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Politik

Geheimnis hinter Deutschlands teuerster Villa

12. April 2018

In Garmisch-Partenkirchen steht derzeit die wohl teuerste Villa Deutschlands zum Verkauf. Sie gehört einem Ukrainer, gegen den die Justiz wegen Untreue ermittelt. Geschädigt wurde auch der deutsche Staat.

Screenshot Sothebysrealty Villa Glory
Mit diesem Bild bewirbt die Immobilienfirma Sotheby's International Realty die "Villa Glory" im InternetBild: sothebysrealty.com

Die "Villa Glory" als Luxusanwesen zu bezeichnen, wäre fast schon untertrieben. "Glory" soll wohl für "Ruhm" und "Herrlichkeit" stehen: Bilder, die das Innere des Palastes zeigen, vermitteln den Anspruch des Besitzers. "Wie auf einer Luxusjacht wurden nur die edelsten Materialien in höchster Qualität verbaut", so wird die Villa derzeit auf Internetportalen für Luxusimmobilien gepriesen. Kaufpreis: knapp 13 Millionen Euro. Rokoko-Deckenleuchten zieren lichtdurchflutete Säle, Marmorböden versprühen den Charme eines italienischen Adelspalastes. Hier war einer der renommiertesten Innenausstatter Münchens am Werk, heißt es im Anzeigentext. Mit der extravaganten Ausstattung, zu der auch ein mit Edelholz verkleideter Aufzug gehört, stellt der Eigentümer der "Villa Glory" selbst seinen reichsten Nachbarn in Garmisch-Partenkirchen in den Schatten - den russischen Milliardär Roman Abramowitsch mit seinem "Leitenschlössl". 

Öffentlichkeit sucht der Eigentümer der "Villa Glory" nicht: sein Name steht noch nicht einmal im Grundbuch. Mit gutem Grund, wie DW-Recherchen ergaben.

"Die tatsächliche Größe und atemberaubender Luxus offenbaren sich dem Betrachter erst im Inneren auf über 2.300 qm Wohn-/Nutzfläche", heißt es in der Immobilienanzeige im InternetBild: sothebysrealty.com

Umstrittener Jungoligarch 

Als ein junger neureicher Ukrainer im Juni 2010 das 3700 Quadratmeter große Grundstück in Garmisch-Partenkirchen kauft, hat er große Pläne. Ein Traumpalast soll entstehen. 3,3 Millionen Euro legt damals der 28-jährige Sohn eines ukrainischen Agrarbarons für das Grundstück auf den Tisch. Der Kaufvertrag, der der DW vorliegt, verrät den Namen des Eigentümers: Mykola Huta.

Ende 2010, unmittelbar nach dem Kauf des Grundstücks in Garmisch, übernimmt Mykola Huta das Landwirtschaftsimperium seines Vaters Ivan in der Ukraine. "Mriya" heißt die Agrarholding der Hutas. "Mriya" ist das ukrainische Wort für Traum. Und tatsächlich schien die "Mriya-Holding" anfangs für den Traum vieler Ukrainer nach einem besseren Leben zu stehen. Der junge Mykola verkörperte eine neue Generation von Agrarmanagern: sie wollten das Potenzial der fruchtbaren ukrainischen Schwarzerdeböden ausbauen und dabei auch die Unterstützung ausländischer Investoren nutzen.

Rasanter Aufstieg von "Mriya"

2011 geht Huta-Junior mit "Mriya" an die Börse in Frankfurt. Die Nachfrage nach Anleihen der rasant wachsenden Holding ist groß: Bis 2013 treibt Huta 600 Millionen US-Dollar auf. Investoren aus der Eurozone mit ihrer "Null-Zins-Politik" sind heiß auf die versprochenen 9,5 Prozent Rendite. Um den Hype zu befeuern, pachtet "Mriya" immer neue Flächen dazu. Schon bald kontrolliert die Holding eine Agrarfläche in der Ukraine, die größer ist als das Saarland.

Um diese riesigen Flächen zu bewirtschaften, braucht Huta moderne Agrartechnik. Auch deutsche Firmen und Banken wittern ihr Geschäft. Mit günstigen Krediten und unterstützt durch staatliche Exportgarantien beliefern sie "Mriya" in großem Stil mit Ausrüstung, darunter Mähdrescher und Traktoren made in Germany. Geschäfte im Umfang von 75 Millionen Euro wurden so allein aus Deutschland finanziert. Die Deutsche Bank sowie die Landesbanken von Berlin und Baden-Württemberg gehörten zu den Geldgebern. 

Aus einem Traum wird ein Albtraum

Doch dann, im Sommer 2014, der Schock: "Mriya" ist zahlungsunfähig, kann den Schuldenberg von insgesamt 1,3 Milliarden US-Dollar nicht bedienen. Als ein dringend einberufener Gläubigerausschuss die Kontrolle übernimmt, fliegt ein massiver Schwindel auf. "Mriya" machte von Anfang an Millionenverluste, satte Gewinne in den Büchern wurden den Investoren nur vorgegaukelt. "Die Holding erhielt regelmäßig Zahlungen für Güter, die nie existierten. Das Management nutzte einen Teil des zuvor aus der Firma nach Zypern abgezweigten Geldes für Rückfinanzierungen, um Geschäftsergebnisse zu beschönigen. So konnten sie mehr Geld von Investoren bekommen", erklärt der heutige Finanzdirektor von "Mriya", Ton Huls. Er gehört zum Team, das nach der Pleite von den Gläubigern eingesetzt wurde, um das Restvermögen der Holding zu verwalten.

