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Politik

Durchbruch im Mordfall Caruana Galizia?

Barbara Wesel
20. November 2019

Die Polizei in Malta hat im Zusammenhang mit dem Mordfall Daphne Caruana Galizia den Unternehmer Yorgen Fenech verhaftet. Der Hinweis könnte von einem Mittelsmann gekommen sein, der ebenfalls festgenommen wurde.

Malta Verhaftung Yorgen Fenech - Jachthafen Portomaso
Bild: Reuters/PBS Malta

"Wir glauben, er ist unser Mann", sagt Blogger und Autor Manuel Delia zu der Festnahme von Yorgen Fenech. Er hat gerade mit zwei weiteren Journalisten das Buch "Murder on the Maltese Express" veröffentlicht, dass die Hintergründe von Regierungskorruption, Geldwäsche und mafiösen Verstrickungen auf der Mittelmeerinsel beschreibt. Natürlich sei Yorgen Fenech, der jetzt von der Polizei im Morgengrauen festgenommen wurde, "unschuldig, bis seine Schuld bewiesen ist". Aber die Investigativ-Journalisten seien schon länger davon überzeugt, dass Fenech hinter dem Mord an der bekanntesten Journalistin Maltas stehe, sagt Delia. Fenech ist einer der bekanntesten Unternehmer Maltas. 

Mord an Journalistin erschütterte Malta und EU

Etwas über zwei Jahre ist es her, dass Daphne Caruana Galizia auf einer Landstraße in der Nähe ihres Hauses mit einer Autobombe ermordet wurde. Die Explosion war so gewaltig, dass die Journalistin keine Chance hatte. Die Tat erregte Aufsehen weit über Maltas Grenzen hinaus, denn dies war der erste Fall eines Journalistinnenmordes in der EU, bei dem die Politik in Verdacht geriet. Galizia hatte über grassierende Korruption geschrieben. Es ging um die Kooperation von Politikern und Oligarchen - sie hatten die Mittelmeerinsel zu einem Paradies für illegalen Geldtransfer, käufliche Pässe, Steuerhinterziehung und Briefkastenfirmen gemacht hatten.

Die Gedenkstätte an die ermordete Journalistin beim Gerichtsgebäude in Malta - die Behörden ließen Blumen und Kerzen immer wieder abräumenBild: picture-alliance/dpa/L. Klimkeit

Das Europaparlament schickte eine Delegation, um die Aufklärung der Tat anzumahnen, kritisierte die Langsamkeit der Ermittlungen und weckte Zweifel an der Integrität von Polizei und Justiz. Im Dezember 2017 wurden dann drei Kleinkriminelle verhaftet, die die Bombe an Galizias Auto angebracht und gezündet haben sollen. Danach trat Stillstand ein, trotz weiterer Interventionen aus Brüssel.

Jetzt scheint sich das Blatt zu wenden. "Die Regierung hat verstanden, dass die ganze Welt sich weiter für diesen Fall interessiert und sie sich nicht mehr verstecken kann", erklärt Manuel Delia. Er hatte sich nach dem Tod der Journalistin die Fortsetzung ihrer Arbeit und die Aufklärung des Mordes auf die Fahnen geschrieben. Ebenso wie die Söhne der Ermordeten und eine internationale Journalistengruppe, die im Rahmen des "Daphne Project" immer wieder Einzelheiten aus dem maltesischen Korruptionssumpf veröffentlichte.

Die Spur vom Mittelsmann zum Auftraggeber

Am Dienstag sorgte eine unerwartete Mitteilung von Maltas Premierminister Joseph Muscat für Aufsehen. Er versprach öffentlich einem Mittelsmann Straffreiheit, wenn er vor Gericht Beweise gegen die wahren Auftraggeber des Mordes bringen würde. Mit Hilfe von Interpol war ein internationaler Geldwäschering ausgehoben worden, was unter anderem auch zur Verhaftung des maltesischen Taxifahrers Melvin Theuma führte, der den örtlichen Behörden bereits als Kredithai bekannt war.

Nach der Verhaftung von drei Kleinkriminellen im Dezember 2017 versandeten die ErmittlungenBild: picture-alliance/AP

Theuma schien um seine Sicherheit in der Haft zu fürchten, verlangte Straffreiheit für alle begangenen Delikte und will dafür der Justiz die Beweise für den Auftraggeber im Galizia-Mord liefern. Er soll angeblich gegen den mutmaßlichen Auftraggeber handfeste Indizien in der Hand haben: Es soll einen Mitschnitt des Gespräches zwischen beiden geben und den Beweis für eine Geldzahlung. Theuma räumt ein, dass er die drei Kriminellen angeworben habe, die schließlich die Autobombe am Wagen der Journalistin angebracht und gezündet haben sollen. Die drei bestreiten allerdings die Tat. 

