Land und suchen nach sicheren finanziellen Zufluchtsorten", so sein Eindruck.

Medienberichten zufolge bewegen sich manche russische Oligarchen mit Privatjets zwischen Moskau und Dubai hin und her. Eine ukrainische Zeitung berichtete über den Verdacht des nationalen Geheimdienstes, russische Oligarchen versuchten ihr Privateigentum nach Dubai in Sicherheit zu bringen. Auf Grundlage offener Websites zum Seeverkehr entdeckten Open-Source-Ermittler zudem mehrere in Dubai vor Anker liegende Superjachten. Da die VAE nicht die gleichen strengen Sanktionen gegen Russland verhängt haben, gelten diese dort als sicher.

Jagd auf das Vermögen russischer Oligarchen, hier in Europa: Beschlagnahmung einer russischen Jacht durch die italienische Finanzpolizei im März 2022Bild: Antonio Calanni/AP/picture alliance

Unsichtbare Transaktionen?

Trotz ihrer langjährigen sicherheitspolitischen Beziehungen zu den USA versuchen die VAE im Krieg zwischen Russland und der Ukraine neutral zu bleiben. Entsprechend sei die Zahl der Informationsanfragen aus Russland gestiegen, erklärten russischsprachige Unternehmensberater in Dubai gegenüber internationalen Medien.

"Dubai könnte zu einer noch größeren Drehscheibe für das Geld russischer Oligarchen werden", sagt Jodi Vittori, die an der Georgetown University in Washington zu Korruption, illegalen Finanzen und der Schwäche staatlicher Institutionen forscht. Der Strom unrechtmäßig erworbener russischer Gelder fließe bereits seit Ende der 1990er Jahre durch Dubai, so Vittori, die früher in der Task Force der NATO zur Korruptionsbekämpfung arbeitete.

Allerdings lasse sich kaum vorhersagen, wie groß der Anstieg nun werde. "Denn das Geld wird überwiegend unsichtbar bleiben", so Vittori.

Das liege auch daran, dass die VAE-Behörden entsprechende Informationen nicht ernsthaft sammelten, sagt Maira Martini, Forscherin bei dem auf Korruptionsbekämpfung spezialisierten Thinktank Transparency International.

Nachhaltige Reformen?

Dank der verstärkten Kontrolle durch Organisationen wie der Financial Action Task Force (FATF), einer globalen Überwachungsorganisation für Geldwäsche, habe es in letzter Zeit allerdings einige Reformen in diesem Sektor gegeben, so Martini.

Dennoch setzte die Aufsichtsbehörde die VAE Anfang dieses Monats auf eine so genannte "graue Liste". In der Folge unterliegt das Land fortan einer stärkeren Beobachtung.

Die VAE hatten eine Reihe neuer Regeln aufgestellt, um potenziell illegale Finanzierungen besser kontrollieren zu können. Allerdings hätten sie zur Durchsetzung dieser Regeln nicht viel getan, erklären Martini und Vittori übereinstimmend.

Immerhin ändere sich dies langsam, so Martini: "Wenn man heutzutage ein Unternehmen in den VAE gründet, wird man inzwischen gefragt, wer wirklich dahintersteckt." Dennoch sei es in den VAE immer noch einfach, Vermögen zu verstecken, so Martini. So etwa gebe es in den sieben Emiraten der VAE insgesamt 39 verschiedene Firmenregister. Dies sei kein effektives System, sondern "ein Durcheinander".

Zudem gibt es in den VAE mehr als 40 so genannte "Freizonen", in denen Ausländer Unternehmen ansiedeln (oder sie dorthin verlagern) können. "Auch was Immobilien- oder Investmentfonds angeht, wird ihnen niemand irgendwelche Fragen stellen", so die Expertin von Transparency International.

Internationale Proteste gegen den russischen Angriff auf die Ukraine - hier in London im März 2022Bild: WIktor Szymanowicz/NurPhoto/picture alliance

Visum gegen Investitionen

Der Kauf von Immobilien verläuft in den VAE vergleichsweise reibungslos. Für Investoren ist er mit einem Aufenthaltsvisum verbunden, für das sie keine lokale Bürgschaft benötigen. Der Verwaltungsaufwand für den Kauf einer Wohnung oder die Gründung eines Unternehmens ist minimal. Bei der Abwicklung von Geschäften spiele Bargeld eine zentrale Rolle, so die Experten.