Doch viel zu holen gibt es bei "Mriya" nicht. Das Land war nur gepachtet. Selbst Traktoren und Mähdrescher verschwanden, bevor die Gläubiger darauf zugreifen konnten. Mykola Huta hat sich inzwischen mit seiner Familie in den Schweizer Kanton Obwalden abgesetzt, wie DW-Recherchen ergaben. In der Ukraine wird gegen Huta wegen Untreue ermittelt, ihm droht dort eine lange Haftstrafe. Nach Angaben der Gläubiger soll er über Jahre mehr als 200 Millionen US-Dollar von der Holding abgezweigt haben, teilweise wohl direkt aus dem Erlös der Anleihenplatzierung an der Börse in Frankfurt. Das Modell war ganz einfach, erklärt Ton Huls: eine Briefkastenfirma auf den Britischen Jungferninseln habe das Geld von Investoren erhalten und davon Dutzende von Briefkastenfirmen auf Zypern gekauft. Für diese Firmen seien Millionenbeträge geflossen, obwohl sie nichts anderes waren als leere Hülsen.

Unterschriften von Mykola Huta und Andrij Burjak unter einem der Verträge zur Finanzierung der Villa in GarmischBild: DW

"Mriya"-Geld floss wohl auch nach Garmisch

Ein Teil des abgezweigten Geldes aus den Scheingeschäften könnte auch in Garmisch-Partenkirchen gelandet sein, um den Bau des Luxusanwesens zu finanzieren. Dabei ist ein führender "Mriya"-Mitarbeiter involviert gewesen: Andrij Burjak, damals Finanzdirektor der Agrarholding. Seine Unterschrift steht unter Kreditverträgen zwischen einer Briefkastenfirma von Mykola Huta auf den Britischen Jungferninseln und der zypriotischen "Oihro Ventures Limited". Nicht Huta, sondern zunächst "Oihro" stand im Grundbuch als Eigentümerin des Grundstücks und später der Villa in Garmisch. Über diese zypriotische Firma sind mindestens 20 Millionen US-Dollar nach Garmisch geflossen - als "Kredit" von Mykola Huta. Von den Konten der "Oihro" wurden die Rechnungen der Architekten sowie andere Ausgaben im Zusammenhang mit dem Bau der Villa beglichen. Kopien dieser Dokumente liegen der DW vor.

Als Eigentümerin der "Villa Glory" wird im Grundbuch die zypriotische "Zapatoustra Holdings Limited" geführtBild: Gemeinde Garmisch-Partenkirchen

Die "Villa Glory" gehört mittlerweile Viktorija Huta, der Ehefrau von Mykola. Dadurch änderte sich auch der Eintrag im Grundbuch. Dort steht nun eine weitere zypriotische Firma: "Zapatoustra Holdings Limited", die wiederum Viktorija Huta gehört. Auch hier besteht ein direkter Draht zu "Mriya": Direktor der "Zapatoustra" war bis 2017 Serhij Mozil, der einstige Justitiar der Holding und Hutas engster Vertrauter. Das belegen Dokumente aus dem zypriotischen Firmenregister.

Viktorija Huta wurde Eigentümerin der Villa, nachdem die Schweiz letztes Jahr das Asylgesuch ihres Mannes abgelehnt und damit den Weg für eine Auslieferung an die Ukraine frei gemacht hatte. Gegen die Auslieferung wehrte sich Huta vergebens vor Gerichten. In Kürze soll das Schweizer Bundesverwaltungsgericht abschließend über Hutas Asylgesuch entscheiden. Vor diesem Hintergrund findet nun der Verkauf der Villa in Garmisch statt. Womöglich stehen die Eigentümer unter Druck. Kurz vor der Entscheidung in der Schweizer Asylsache ging der Preis runter: statt anfangs 18 Millionen Euro soll die Immobilie inzwischen "nur noch" knapp 13 Millionen kosten.

Die wirtschaftlich Berechtigte von "Zapatoustra" ist Viktorija Huta (im Dokument transkribiert als "Viktoriia Guta"), Ehefrau des flüchtigen Agrarbarons Mykola HutaBild: DW

Die Rechnung zahlt auch der Steuerzahler

Die Geldflüsse hinter der "Villa Glory" waren und sind nach Auskunft der zuständigen Staatsanwaltschaft in München nicht Gegenstand von Ermittlungen. Interessieren für das Eigentum der Hutas in Garmisch könnte sich aber wohl auch die Bundesregierung. Nach Auskunft eines Sprechers des deutschen Wirtschaftsministeriums wurden aus dem Bundeshaushalt bereits 24 Millionen Euro an deutsche Banken als Entschädigung für ausgefallene "Mriya"-Kredite gezahlt. Diese Kredite waren im Rahmen der Exportförderung mit Hermes-Garantien abgesichert worden. Ansprüche seien gegenüber den Gesellschaften der "Mriya-Holding" geltend zu machen. Zu den ehemaligen Eigentümern bestünden keinerlei Geschäftsbeziehungen. "Eine Haftung gegenüber Mykola Huta müsste im Einzelfall geprüft werden", teilte ein Sprecher des Ministeriums auf DW-Anfrage mit. 

Die Rechnung an die deutschen Steuerzahler könnte noch höher ausfallen: das vom Bund gedeckte Finanzierungsvolumen beläuft sich auf insgesamt ca. 46 Millionen Euro.

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