Wie in einer Seifenoper
28. April 2008Eigentlich stehen sie sich in nichts nach. Beide treten mit unverhohlener Freude in satirischen Quizshows auf, beide stapfen mit ebenso unverhohlenem Genuss in Fettnäpfchen. Der eine, Ken Livingstone, nennt den US-Botschafter in London einen erbärmlichen kleinen Gauner, und freut sich auf den Tag, an dem die saudische Königsfamilie vom Laternenpfahl baumelt. Der andere, Boris Johnson, sagt, die englische Stadt Portsmouth strotze vor Drogensüchtigen, fettleibigen Versagern und Labour-Abgeordneten.
"Widerlichster Mann gegen eingebildeten Geck"
Livingstone ist seit acht Jahren Bürgermeister von London, sporadisches Mitglied der Labour Partei und nach Ansicht des Massenblatts "The Sun" ist er "der widerlichste Mann in Großbritannien".
Johnson ist aussichtsreichster Bürgermeisterkandidat, Mitglied der oppositionellen Konservativen und vor allem in linken Kreisen als "privilegierter, eingebildeter Geck" verschrien.
Beide Kandidaten sind überlebensgroße Charaktere, fast schon Karikaturen. Mit dem Ergebnis, dass die Medien die Bürgermeisterwahlen beinahe wie in einer Seifenoper behandeln, sagt Rosa Prince von der Tageszeitung "Daily Telegraph". Es ginge nicht mehr in erster Linie um Politik, sondern um den Zusammenprall zweier Persönlichkeiten, die wie in einer Seifenoper inzwischen nur noch mit Vornamen angesprochen werden.
Von Bussen und Tauben
Doch ihre Wahlparolen sind kaum voneinander zu unterscheiden. Boris sagt Verbrechen und Rowdytum den Kampf an. Ken will für die Sicherheit in der Metropole sorgen.
Aber natürlich gibt es auch kleine Unterschiede: Boris hasst die neuen Zieh-Harmonika-Busse, die Ken eingeführt hat. Ken wiederum hasst Tauben und Luxuskarossen.
Auch mit Schlagzeilen über ihr Privatleben können die zwei Kontrahenten glänzend konkurrieren. Boris wurde wegen außerehelicher Abenteuer vorübergehend zum Hinterbänkler degradiert. Kens Offenbarung, er habe fünf Kinder von drei verschiedenen Frauen, wurde eben erst bekannt. Na und, so sein trockener Kommentar, was Erwachsene im gegenseitigen Einverständnis machen, ginge niemanden etwas an, solange keine Kinder, Tiere oder Pflanzen beteiligt sind.
Livingstone, wegen seiner linken Gesinnung jahrelang auch "Roter Ken" genannt, gilt als Proletarier und Underdog. Er ist keck, durchtrieben, gewitzt. Johnson wiederum verkörpert den feinen englischen Pinkel. Aber er rutscht mit so viel unfreiwilliger Komik auf Bananenschalen aus, dass man ihn fast in sein Herz schließen möchte.
Umstrittene City Maut
Für Umweltfreunde wie Nick Farraday von "Friends of the Earth" wäre Johnson allerdings eine Katastrophe für London. Johnson hat sämtliche Aktionen gegen den Klimawandel blockiert, und er will die Londoner City Maut abschaffen, mit der Livingstone so spektakuläre Erfolge erzielt hat.
Livingstone hat einen Fehler begangen: Er sich keinen würdigen Nachfolger herangezogen. Denn nach acht Jahren mit Bürgermeister Livingstone gelüstet es die Londoner offenbar nach einem Wandel - laut jüngsten Umfragen liegt Johnson in Führung. Die regierende Labour Partei und die oppositionellen Konservativen nehmen die Bürgermeisterwahlen äußerst ernst. Sollte Johnson gewinnen, hätten die Konservativen die Hauptstadt erobert und für ihren nächsten Wahlkampf gegen Labour eine hervorragende politische Plattform gewonnen.