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PolitikEuropa

Draußen ohne Maske: Gibraltar atmet Normalität

Nicole Ris
5. April 2021

Vielleicht ist Gibraltar die erste Nation, die gegen Sars-CoV-2 immun ist. Während man sich nebenan in Spanien auf eine weitere Infektions-Welle einstellt, sind auf dem Felsen fast alle geimpft - und können aufatmen.

Frauen treffen sich auf der Straße in Gibraltar, ohne Maske
Weitgehend maskenfrei: Alltag in GibraltarBild: Marcos Moreno/EUROPA PRESS/dpa/picture alliance

Ein bisschen unwirklich ist es für Samantha Sacramento schon noch. Seit einigen Tagen muss man in Gibraltar draußen nach einem Jahr fast nirgendwo mehr eine Maske tragen. "Man fühlt sich als hätte man etwas vergessen oder als würde man etwas falsch machen. Ich glaube, psychologisch haben wir auf allen Ebenen Nachholbedarf", sagt die Gesundheitsministerin des britischen Überseegebiets im Süden Spaniens.

In Rekordgeschwindigkeit durchgeimpft: bei 34.000 Einwohnern war die Zahl der benötigten Impfdosen übersichtlichBild: Bernat Armangue/dpa/AP/picture alliance

Auch die Ausgangssperre wurde aufgehoben. Bars und Restaurants sind jetzt wie vor der Pandemie wieder bis zwei Uhr morgens offen. Im spanischen Fernsehen zeigen sich die Einwohner erleichtert. Endlich können sie aufatmen. "Vielleicht können wir bald so leben wie früher", sagt eine Kellnerin.

Ein starker Kontrast zum Rest von Europa, wo viele Länder momentan wegen der schnell steigenden Infektionszahlen wieder oder weiterhin im Lockdown leben.

Europas schnellstes Impfprogramm

Dass der "Felsen" nach langen Pandemiemonaten jetzt vorsichtig eine Rückkehr zur Normalität wagen kann, liege nicht nur an konsequenten Corona-Schutzmaßnahmen, sondern vor allem am gut organisierten Impfprogramm, glaubt Ministerin Sacramento. Fast alle der rund 34.000 Einwohner seien inzwischen geimpft und sogar ein Großteil der etwa 10.000 spanischen Pendler, die in Gibraltar arbeiten. Das sei selbstverständlich im Kampf gegen das Virus.

Ticket für grenzenlose Freiheit? Ein Ehepaar aus Gibraltar präsentiert stolz den ImpfpassBild: Jon Nazca/REUTERS

Gibraltar könnte, wie auch der britische Gesundheitsminister Matt Hancock verkündete, die erste Nation auf der Welt sein, die die gesamte Bevölkerung durchgeimpft hat. Und in Europa vielleicht auch die Nation mit dem schnellsten Impfprogramm. Ausschlaggebend war die Größe: So schnell durchimpfen konnte man nur, weil es sich um eine kleine Nation handelt. Und weil es keine Lieferengpässe gegeben hat. Impfstoff wurde ohne Verzögerung von Großbritannien bereitgestellt.

Man sei dankbar, so Samantha Sacramento. Denn auch das britische Überseegebiet hat schwere Stunden erlebt. Nachdem die Pandemie bis Ende letzten Jahres relativ glimpflich verlief, kamen die Virusvarianten. Und mit ihnen die ersten Todesopfer. Insgesamt 94 Gibraltarer starben bislang an oder mit dem Coronavirus. Eine hohe Zahl, wenn man die geringe Einwohnerzahl berücksichtigt.

Aktuell muss die Corona-Station im örtlichen St. Bernard´s Krankenhaus aber keine Patienten mehr versorgen. "Seit ein paar Tagen haben wir keine positiven Fälle. Das ist ein unglaublich gutes Zeichen", freut sich Gesundheitsministerin Samantha Sacramento.

Direkt nebenan, im spanischen Andalusien, ist man noch weit entfernt von diesem Ziel. Die Region verzeichnet gerade wieder einen starken Anstieg der Infektionen. Nach einer kurzen Verschnaufpause füllen sich auch die Krankenhäuser nun wieder leicht.

Dass die Gibraltarer sich ein bisschen sorgenfreier durch das Leben bewegen, freut die Andalusierin Lourdes Gámiz trotzdem. Es gibt ihr Hoffnung. Gleichzeitig sei sie aber natürlich auch neidisch. Die 63-jährige Rentnerin lebt seit vielen Monaten zusammen mit ihrem Mann auf dem Land in der Nähe von Granada zurückgezogen, um Ansteckungen zu vermeiden. Zwar sind in Spanien viele Läden und Restaurants unter Auflagen und Ausgangssperren offen, aber die Regierung hat gerade erst nochmal die Maskenpflicht verschärft. Sie gilt jetzt sogar am Strand beim Sonnenbaden.

Sehnsucht nach Normalität

Für Gámiz ist das Maske-Tragen inzwischen unerträglich. Ihr fehlt die Unbeschwertheit von früher. "Einfach mal wieder in Ruhe ausgehen mit wem Du willst, die Familie sehen, oder die Freunde. Sich den Menschen nähern. In Spanien und besonders in Andalusien treffen wir uns gerne und sind sehr kontaktfreudig. Es ist zum Verzweifeln."

Lourdes Gámiz wartet sehnsüchtig auf ihre Einladung zum Impftermin. Doch das könnte dauern. Zwar sind Spanier über 80 sowie das Gesundheitspersonal und Lehrer inzwischen großflächig geimpft. Aber insgesamt haben erst rund sechs Prozent der Bevölkerung vollständigen Impfschutz. Lieferengpässe, Prioritätenlisten und Bürokratie werfen Spanien sowie auch den Rest der EU im Impfplan zurück.

Im Nahverkehr bleibt die Maskenpflicht weiter bestehenBild: Marcos Moreno/EUROPA PRESS/dpa/picture alliance

Lourdes Gámiz ist skeptisch, dass bis Ende des Sommers 70 Prozent der spanischen Bevölkerung geimpft sind, wie die Regierung zum Start des Impfprogramms versprochen hat. Gámiz erzählt, dass immerhin zwei ihrer Freunde inzwischen geimpft seien. Aber eine Rückkehr zu einem normalen Leben erwartet sie allenfalls für das kommende Jahr.

Und auch wenn es nebenan in Gibraltar schon eine erste öffentliche Veranstaltung gab - einen Boxkampf mit 500 Zuschauern - so bleibt man auch dort vorsichtig. Nur vollständig geimpfte Gibraltarer durften teilnehmen. Sie mussten sich außerdem zusätzlich testen lassen.

Gibraltar überprüft seine Lockerungsschritte jede Woche neu. Die Masken in den Geschäften müssen daher auch noch bis auf weiteres getragen werden. Die Regierung will weiter Vorsicht walten lassen.

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