Wer in Immobilien im Wert von rund 272.000 Dollar (185.000 Euro) investiert, erhält zudem ein dreijähriges Visum für die VAE. Für eine Investition von etwa 1,36 Millionen Dollar (1,18 Millionen Euro) erhält man sogar ein Fünfjahresvisum. Russen der oberen Mittelschicht, die ihre Geschäfte vor Sanktionen oder dem Zugriff durch die eigene Regierung schützen wollen - oder die jetzt den Zusammenbruch der russischen Wirtschaft befürchten -, könnten durchaus über die nötigen Mittel verfügen, sich in den VAE einen sicheren Hafen einzurichten.

Sauber und schmutzig

Natürlich sind die VAE nicht die einzige Anlaufstelle für vermögende Privatpersonen. Auf der grauen Liste der FATF stehen 23 weitere Länder, darunter etwa Pakistan, der Südsudan, die Kaimaninseln, Jemen und Marokko. Allerdings unterstützen einige dieser Länder die westlichen Bemühungen, Russland wirtschaftlich zu isolieren.

Doch auch aus anderen Gründen bleiben die VAE für reiche "Wirtschaftsflüchtlinge" attraktiv. "Die VAE sind ein einzigartiger Standort", sagt Jodi Vittori. "Kein Transitpunkt wie die Kaimaninseln, sondern eher eine zentrale Anlaufstelle für illegale Finanzen." Zudem gebe es in Dubai nicht zuletzt aber auch viel 'sauberes' Geld, so Vittori. Denn viele multinationale, im Nahen Osten tätige Unternehmen hätten ihren Sitz in den VAE und arbeiteten legal.

"Niemand investiert an Orten mit 'schmutzigem' Geld, weil jeder weiß, dass es dort auch schmutzig zugeht", sagt Vittori. "Es ist also die Kombination aus sauber und schmutzig, die Dubai so attraktiv macht."

Dubai ist auch seit langem ein beliebtes visumfreies Urlaubsziel für Russen. Im Jahr 2019 zogen die VAE rund 730.000 russische Touristen an. Dann schränkte die Pandemie den Reiseverkehr ein. Schätzungen zufolge leben derzeit rund 100.000 russischsprachige Menschen in den VAE. Davon stammen etwa 40.000 aus Russland, die übrigen zumeist aus anderen postsowjetischen Staaten.

Beliebt auch bei russischen Touristen: Strandleben in DubaiBild: picture alliance / Jürgen Schwenkenbecher

Intransparenz als Geschäftsprinzip

Flankiert wird diese Entwicklung durch die politische Situation in den VAE. Menschenrechtsaktivisten bezeichnen die Emirate als autoritäres System. Es gebe keine wirkliche politische Opposition, Zivilgesellschaft und Medien stünden unter Druck und genössen keinerlei Meinungsfreiheit. Entsprechend eingeschränkt sei etwa die Arbeit investigativer Journalisten, sagt Vittori.

Jodi Martini von Transparency International nennt zwei weitere Gründe, aus denen die VAE als Versteck für unrechtmäßig erworbene Gewinne geeignet seien. Zum einen würden Finanztransaktionen geheim gehalten. Zum anderen arbeiteten die VAE in diesen Fragen eher wenig mit anderen Ländern zusammen.

Dubai habe zwischen 2013 und 2018 rund 300 Ersuchen um Unterstützung aus dem Ausland erhalten, berichtet die die FATF. Denen sei es aber nur in 89 Fällen nachgekommen. "Die Behörden der VAE sind sehr langsam und handeln nicht proaktiv", so Martini. So sei es in den zahlreichen denkbaren Fällen höchst unwahrscheinlich, dass eine in den VAE lebende Person ausgeliefert werde. "All diese Eigenschaften machen die VAE ausgesprochen attraktiv für diejenigen, die Sanktionen vermeiden oder Vermögen verstecken wollen."

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.

Dubai wirbt in der Pandemie um Touristen

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