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Politik

DW-Sperre in Belarus: Wie im Kalten Krieg

Roman Goncharenko | Nikita Jolkver | Vladimir Esipov
29. Oktober 2021

Zum ersten Mal seit Ende des Kalten Krieges wurden Inhalte der Deutschen Welle im postsowjetischen Raum gesperrt. Belarus ließ die Webseite des Auslandssenders blockieren. Was steckt dahinter?

DW-Funkhaus in Bonn
Das DW-Funkhaus in BonnBild: M. Becker/dpa/picture alliance

Es könnte eine Zäsur werden. Über 30 Jahre lang verbreitete die Deutsche Welle ungehindert ihre Programme in der UdSSR und später in deren Nachfolgerepubliken. Der damalige sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow beendete Ende der 1980er Jahre die jahrzehntelange Praxis, westliche Auslandssender, darunter die DW, durch Störsender zu blockieren. Der Schritt galt als ein Zeichen für Demokratisierung, Offenheit und das Ende des Kalten Krieges. Mit der Sperrung der DW-Webseite am Donnerstag kehrt Belarus nun jedoch zu dieser Praxis zurück. Noch ist unklar, für wie lange.  

DW-Intendant nennt Vorwurf "lächerlich"

In einer Erklärung des Informationsministeriums in Minsk, aus dem die staatliche Nachrichtenagentur BELTA zitierte, wurde die Sperrung mit einer angeblichen Verlinkung zu als extremistisch eingestuften Inhalten begründet. Genauere Details wurden nicht genannt. Außer der DW wurden zwei weitere Webseiten gesperrt, darunter ein Projekt des US-Auslandssenders Radio Free Europe. 

DW-Intendant Peter Limbourg wies die Vorwürfe des belarussischen Informationsministeriums als "absolut lächerlich" zurück.Bild: J. Röhl/DW

DW-Intendant Peter Limbourg protestierte in einer Stellungnahme am Freitag gegen die Maßnahme und bezeichnete den Vorwurf als "absolut lächerlich". Er kritisierte den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko: "Herr Lukaschenko hat gezeigt, dass er im Kampf gegen seine eigene Bevölkerung vor nichts zurückschreckt, um seine Macht zu erhalten. Die starke Nutzung unabhängiger Medienangebote zeigt deutlich, dass die Menschen in Belarus den vom Staat gelenkten Medien nicht mehr vertrauen", so Limbourg.

Reporter ohne Grenzen: "Akt der Willkür"

In Berlin antwortete eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes auf eine Anfrage der DW, man habe "die Meldung dazu zur Kenntnis genommen". Der deutsche Botschafter in Minsk habe das belarussische Außenministerium um eine Erklärung gebeten und "eingefordert, dass der Zugang zur Webseite umgehend wieder ermöglicht" werde. 

FDP-Politikerin Renate Alt: "Man kann von einer Panik sprechen"Bild: DW/A. Shuka

Politiker und Menschenrechtler appellierten an die Bundesregierung, stark für die DW einzutreten. "Das darf nicht schweigend hingenommen werden", sagte die FDP-Bundestagsabgeordnete Renate Alt. "Es ist sehr bedauerlich, weil es zeigt, dass der freie und unabhängige Journalismus die größte Gefahr für Präsident Lukaschenko bedeutet", so Alt gegenüber der DW. "Es ist nicht nur Angst, man kann von einer Panik sprechen. Er hat erkannt, welche Wirkungen oder Auswirkungen die Berichterstattung der Deutschen Welle hat", so Alt.

Ähnlich äußerte sich Christopher Resch von der Nichtregierungsorganisation "Reporter ohne Grenzen": "Es ist ein erneuter Akt der Willkür seitens des Lukaschenko-Regimes." Resch sieht den Vorgang im Zusammenhang mit dem harten Vorgehen der Behörden gegen oppositionelle und unabhängige Medien. "Das Regime geht verstärkt gegen die digitale Sphäre vor", sagte Resch.  

Tichanowskaja: Akt der Rache für die Wahrheit 

Die belarussische Oppositionspolitikerin Swetlana Tichanowskaja sprach in der Deutschen Welle von einem "Akt der Rache für die Wahrheit". Aber es zeige auch, dass Journalisten eine großartige Arbeit leisteten. Diejenigen, die für die Blockaden verantwortlich seien, verstünden nicht, dass die Wahrheit immer ihren Weg finden werde, so Tichanowskaja. Sie sei den DW-Journalisten dankbar für ihre Arbeit. "Hört nicht auf. Lasst Euch von Blockaden nicht einschüchtern."

Wachsender Druck auf DW in Belarus

Lukaschenko regiert Belarus seit über 25 Jahren autoritär und erklärte sich nach der umstrittenen Wahl im August 2020 erneut zum Präsidenten. Die EU erkennt seinen Sieg nicht an. Die oppositionellen Proteste wurden niedergeschlagen, Oppositionsführer wurden verhaftet oder - wie die Präsidentschaftskandidatin Tichanowskaja - ins Exil gedrängt.

Proteste gegen Lukaschenko in Minsk, August 2020Bild: Reuters/BelaPAN

Seitdem gehen Behörden in Belarus wie nie zuvor gegen Protestteilnehmer und vor allem gegen Journalisten und Medien vor. Mehrere einflussreiche  regierungskritische Webseiten wurden gesperrt, Dutzende Journalisten festgenommen. Der unabhängige Verband belarussischer Journalisten wurde aufgelöst.

Auch die DW stand in den vergangenen Monaten zunehmend unter Druck. Mehrere Korrespondenten der DW-Hauptabteilung Osteuropa, die auf Russisch und Belarussisch berichtet, wurden festgenommen, die meisten nur für kurze Zeit. Der belarussische Journalist Alexander Burakow, der unter anderem auch für die DW berichtet, verbrachte im Mai 20 Tage in Haft. Ihm war die "wiederholte Teilnahme an einer nicht genehmigten Veranstaltung" vorgeworfen worden.

Noch härter traf es Andrej Alexandrow, der als externer Medientrainer für die DW-Akademie in Belarus tätig war. Alexandrow wird Hochverrat vorgeworfen. Er befindet sich seit Januar in Untersuchungshaft. Dem Journalisten droht eine Haftstrafe von bis zu 15 Jahren.