Eine Londoner Galerie hat ein bislang unbekanntes Werk von Albrecht Dürer im Angebot. Einst hat es 30 Dollar gekostet, nun könnte es mehrere Millionen bringen.
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Es ist eine Geschichte, wie sie wohl jeder gern erleben würde. Ein Mann ersteht bei einem Nachlassverkauf in den USA ein Kunstwerk für 30 US-Dollar - in der Annahme, es handele sich um eine Reproduktion aus dem 20. Jahrhundert. Später aber stellt sich heraus, dass es sich um eine Original-Zeichnung des deutschen Renaissance-Starmalers Albrecht Dürer handelt - und daher vermutlich mehrere Millionen wert sein könnte. Zu sehen ist "Die Jungfrau und das Kind", so der Titel der Zeichnung, die auf einer grasbewachsenen Bank sitzen.
Albrecht Dürer - Genie und Revolutionär
Dürer ist einer bedeutendsten deutschen Künstler, seine "Apokalyptischen Reiter" gehören zu den Meisterwerken der Kunstgeschichte. 1471 geboren und 1528 gestorben, lebte Albrecht Dürer an der Schwelle vom Spätmittelalter in die frühe Neuzeit.
Es ist eine Zeit, die große gesellschaftliche Umbrüche mit sich brachte: Kirche und Religion verloren immer mehr an Bedeutung. Stattdessen rückte das Individuum in den Vordergrund - auch in der Kunst. Das neue Menschenbild der Renaissance zeichnet sich in der Literatur, der Architektur und eben auch der Malerei und Bildhauerei ab. Albrecht Dürers Werk bezeugt diese großen Entwicklungen der Zeit.
Seine Heimatstadt Nürnberg war zu Dürers Lebzeiten ein Zentrum des wirtschaftlichen und kulturellen Lebens. Das verhalf dem Meister des Holz- und Kupferstichs zu frühem Ruhm. Ein anderer Grund: Auch der Kunstmarkt veränderte sich in dieser Zeit rasant. Dürer war finanziell sehr erfolgreich, einerseits durch eine Rente des Kaisers, andererseits durch den Verkauf seiner Bilder, zum Beispiel auf der Messe in Frankfurt. So stieg er schnell zu einem Superstar der europäischen Kunstszene auf - und das noch zu Lebzeiten.
Eine Ausbildung zum Goldschmied verhalf ihm zu seinen herausragenden handwerklichen Fähigkeiten. In seinem Beruf lernte er, Metalloberflächen zu bearbeiten. Dieses Wissen konnte er für die Fertigung von Kupferstichen nutzen, für die er berühmt wurde.
Auch damals schon: Seine Holzschnitte und Kupferstiche wurden in hoher Auflage gedruckt und verkauften sich in Deutschland und ganz Europa gut. Auf allen Werken findet sich sein Monogramm - ein Qualitätssiegel, und eine frühe Äußerung eines Urheberrechts, das so noch nicht erdacht war.
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"Dürer and His Times" - Teil der London Art Week
Zufallsfunde wie in Boston gibt es immer mal wieder. So wurde 2016 auf einem Flohmarkt in der ostfranzösischen Stadt Sarrebourg ein Kupferstich von Albrecht Dürer (wieder-)entdeckt. Anders als beim jetzigen Fund befand sich darauf allerdings ein Stempel der Staatsgalerie Stuttgart. Das Werk galt nach dem zweiten Weltkrieg als verschollen und stand seit 2003 auch in der Online-Datenbank "Lost Art" des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste.
Die Zeichnung "Die Jungfrau und das Kind" soll noch bis Mitte Dezember in der Agnews-Galerie in London ausgestellt werden, im Rahmen der Ausstellung "Dürer and His Times" und als Teil der London Art Week. Parallel dazu ist in der National Gallery die Ausstellung "Dürer's Journeys" zu sehen, die in Kooperation mit dem Suermondt-Ludwig-Museum in Aachen organisiert wurde.
Albrecht Dürer auf Reisen
Eine Ausstellung in Aachen zeigt Werke des großen deutschen Renaissance-Malers. Sie widmen sich einer ganz besonderen Reise Albrecht Dürers.
