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Politik

Anabel Hernández bekommt den DW Freedom of Speech Award

Courtney Tenz
27. Mai 2019

Mutig berichtet sie über Drogenkartelle und Korruption in Mexiko: Die Journalistin und Buchautorin Anabel Hernández erhielt dafür beim Global Media Forum in Bonn den DW Freedom of Speech Award.

Interview mit der Gewinnerin des DW Freedom of Speech Award 2019: Anabel Hernández
Bild: DW/V. Tellmann

"Voller Dankbarkeit und Hoffnung nehme ich diese Auszeichnung an - stellvertretend für alle mutigen Journalisten, die jeden Tag ihre Arbeit machen", sagte Anabel Hernández, die neue Preisträgerin des DW Freedom of Speech Awards

Zum fünften Mal verleiht Deutschlands internationaler Auslandssender den Preis für herausragendes Engagement in den Medien für Menschenrechte und Meinungsfreiheit.

Anabel Hernández ist bei ihren Recherchen immer ganz nah an den Geschichten. Korrupten Machenschaften bleibt sie jahrelang auf der Spur und sammelt juristische Beweise. "Ihr Kampf gegen Vertuschung und Straffreiheit ist ein beeindruckendes Beispiel für couragierten Investigativjournalismus“, sagte Intendant Peter Limbourg bei der Bekanntgabe der Preisträgerin am 19. Februar in Mexiko-Stadt. 

Die Auszeichnung nahm Anabel Hernández am 27. Mai beim Global Media Forum in Bonn persönlich entgegen. Sie ist die erste Frau unter den bisher fünf Preisträgern. Die Laudatio hält der britische Journalist Misha Glenny. 

Drogen, Korruption und Mord 

Die gebürtige Mexikanerin begann ihre journalistische Laufbahn im Jahr 1993 - noch während ihres Studiums arbeitete sie für die Tageszeitung "Reforma". In den folgenden Jahren machte sich Hernández einen Namen als Mexikos führende Investigativjournalistin. Sie veröffentlichte zahlreiche Beiträge zu Korruption in Regierungskreisen, zu sexuellem Missbrauch und Drogenhandel.

Die Offenlegung erschütternder Fakten - auch in zwei Büchern zu den Verflechtungen von mexikanischen Regierungsangehörigen und den Drogenkartellen des Landes - hatte ihren Preis: Hernández lebt derzeit im Exil in Europa. Sie erhielt Morddrohungen, auch gegen ihre Kinder, und musste aus Mexiko fliehen.

"In diesen dramatischen Zeiten der mexikanischen Geschichte tötet das Schweigen Männer, Frauen und Kinder, Vertreter der Zivilgesellschaft und Verteidiger der Menschenrechte, Regierungsvertreter und Journalisten", sagte sie 2012, als sie mit dem Golden Pen of Freedom Award von der World Association of Newspapers and News Publishers (WAN-IFRA) ausgezeichnet wurde. Und fügte hinzu: "Aber auch das Schweigen zu brechen kann tödlich sein."

Persönliche Erfahrung mit Straflosigkeit

Hernández kennt die Gefahren, denen Menschen in Mexiko als Folge der hohen Kriminalität ausgesetzt sind, aus persönlicher Erfahrung. Ihr Vater, der ihr davon abgeraten hatte, Journalistin zu werden, wurde im Jahr 2000 in Mexiko-Stadt ermordet. Die Tat wurde bis heute nicht aufgeklärt - für Anabel Hernández wurde dieser Mord zur Triebfeder ihrer journalistischen Arbeit.

Tödliche Recherche: Bilder und Kameras ermordeter Journalisten in Mexiko Bild: Getty Images/AFP/Y. Cortez

Ihre erste investigative Arbeit erschien 2001. Sie untersuchte extravagante Ausgaben während der Präsidentschaft von Vicente Fox. Dafür erhielt sie den nationalen Journalistenpreis in Mexiko. Wenig später allerdings hielt die Zeitung "Milenio", für die sie arbeitete, weitere Arbeiten von ihr zurück - ein Akt der Selbstzensur, um nicht selbst zur Zielscheibe von Gewalt zu werden.

