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PolitikAfrika

DW-Journalistin in Nairobi beschossen

Andreas Noll
1. Mai 2021

Die Polizei hat die DW-Ostafrika-Korrespondentin Mariel Müller bei einer Corona-Demonstration mit Tränengaspatronen beschossen. Amnesty International und die Foreign Press Association of Africa verurteilten den Angriff.

DW-Korrespondentin Mariel Müller führt ein Interview in Nairobi
DW-Korrespondentin Mariel Müller während des Interviews, nach welchem sie beschossen wurdeBild: Ed Ram

DW-Reporterin in Kenia von Polizei angegriffen

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Während einer Demonstration in der kenianischen Hauptstadt Nairobi hat die Polizei am Samstag die Ostafrikakorrespondentin der Deutschen Welle mit Tränengaspatronen angegriffen. Mariel Müller war mit ihrem Kameramann vor Ort, um über eine Demonstration zu berichten, die sich gegen zunehmende Polizeibrutalität und Arbeitsplatzverluste aufgrund des seit Ende März geltenden Lockdowns richtete.

Der Intendant der Deutschen Welle, der Verein der in Ostafrika ansässigen Auslandskorrespondenten (FCAEA), und die Menschenrechtsorganisation Amnesty International Kenia verurteilten den Angriff auf Müller auf das Schärfste. Amnesty International rief die kenianischen Behörden dazu auf, den Vorfall zu untersuchen.

DW: Was können Sie uns zum Hintergrund der Demonstration sagen?

Mariel Müller: Mehrere Aktivistengruppen haben am Samstag zu einem Protest aufgerufen, der sich gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung gerichtet hat. Es war ein Protest gegen den Lockdown und die ökonomischen Folgen - vor allem für die ärmere Bevölkerung, die in den inoffiziellen Siedlungen in Nairobi lebt.

Massive Polizeipräsenz auf der Demonstration in NairobiBild: Ed Ram

Die Aktivistengruppen kommen mehrheitlich aus diesen Siedlungen, haben sich zusammengetan und in der Innenstadt von Nairobi im Business District friedlich demonstriert. Sie haben gesungen, ihre Forderungen vorgelesen - und auch größtenteils die Abstandsregeln beachtet.

Wie ist die Situation eskaliert?

Als der Protest heute Morgen losging, waren es circa vierzig Aktivisten, die vor dem Nationalarchiv protestiert haben. Und dann kam die Polizei und hat auf diesem kleinen Platz mit Tränengaspatronen geschossen. Wir haben diese Schüsse gehört und auch sehr schnell das Tränengas in den Augen gespürt.

Die Polizei war mit Schlagstöcken bewaffnet und hat einzelne Demonstranten vertrieben. Ein Polizist hat zum Beispiel versucht, einem Demonstranten sein Protestschild zu entreißen. Dieser Demonstrant und auch noch mindestens ein weiterer wurden dann auch von der Polizei festgenommen und weggebracht.

Als es so aussah, als hätte sich die Lage etwas beruhigt, haben wir mit einer älteren Frau am Rande des Geschehens ein Interview geführt, weil die Frau auch an den Protesten teilgenommen hatte.

Im Laufe des Interviews bildet sich eine MenschentraubeBild: Ed Ram

Wenn man hier auf der Straße dreht, kommen natürlich schnell Leute und wahrscheinlich waren auch Aktivisten darunter, die sich dann um uns herum gestellt und zugehört haben. Und im Zusammenhang mit dem Interview kam es zu dem Schuss, der mich getroffen hat. Eine dieser kleinen silbernen Tränengaskartuschen hat mich am Oberschenkel getroffen – offensichtlich hatte jemand auf uns gezielt. Schon vorher wurde ich einmal an der Wade gestreift von so einer Kartusche, die aus einer Waffe abgefeuert werden.

Wie groß sind diese Tränengaspatronen?

Die passen in eine Handfläche. Ich habe auch einen Abdruck auf meiner Hose von dieser Munition. Die Kartusche ist auch nicht vom Boden abgelenkt worden, sondern es wurde wohl direkt auf uns gezielt. Ich bin dann nach dem Vorfall direkt zu dem Polizisten, der diese Kartuschen abgefeuert hat, und habe ihm gesagt, dass er mich am Bein getroffen hat. Aber er sagte nur „Nein, nein, nein" und ist weggegangen.

DW-Reporterin Mariel Müller berichtet über ihre Verletzung

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Andere Reaktionen von den Sicherheitskräften gab es nicht?

Nein, gar nicht. Die Situation war auch sehr unübersichtlich. Das war im Umfeld der Festnahme dieses einen Aktivisten. Es waren ungefähr 15 Polizisten auf dem Platz - und weitere Zivilpolizisten. Es sah für mich nach sehr viel Polizeipräsenz aus für die Anzahl der Menschen, die dort demonstriert haben.

Wie würden Sie Ihre Verletzung einschätzen?

Ich war noch nicht beim Arzt, aber ich habe Schmerzen und einen großen Bluterguss. Das Laufen tut weh. Die Haut ist auch aufgesprungen und es blutet. Ich habe es bis jetzt noch nicht so richtig realisiert, weil ich sicher noch viel Adrenalin im Blut hatte.

Wie ist es um die Pressefreiheit in Kenia allgemein bestellt?

Der Vorfall ist sicher kein Einzelfall. Bei solchen Protesten kommt es vor, dass Journalisten verprügelt oder festgenommen werden. In Kenia ist im Vergleich mit anderen ostafrikanischen Ländern aber noch eine vergleichsweise freie Berichterstattung möglich.

Aber Gewalt gegen Journalisten gehört in jedem Fall dazu. Leider auch die Straffreiheit nach solchen Vorfällen. Auch Reporter ohne Grenzen hat Kenia zuletzt auf den 102. Platz im Global Press Index gesetzt. Die Organisation bestätigt, dass Ermittlungen gegen die Polizei selten und Verurteilungen erst recht selten sind.

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