Am frühen Mittwochmorgen verhinderte schließlich die maltesische Polizei in einer dramatischen Aktion einen mutmaßlichen Fluchtversuch des Geschäftsmannes Yorgen Fenech, der mit seiner Yacht "Gio" bereits im Begriff war, Malta zu verlassen. Das Schiff wurde von der Polizei untersucht, die innerhalb von 48 Stunden Haftgründe beibringen muss. "Vermutlich werden sie ihn wegen irgendwelcher kleineren Delikte festhalten, bis sie die Beweise in dem Mordfall in der Hand haben", sagt Manuel Delia. Der Hinweis auf Fenech soll mutmaßlich von Melvin Theuma gekommen sein. 

Wer ist Yorgen Fenech?

Fenech stammt in dritter Generation aus einer der bekanntesten maltesischen Unternehmerfamilien, die Anteile von Hotels, Nachtclubs, dem Casino, bei der Energieerzeugung und der Schifffahrt hält. Ihr Vermögen soll mehrere Hundert Millionen betragen. Schon im vergangenen Jahr war Fenech auch als Eigentümer von "17 Black" benannt worden, einer von zwei dubiosen Firmen in Dubai. Von ihnen führte eine Spur zu Mossack Fonseca, der berühmt-berüchtigten Anwaltsfirma in Panama, die in den Transfer von verdeckten Zahlungen in die Karibik involviert war. Als Empfänger der Gelder wurden der maltesische Tourismusminister Konrad Mizzi und Kabinettschef Keith Schembri genannt. Daphne Caruana Galizia hatte noch vor ihrem Tod über "17 Black" geschrieben.

Der Geschäftsmann Yorgen Fenech wurde von der Polizei bei einem mutmaßlichen Fluchtversuch festgenommen Bild: Reuters/Malta Government/J. Wonnacott

Die eigentliche Verbindung zu dem Mordfall besteht wohl durch eines der größten öffentlichen Bauprojekte auf Malta - der Errichtung des Gas-Kraftwerkes in Delimara 2013. Eigentümer sind Siemens, die staatliche Energiebehörde Socar aus Aserbeidschan und die maltesische Holding Electrogas, an der wiederum Yorgen Fenech beteiligt ist. Hier bestand seit langem der Verdacht massiver Korruption.

Der ermordeten Journalistin war wiederum interner E-Mail-Verkehr zugespielt worden. Aus ihm soll hervorgehen, dass die Verträge für die Energieerzeugung in Delimara den maltesischen Steuerzahler Jahr für Jahre mehrstellige Millionensummen kosteten, weil beim Kauf des nötigen LNG (Flüssiggas) Mittelsmänner systematisch Geld für Korruptionszahlungen abzweigten.

Die Spur führt in die Regierung

Die Söhne der Ermordeten zeigen jetzt mit dem Finger auf den früheren Energie-und heutigen Tourismusminister Konrad Mizzi und Kabinettschef Keith Schembri, die verdächtigt werden, Schmiergeldern in Millionenhöhe bekommen zu haben.

Der Europaabgeordnete Sven Giegold gehörte zur ersten Delegation aus Brüssel, die nach dem Mord die Aufklärung der Hintergründe gefordert und den Sumpf von Korruption und Kriminalität auf der Insel kritisiert hatte. "Die Festnahme von Fenech muss auch politische Konsequenzen haben. Tourismusminister Mizzi und Kabinettschef Schembri sollten zurücktreten", betonte er erneut. Wie unabhängig die maltesische Justiz von politischem Einfluss sei, werde sich an den weiteren Ermittlungen zeigen.  

Die Spur der Korruption im Fall Galizia führt ins Kabinett von Ministerpräsident Joseph Muscat Bild: picture-alliance/AP Photo

Mehrfach war seitdem die Regierung auf Malta wegen Mängeln bei der Rechtsstaatlichkeit von der EU kritisiert worden. Es herrsche eine Kultur der Straflosigkeit bei den politischen und finanziellen Eliten, sagte der Grünen-Parlamentarier. "Die Aufklärung des Mordes an Daphne Caruana Galizia ist ein Lackmustest für die Rechtsstaatlichkeit in Malta. Es wird höchste Zeit, dass die Hintermänner zur Verantwortung gezogen werden."

Ob Regierungschef Joseph Muscat die Affäre politisch überlebt, ist offen. Schon lange werden ihm allzu nahe Beziehungen zur Herrscherfamilie in Aserbeidschan nachgesagt. Dass der zu erwartende Mordprozess, der viele Einzelheiten ans Licht bringen wird, bei einem seiner Minister und seinem Kabinettschef halt macht, scheint nicht sicher. Auf der Insel mit nur einer halben Million Einwohner kennt jeder die Geschäfte seiner Nachbarn und Parteifreunde. Und wenn bewiesen werden sollte, dass der ganze Delimara-Energie-Vertrag durch Korruption zustande gekommen ist, dürften jedenfalls noch weitere Köpfe rollen.

 

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