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Argentiniens Präsidentin Kirchner tritt ab

Ruth Krause (Buenos Aires)23. Oktober 2015

Geliebt und gehasst - Cristina Fernández de Kirchner polarisiert. Zusammen mit ihrem Ehemann Nestor führte sie Argentinien aus der Wirtschaftskrise, aber auch in die Isolation. Ruth Krause aus Buenos Aires.

Bildergalerie Christina Fernandez de Kirchner Argentinien
Bild: picture-alliance/dpa/Caceres

Wer in diesen Tage durch Buenos Aires läuft, der merkt: Der Abschied von der 'Grande Dame' Argentiniens fällt einigen schwer. In den Armenvierteln ist Cristina Kirchners Bild auf Hauswände gemalt, regierungstreue Aktivisten verteilen Broschen und Anstecker mit der Aufschrift 'Cristina no se va' - 'Cristina geht nicht weg'.

Das ist vor allem ein hehrer Wunsch. Denn nach zwei Amtszeiten darf Cristina Fernández de Kirchner nicht noch einmal antreten, andere politische Ämter strebt sie nicht an.

Fast wie eine Heilige wird sie in vielen Armenvierteln verehrt, denn während ihrer Regierungszeit stiegen Sozialhilfe und Löhne an, die Arbeitslosigkeit sank, wenn auch nur marginal.

Anstecker des argentinischen Parteienbündnisses "Frente para la Victoria" und Cristina Fernández de KirchnerBild: David Klaubert

Der Weg aus der Krise

Als ihr Mann Nestor Kirchner 2003 das Präsidentenamt übernahm, hatte Argentinien gerade die schlimmste Wirtschaftskrise seiner Geschichte durchgemacht.

Eine erfolgreiche Hilfsmaßnahme war, den argentinischen Peso abzuwerten. So wurden argentinische Produkte auf dem Weltmarkt wieder erschwinglich, die einheimische Wirtschaft kam in Schwung. 2005 zahlte Nestor Kirchner dann die Schulden an den IWF auf einen Schlag ab. Politisch entfernte sich Argentinien von den USA, näherte sich auf linkspolitischem Kurs an andere lateinamerikanische Staaten an.

Heilige oder Dämonin?

2007 übernahm statt Nestor Kirchner dann Cristina Fernández de Kirchner das Präsidentenamt, ihr Mann starb kurz darauf. Aber unter 'Cristina' – die meisten Argentinier nennen sie nur beim Vornamen- ging es wirtschaftlich weiter bergauf. Nicht nur im sozialen Bereich, sondern auch für Kunst und Kultur setzte sie sich ein, kaum eine Stadt weltweit bietet heute so viele kostenlose Kulturevents wie Buenos Aires. Mit dem Bau eines spektakulären neuen Kulturzentrums, dem 'Centro Cultural Kirchner', hat Cristina Fernández de Kirchner sich und ihrem Ehemann kürzlich ein eigenes Denkmal gesetzt.

Im Slum "La Cava" am Rande von Buenos Aires sind Cristina Fernández de Kirchner und ihre Jugendorganisation "La Campora" an eine Hauswand gemaltBild: DW/R. Krause

Mario Gómez, der ein Kulturzentrum in einem Arbeiterviertel aufgebaut hat und dort zusätzlich als Sozialreferent arbeitet, ist 'Cristina' dankbar: "Die Regierung hat Schranken eingerissen und dafür gesorgt, dass sich Arm und Reich angleichen. Das Charisma von Cristina und ihr Einsatz für die Armen sind die Gründe dafür, dass wir ihre Partei unterstützen", so Gómez.

Doch von anderen wird 'Cristina' gehasst: Ihre Selbstinszenierung - ein wenig Evita Perón, ein wenig Hilary Clinton - stößt auf. Wirtschaftlicher Protektionismus, Korruption, internationale Isolation, Einflussnahme auf die Medien und Justiz: Die Liste der Vorwürfe ist lang.

