Dunkle Geschäfte mit Leihmüttern in Kasachstan
30. Juli 2025
Alija und Natalja (Namen geändert) fürchten um ihr Leben. Vermittler, die Leihmütter für chinesische Auftraggeber suchen, setzen die beiden Frauen aus Kasachstan unter Druck - offenbar, weil die beiden Leihmütter nach dem Verbleib der Kinder gefragt und damit zu viele unbequeme Fragen gestellt haben.
Auch als Probleme während der Schwangerschaft auftauchten, und bei Weigerungen, Verzichtserklärungen zu unterschreiben, kam es seitens der Vermittler zu Drohungen. Spätestens da wurde den Frauen klar, dass sie es mit Kriminellen und möglichem Menschenhandel zu tun haben.
So erging es auch sechs weiteren Leihmüttern - einer kleinen Gruppe, deren Sprecherinnen Alija und Natalja gegenüber der DW sind. Alle sind zwischen 25 und 30 Jahre alt, leben in Mietwohnungen, haben Kinder, sind geschieden, ohne festen Partner und Einkommen.
Werbung auf Instagram, TikTok & Co
Sie alle stießen auf Anzeigen in sozialen Netzwerken, die sechs bis acht Millionen Tenge (rund 9000 bis 13.000 Euro) für eine Leihmutterschaft versprechen - dazu eine kostenlose Unterkunft und rund 500 Euro monatlich während der Schwangerschaft.
"Ich habe so eine Anzeige auf Instagram gesehen, auch auf TikTok", erzählt Alija der DW. "Nach meinem Anruf lief alles über WhatsApp. Man schickte mich in ein privates Reproduktionszentrum, und nach den Untersuchungen riet man mir, den Embryotransfer nicht in Kasachstan, sondern in China machen zu lassen."
Dies wurde auch Natalja empfohlen. "Die Ärzte im medizinischen Zentrum sagten: 'Hier bekommen Sie sechs Millionen Tenge, dort acht. Außerdem reisen Sie zwei Wochen lang kostenlos nach China, wo das Gesundheitswesen besser ist.' Für mich sind zwei Millionen Tenge viel Geld, also habe ich zugestimmt", erzählt sie.
Die Unterkunft zu verlassen war unerwünscht
Doch der Embryotransfer wurde bei Natalja nicht in China, sondern in Kambodscha durchgeführt. "Von Almaty wurde ich nach Peking und von dort nach Phnom Penh gebracht. Ich weiß nicht genau, wohin wir fuhren, da die Fenster des Autos verdunkelt waren. Aber es war ein sehr hohes Gebäude. Dort wurde der Eingriff vorgenommen und dort war ich untergebracht", sagt Natalja.
Alija blieb in Peking. "Vom Flughafen brachte man mich ins Hotel, am nächsten Morgen wurde ich abgeholt. Mein Handy musste ich abgeben, und die Autoscheiben waren abgedeckt - ich wusste nicht, wohin wir fuhren. Nach einer langen Fahrt hielten wir in einer Art Garage. Es war unheimlich. Zusammen mit drei weiteren Frauen bekamen wir Kopfbedeckungen und Kleidung, stumm wurde uns gezeigt, wohin wir gehen sollten", erinnert sie sich. Die Operation habe nur 15 Minuten gedauert und eher an eine Ultraschalluntersuchung erinnert.
Alija und Natalja sagen, dass sie nach dem Embryotransfer zusammen mit anderen Frauen aus Russland, Usbekistan und Kirgisistan eine Woche in medizinischen Zentren verbrachten und dann nach Kasachstan zurückgeschickt wurden. Natalja wurde in einem Haus außerhalb von Almaty untergebracht, Alija in einer von mutmaßlich chinesischen Auftraggebern angemieteten Wohnung. Beide wurden regelmäßig ärztlich untersucht, das Verlassen der Unterkunft war unerwünscht. Mit Natalja lebten rund 20 Leihmütter samt ihrer Kinder, Alija teilte die Wohnung mit drei Frauen. Bei ihnen fand der Embryotransfer in Laos statt.