Bild: akg-images/picture-alliance
Ikone der Renaissance
Albrecht Dürer ist der wichtigste deutsche Vertreter der europäischen Renaissance. Er machte sich als Grafiker, Maler, Mathematiker und Kunsttheoretiker einen Namen. Schon zu seinen Lebzeiten war er in ganz Europa bekannt. Sein Ruhm dauert bis heute an. Gern stellt sich Dürer selbst dar - zum Beispiel in diesem "Selbstbildnis im Pelzmantel" (1500).
Bild: akg-images/picture-alliance
Abwendung von der Kirche
Zu Ruhm gelangte Albrecht Dürer im ausgehenden Mittelalter zunächst mit religiösen Motiven. Vor der Renaissance boten sie die einzige Möglichkeit, künstlerisch tätig zu sein. In den Jahren 1496-1498 entstand die Holzschnittfolge "Apocalypse", die Dürer berühmt machte. Der Kupferstich "Adam und Eva" (1504), den Aachen aus dem Amsterdamer Rijksmuseum entliehen hat, ist auch heute noch weltbekannt.
Bild: Rijksmuseum Amsterdam
Ein Star auf Reisen
Vor 500 Jahren reiste der Maler dann durchs Rheinland und in die Niederlande und stieß dort auf neue Motive: zum Beispiel diese "Junge Frau in niederländischer Tracht" (1521). Unterwegs machte er auch in Aachen halt. Deshalb widmete das Suermondt-Ludwig-Museum Aachen ihm bis zum 24.10.2021 die Ausstellung "Dürer war hier. Eine Reise wird Legende."
Bild: ational Gallery of Art Washington DC
Das Zeitalter der Weltbeobachtung
Die Renaissance war geprägt von der wissenschaftlichen und künstlerischen Entdeckung der Welt. So war auch Dürer fasziniert von einem (vermutlich ausgestopften) Walross, das er in der Provinz Zeeland zu sehen bekam. In der Beschreibung von "Kopf eines Walrosses" behauptet er, das Tier sei gut acht Meter lang gewesen. Eine leichte Übertreibung: Walrosse erreichen in der Regel nur 3,5 Meter.
Bild: The Trustees of the British Museum
Der Alltag eines Künstlers auf Reisen
Wie "Der liegende Hund" (1520) zeigt, beschäftigte sich Albrecht Dürer auf seiner Reise nicht nur mit neu entdeckten, sondern auch mit alltäglichen Motiven. In der Ausstellung sind auch sein Reisetagebuch und historische Dokumente zu sehen - die frühesten überlieferten, von einem Künstler selbst beschriebenen Reisen überhaupt.
Bild: The Trustees of the British Museum
Der Mensch rückt in den Mittelpunkt
Die Künstler der europäischen Renaissance rückten den Menschen und seinen Alltag in den Mittelpunkt ihres Schaffens. "Der kaiserliche Hauptmann Felix Hungersperg" ist eine Grafik, aus dem Jahr. 1520 Dürer porträtierte sein Modell mit großer Detailtreue, bis hin zur feinen Kräuselung des Bartes.
Bild: Albertina Vienna
Zwischen Religion und Wissenschaft
"Der heilige Hieronymus im Studierzimmer" (1521) meditiert über den Tod und die biologischen Prozesse. Viele Kollegen Dürers beschäftigen sich ebenfalls mit der Verschiebung vom Kirchlichem zum Irdischen. Auch ihre Bilder sind in Aachen zu sehen - Künstler, die Dürer auf seiner Reise traf oder inspirierte: unter ihnen Lucas Cranach der Ältere, Hans Holbein, Jan Brueghel der Ältere.
Bild: Leonard de Selva/Bridgeman Images
Die Macht des Geldes
Es war lange das Privileg des Adels und der Kirche, Bilder in Auftrag zu geben. Doch zu Dürers Zeit gab es zunehmend auch wohlhabende Bürger, die sich porträtieren ließen. Dieses "Bildnis eines Mannes" (1521) zeigt vermutlich Rodrigo Fernandes de Almada, den Sekretär einer portugiesischen Handelsniederlassung in Antwerpen. Dürers Reise war ein Triumphzug und bescherte ihm viele lukrative Aufträge.