Um die heimische Wirtschaft zu schützen, kapselte sich Argentinien ab: Wie viele Waren Firmen importieren können, das müssen sie auch heute noch immer wieder neu genehmigen lassen, denn einheimische Produkte sollen nicht verdrängt werden.

Und auf den Export fallen hohe Steuern an - bei Soja ganze 35 Prozent, womit wiederrum Strom, Treibstoff und Sozialprogramme subventionert werden.Für Luis Miguel Echevehere, Leiter des Agrarverbandes "Sociedad Rural", ist das ein Unding: “Die Situation ist schlecht, und zwar wegen der Politik der Regierung: Die Exportverbote, die Inflation und die Fußfesseln an den Handel treiben die Produktionskosten in die Höhe und führen dazu, dass alle Produktionen in Argentinien pleite gehen,” so Echevehere.

Fußgängerzone statt Bank

Laute Rufe hallen durch die Fußgängerzone: "Cambio Dolares" – "Tausche Dollar". Schwarzhändler wollen Dollar gegen Pesos tauschen und bieten Touristen dafür günstigere Wechselkurse als die Bank: 15 Statt neun Pesos bekommt man kurz vor der Wahl für einen Dollar, das ist kein Geheimnis. Der Grund dafür: Die Wirtschaftslage ist nicht stabil, die Inflation liegt geschätzt bei circa 25 Prozent. Viele Argentinier möchten ihr Geld daher in Devisen anlegen. Weil dafür auf dem offiziellen Weg aber nicht nur eine Genehmigung, sondern auch Abgaben nötig sind, floriert der Schwarzmarkt.

Doch die Regierung hat größere Probleme, als die Händler in der Fußgängerzone: Es stehen immer noch Schuldenrückzahlungen aus Zeiten der Krise aus - und solange die nicht getätigt werden, bekommt Argentinien auf dem internationalen Finanzmarkt nur schwer an frisches Geld. Dazu kommt das Problem der sinkenden Rohstoffpreise, das viele Schwellenländer trifft, auch Argentinien.

Ein Schwarzgeldhändler in Buenos Aires zählt Geld. Auf der Fußgängerzone bietet er laut seine Dienstleistung an, getauscht wird dann entweder direkt auf der Straße oder in einem HinterzimmerBild: Michael Stürzenhofecker

Das Erbe Cristinas

Die Zahlungen an die Hedgefonds sind eines der Probleme, die der neue Präsident des Landes von Cristina Kirchner erben wird: Barbara Konner, Leiterin der deutsch-argentinischen Handelskammer, ist trotzdem optimistisch:

"Der nächste Präsident ist gut beraten, wenn er dieses Thema so schnell wie möglich, sprich im ersten Quartal spätestens im ersten Halbjahr 2016 nicht nur angeht, sondern auch löst. Sobald das gelöst ist, ist das ein Signal an die internationalen Firmen in Argentinien, dass sich in Argentinien das Geschäft wieder lohnt. Das wird ein Schlüsselthema sein, und dann kann es ab Mitte 2016 oder 2017 wieder mit der Konjunktur bergauf gehen."

Als Favorit in der Präsidentschaftswahl gilt Daniel Scioli, der zwar zum Parteienbündnis von Cristina Fernández de Kirchner gehört, aber als gemäßigter und liberaler gilt. Mit ihm erwarten Wirtschaftsexperten einen leichten Wandel, aber keinen kompletten Umbruch der Politik. Manche loben ihn dafür, dass er sich etwas von 'Cristina' wegbewegt, andere dafür, dass er ihre Politik wenigstens zum Teil weiterführen möchte. In jedem Fall bleibt seine Messlatte aber: Cristina Kirchner.

Auch wenn sie keine Ämter mehr annimmt und aus der Politik ausscheidet: Im Guten wie im Schlechten - sie hat sich unvergesslich gemacht. Und damit haben ihre Anhänger, die die Anstecker mit dem Spruch "Cristina geht nicht weg" verteilen, dann irgendwie doch wieder recht.

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