Hernández zeigte sich jedoch unbeeindruckt. Sie verfolgte ihre Recherchen weiter, beobachtete auch die alltägliche Kriminalität der Straße, um mehr zu erfahren über die vielen Delikte, die zumeist im Verborgenen bleiben. 2003 erhielt sie eine Ehrung von UNICEF für ihre Berichterstattung zu Sklavenarbeit und sexueller Ausbeutung mexikanischer Mädchen in San Diego im US-Bundesstaat Kalifornien.

Mexikos Drogenkrieg

Nach fünf Jahren Recherche publizierte Hernández 2010 das Buch "Los Señores del Narco" (das 2013 auf Englisch erschien - unter dem Titel "Narcoland: The Mexican Drug Lords and Their Godfathers"). Das Buch demaskiert nicht nur jene, die hinter den Drogenkartellen stehen, sondern zeigt auch, wie eng verflochten das "Narco-System" mit dem mexikanischen Alltag ist. Es zeigt die Komplizenschaft von Politikern, Militärs und Akteuren aus der Wirtschaft mit Drogenhändlern. "Im Schutz all jener haben sie Mexiko in einen Friedhof verwandelt", schreibt Hernández.

Diese detaillierte Offenlegung der Korruption war ein Bestseller - brachte der Autorin jedoch zugleich unzählige Morddrohungen ein. Unter anderem legte man geköpfte Tierkadaver vor ihre Haustür, wie sie im Herbst 2013 dem Magazin "The Nation" erzählte. Fortan brauchte sie rund um die Uhr Bodyguards. Doch nicht die Drogenkartelle hätten die Drohungen ausgesprochen. "Die traurige Wahrheit ist: Sie kamen von Regierungsseite, vom einflussreichsten Polizeichef in Mexiko", so die Journalistin.  

Als 43 Studenten verschwanden

Sie nutzte ihre Quellen aus dem Drogenmilieu auch im Zusammenhang mit dem Verschwinden von 43 Studenten in der Stadt Iguala. Als Ergebnis erschien 2016 ihr Buch "La verdadera noche de Iguala" (2018 auf Englisch: "A Massacre in Mexico: The True Story Behind the Missing Forty-Three Students").

Bestseller: Anabel Hernandez' Buch über das Massaker in Iguala Bild: Verso Books

Hernández stellt darin Zeugenaussagen zusammen und vergleicht diese mit offiziellen Berichten der Behörden zu Geschehnissen in der Nacht, in der die Studenten verschwanden. Ihr Buch liefert die kriminaltechnische Untersuchung eines Massenmords. Es zeigt sich ein Komplott von korrupten Beamten und Militärs, die mit Unterstützung der Drogengangs unliebsame Studenten aus dem Weg räumen, die auf dem Weg zu einer Protestveranstaltung in Mexiko-Stadt waren.

Dieses Buch brachte die Autorin in noch größere Lebensgefahr. Henández verließ Mexiko und ging in die USA. Dort nahm sie zwischen 2014 und 2016 am Investigative Reporting Program der University of California, Berkeley, teil. Auch dort erhielt sie umgehend Drohungen. "Mitten in meinen Recherchen wurde eine meiner Quellen auf offener Straße ermordet. Aber ich denke, es ist mein Job. Ich bin überzeugt: Wenn ich etwas Licht ins Dunkel bringe, ist das wichtiger als meine eigene Sicherheit", sagte die Journalistin im Oktober 2018. Anabel Hernández hat inzwischen die USA verlassen und lebt in Europa.

DW Freedom of Speech Award: Erster Preisträger weiter in Haft

Die Deutsche Welle zeichnet seit 2015 sowohl Einzelpersonen als auch Kollegen für die unerschrockene Hartnäckigkeit aus, mit der sie sich ihrer journalistischen Arbeit widmen - trotz Gefahr für Leib und Leben.

Erster Preisträger des Freedom of Speech Award war 2015 der weiterhin inhaftierte saudische Blogger Raif Badawi. 2016 erhielt Sedat Ergin, ehemaliger Chefredakteur der türkischen Tageszeitung Hürriyet, die Auszeichnung. Im Jahr darauf ging der Preis an die US-amerikanische White House Correspondents’ Association, 2018 an den iranischen Politikwissenschaftler Sadegh Zibakalam.

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