Unklare Vertragslage und Drohungen
Als bei Natalja die Wehen einsetzten, sei das medizinische Personal unachtsam gewesen, erzählt sie. Sie musste selbst ein Taxi rufen und ins städtische Entbindungskrankenhaus fahren. "Ich habe das Kind geboren, und es wurde auf meinen Namen eingetragen. Drei Tage später holten zwei Kindermädchen der chinesischen Kunden es ab und sagten, sie würden es nach China bringen. Ich weiß nicht, was mit dem Baby ist. Die angeblichen leiblichen Eltern verlangen, dass ich eine Verzichtserklärung unterschreibe." Einen Vertrag habe sie nie unterzeichnet. Laut Natalja hatte in ihrem Umfeld nur eine Frau einen Leihmutterschaftsvertrag. Manchen Frauen, so habe man es ihr erzählt, hätte man damit gedroht, sie nicht zu bezahlen und die Kosten für den Embryotransfer und die Reise nicht zu übernehmen. Die Drohgebärden hätten den Frauen Angst gemacht.
Alija berichtet, im sechsten Schwangerschaftsmonat hätten Ärzte ein mögliches Down-Syndrom bei ihrem Kind vermutet. "Die Vermittler sagten, ich sei schuld daran und bekäme kein Geld - im Gegenteil, ich sei ihnen nun etwas schuldig." Spätere Untersuchungen hätten zwar Entwarnung gegeben, doch man habe ihr weiter gedroht: Sie solle für eine Abtreibung nach Schymkent oder Bischkek gebracht werden.
Was die Anwälte der Leihmütter sagen
Die Anwälte Albina und Asamat Bekkulow, an die sich die Frauen gewandt haben, weil die Auftraggeber sie mittlerweile unter Druck setzen, zeigen sich erstaunt. "Die Organisation, bei der die Frauen unterschrieben haben, ist offiziell nur als Arzneimittellieferant registriert", sagt Albina Bekkulowa der DW. Asamat Bekkulow ergänzt: Zwar sei Leihmutterschaft in Kasachstan erlaubt, doch die Unterlagen verstießen klar gegen geltendes Recht. "Im Vertrag müssen die biologischen Eltern stehen, ein verheiratetes Paar, dessen Namen in die Geburtsurkunde eingetragen werden. Stattdessen taucht dort nur eine Firma auf. Auch Angaben zur Schwangerschaftsregistrierung oder zur Versorgung der Leihmütter fehlen völlig - diese Papiere sind wertlos."
Nach Einschätzung von Asamat Bekkulow handelt es sich möglicherweise um Menschenhandel mit Minderjährigen, da unklar sei, wo die von den Leihmüttern geborenen Kinder letztlich landen. Die Anwälte befürchten, dass die Frauen einer internationalen kriminellen Gruppierung in die Hände geraten sind, die Kinder möglicherweise sogar für illegale Organtransplantationen missbraucht. Ihren Recherchen zufolge reicht das Netzwerk von China über Russland, Kasachstan und Kirgisistan bis nach Georgien und Südostasien. Inzwischen haben sie im Namen der Frauen Strafanzeige erstattet.
"Leihmutterschaften kann man nicht abschaffen"
Auch Wjatscheslaw Lokschin, Präsident der kasachischen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin, hält es für möglich, dass die Frauen einer internationalen Bande zum Opfer gefallen sind. Legale Leihmutterschaften in Kasachstan seien transparent und finanziell vergleichbar, betont er: "Bei uns erhalten Leihmütter rund zehn Millionen Tenge (etwa 16.000 Euro), alles wird registriert und notariell beglaubigt - ohne Auslandsreisen.“
Der Experte schließt nicht aus, dass jene Vermittler mehr erhalten: "Sie verlangen 15 bis 20 Millionen Tenge, zahlen den Frauen aber nur sechs Millionen. Den Rest stecken sie ein." Abschaffen könne man Leihmutterschaften dennoch nicht, warnt er: "Ein Verbot würde nur dazu führen, dass noch mehr Frauen ins Ausland gehen."
Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk