Umfrage: Flüchtlingsfrage spaltet Deutschland
21. August 2016Es sind symbolträchtige Bilder: Männer, Frauen und Kinder, die meisten aus Syrien, Afghanistan und Irak, marschieren in einem nicht enden wollenden Strom über die sogenannte "Balkan-Route" Richtung Norden. Hunderttausende Flüchtlinge kommen im Sommer 2015 und den Monaten danach in Deutschland an. "Wir schaffen das", sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel am 31. August in Berlin. Ein Satz, der zum roten Faden ihrer Flüchtlingspolitik wird.
Hat diese Politik Deutschland verändert und wenn ja, auf welche Weise? Wie die Bürger darüber denken, das hat das Meinungsforschungsinstitut infratest dimap im Auftrag der DW ermittelt. Repräsentativ wurden rund eintausend wahlberechtigte Deutsche im Zeitraum zwischen dem 15. und dem 17. August befragt. Zu den möglichen Folgen der Flüchtlingspolitik wurden vier Aussagen vorgegeben, denen die Umfrageteilnehmer jeweils eher zustimmen oder eher nicht zustimmen konnten.
Bildung und Soziales
Optimistische Schätzungen gehen davon aus, dass die Versorgung der Flüchtlinge 15 Milliarden Euro pro Jahr kosten wird. Wer kommt, muss zunächst untergebracht und verpflegt werden. Integration ist nur möglich, wenn die Menschen Deutsch lernen und ausgebildet werden. Dafür sind Lehrer genauso nötig wie für die Unterrichtung und Betreuung der Kinder in Kindergärten und Schulen. Ist das deutsche Bildungs- und Sozialsystem damit überfordert? Ja, sagt eine knappe Mehrheit der von infratest dimap Befragten.
Eine Überlastung des Bildungs- und Sozialsystems fürchten vor allem Anhänger der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD). Nur 15 von 100 Befragten stimmen der Aussage nicht zu.
Wer deutsch sprechen kann, ausgebildet und arbeitsfähig ist, der muss doch eigentlich eine gute Chance haben, seinen Platz auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu finden. Deutschland steht vor einer gewaltigen demografischen Herausforderung. Die Menschen werden immer älter, der Nachwuchs bleibt aus. Das spüren die Unternehmen. Auf 100 Arbeitslose kommen schon jetzt fast 200 freie Fachkräftestellen. Können die Flüchtlinge die Lücken füllen?
Ganz so einfach ist das nicht. In Deutschland stehen die Bereiche Maschinenbau, Fahrzeugbau und Elektrotechnik für 20 Prozent der Wirtschaftsleistung. In den Herkunftsländern der Flüchtlinge haben diese Industrien hingegen überhaupt keine Tradition. Deshalb sind Voraussetzungen und Qualifikation praktisch nicht gegeben. Trotzdem ist eine knappe Mehrheit der Befragten der Meinung, dass die deutsche Wirtschaft durch die zugewanderten Arbeitskräfte gestärkt wird.
Wie schon bei der Frage zum Bildungs- und Sozialsystem sind es auch hier die AfD-Wähler, die im Zuzug der Flüchtlinge keine Vorteile erkennen können. Neun von zehn Befragten sehen das so.
Unabhängig von den parteipolitischen Präferenzen sind vor allem jüngere Deutsche und jene mit einem höheren Bildungsabschluss oder einem hohen Nettoeinkommen der Meinung, dass die Flüchtlinge der deutschen Wirtschaft nutzen werden. Über 50-Jährige und Menschen, die maximal einen Hauptschulabschluss erreicht haben, stimmen dieser Aussage hingegen eher nicht zu.
Nicht nur für die Wirtschaft, auch für die Gesellschaft wird der Zuzug der Flüchtlinge Folgen haben. Schon jetzt ist Deutschland vor allem in Großstädten bunt und vielfältig. In Zukunft wird sich dieser Eindruck noch verstärken. Finden die Deutschen das gut?
Auch hier sind es jenseits der Nähe zu bestimmten Parteien vor allem jüngere und gebildetere Deutsche, die eine bunte Gesellschaft begrüßen. Sie sind es auch, die den Zusammenhang zwischen Angela Merkels Flüchtlingspolitik und einem Anstieg von Terroranschlägen eher verneinen. Je älter die Befragten und je geringer ihre Schulbildung, desto eher sind sie der Meinung, dass in Deutschland zukünftig mit mehr Anschlägen gerechnet werden muss.
Ganz entscheidend war auch in dieser Frage aber die parteipolitische Präferenz. Nur sieben von Hundert Anhängern der Alternative für Deutschland sind der Meinung, dass es in Deutschland in Zukunft nicht mehr Terroranschläge geben wird.
Im Ergebnis zeigt die Umfrage, dass Merkels Flüchtlingspolitik von den Deutschen durchaus differenziert beurteilt wird. Licht- und Schattenseiten halten sich die Waage. Aus dem Rahmen fallen allein Anhänger der Grünen und der AfD. Letztere sind mit überragender Mehrheit der Meinung, dass die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung ausnahmslos negative Folgen für Deutschland haben wird. Rund drei Viertel der Grünen-Anhänger sind hingegen der Meinung, dass das Land die Herausforderungen meistern und vom Zuzug der Flüchtlinge profitieren wird.