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Dynastische Politik wirft ihren Schatten auf Südostasien

8. Juni 2025

Politiker-Dynastien sind in Südostasien mächtiger denn je: In der Hälfte der Länder der Region haben die Nachkommen früherer Machthaber heute selbst höchste Staatsämter inne.

Indonesien ASEAN Gipfel in Kuala Lumpur
Die Hälfte der ASEAN-Staaten wird von den Kindern ehemaliger Staatschefs regiertBild: Hasnoor Hussain/REUTERS

Brunei ist nach wie vor eine der letzten absoluten Monarchien der Welt.

Auf den Philippinen residiert Präsident Ferdinand Marcos Jr. - Sohn und Namensvetter des früheren Diktators - im Präsidentenpalast. An seiner Seite steht Vizepräsidentin Sara Duterte, Tochter des ehemaligen Präsidenten Rodrigo Duterte.

In Kambodscha übergab Langzeitpremier Hun Sen im Sommer 2023 nach 38 Jahren an der Macht das Amt an seinen Sohn Hun Manet.

In Thailand trat Paetongtarn Shinawatra - Tochter des einstigen Premierministers Thaksin Shinawatra - im August vergangenen Jahres ihr Amt an und stärkte damit den Einfluss ihrer politisch etablierten Familie.

In Laos steht Sonexay Siphandone an der Spitze der Regierung - Sohn von Khamtay Siphandone, einer Schlüsselfigur der laotischen Politik der 1990er Jahre.

Indonesiens Präsident Prabowo Subianto, einst Schwiegersohn von Ex-Diktator Suharto, regiert seit vergangenem Jahr gemeinsam mit Vizepräsident Gibran Rakabuming Raka, dem Sohn des ehemaligen Präsidenten Joko Widodo.

Und auch wenn in Singapur mit Lawrence Wong ein neuer Premierminister im Amt ist, bleibt der Einfluss der Familie von Lee Kuan Yew - dem Gründer der Republik - im politischen System des Stadtstaats spürbar.

Sorgen in Malaysia

Auch Malaysias fragile Regierungskoalition sieht sich dem Vorwurf wachsender Vetternwirtschaft ausgesetzt. Erst vergangene Woche wurde Nurul Izzah Anwar, die Tochter von Premierminister Anwar Ibrahim, zur Vizepräsidentin der regierenden People's Justice Party (PKR) gewählt. Ihre Mutter, Wan Azizah Wan Ismail, steht an der Spitze der Regierungskoalition Pakatan Harapan.

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Der deutliche Wahlsieg Nuruls über Wirtschaftsminister Rafizi Ramli - weithin als intellektueller Reformer innerhalb der Partei geschätzt - führte dazu, dass sowohl Ramli als auch Umweltminister Nik Nazmi Nik Ahmad aus dem Kabinett zurücktraten.

"Anwars Tochter verfügt zweifellos über eigene reformpolitische Qualifikationen. Doch der Vorwurf der Vetternwirtschaft schwächt ihre Rolle als potenzielle Nachfolgerin und untergräbt die Glaubwürdigkeit von Anwars Regierung", sagte Bridget Welsh vom Asia Research Institute Malaysia der Universität Nottingham im Gespräch mit der DW. "Die PKR ist heute stärker als je zuvor auf die Familie Anwar zentriert - das schwächt die Partei langfristig hinsichtlich Reichweite und repräsentativer Vielfalt."

Dynastischer Einfluss reicht weit

Der Einfluss politischer Familien reicht über Regierungsparteien hinaus. In Myanmar etwa war Aung San Suu Kyi - Tochter des Staatsgründers Aung San - lange eine zentrale Figur der Demokratiebewegung. Bis zu ihrer Absetzung durch das Militär im Jahr 2021 amtierte sie faktisch als Regierungschefin.

"Ich sehe keinen baldigen Machtverlust dieser Dynastien", sagte Joshua Kurlantzick vom Council on Foreign Relations gegenüber der DW. "In den Ländern, in denen sie besonders präsent sind, dominieren sie weiterhin die politische Landschaft. Auf den Philippinen bahnt sich sogar ein regelrechter Dynastienkrieg an."

Machtkampf in Manila

Die philippinischen Zwischenwahlen im vergangenen Monat verdeutlichten diese Rivalität: Die einstigen Verbündeten - die Marcos- und die Duterte-Clans - traten nach dem Bruch ihrer Allianz in offener Konkurrenz gegeneinander an. Hintergrund waren politische Differenzen und persönliche Spannungen.

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Im Februar wurde Sara Duterte vom Repräsentantenhaus wegen angeblicher Veruntreuung öffentlicher Gelder angeklagt. Im laufenden Monat steht ihr ein Verfahren im Senat bevor, das sie von künftigen Ämtern ausschließen könnte. Sollte sie freigesprochen werden, könnte sie 2029 bei den Präsidentschaftswahlen gegen Martin Romualdez antreten - einen Cousin von Präsident Marcos Jr. und derzeit Sprecher des Repräsentantenhauses.

"Selbst eine Verurteilung würde die dynastischen Strukturen der philippinischen Politik kaum erschüttern - aber sie wäre ein schwerer Schlag für die Duterte-Dynastie", sagte Aries A. Arugay vom ISEAS-Yusof Ishak Institute zur DW. "Ein Schuldspruch würde sie daran hindern, die Interessen ihrer Familie zu schützen und könnte weitere Anklagen durch ihre Gegner nach sich ziehen. Ein Freispruch wäre entscheidend für ihr politisches Überleben - und die Rückgewinnung der Macht, die die Dutertes 2022 verloren haben."

Auch in Laos könnte bald ein innerdynastischer Machtkampf anstehen: Im Januar kommenden Jahres wählt die regierende Laotische Revolutionäre Volkspartei ihre Führung für die nächsten fünf Jahre. Beobachter rechnen mit einem Duell zwischen Premierminister Sonexay Siphandone und Parlamentspräsident Xaysomphone Phomvihane - dem Spross einer ebenfalls einflussreichen Familie.

Vietnam als Ausnahme

Vietnam hingegen sticht in der Region heraus: Trotz kommunistischer Einparteienherrschaft hat sich auf nationaler Ebene bislang keine politische Familie durchgesetzt. Anders sieht es auf lokaler Ebene aus.

"Trotz ihrer autoritären Ausrichtung basiert die vietnamesische Politik auf einem empfindlichen Gleichgewicht kollektiver Führung innerhalb des Einparteiensystems", erklärt Khac Giang Nguyen vom ISEAS-Yusof Ishak Institute. "Zwar kommt es gelegentlich zur Personalisierung von Macht, doch institutionelle Kontrollmechanismen verhindern meist eine vollständige Dominanz einzelner Familien. Einige sogenannte Prinzen haben es in wichtige Positionen geschafft, doch niemand bis ganz an die Spitze."

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Fette Dynastien

Zachary Abuza, Professor am National War College in Washington, sieht eine besorgniserregende Entwicklung: Viele politische Familien in Südostasien entwickelten sich zu sogenannten "fetten Dynastien".

"Es geht nicht mehr nur darum, dass Macht von Eltern an Kinder übergeht - zunehmend besetzen Familienmitglieder Posten in verschiedenen Ämtern gleichzeitig", sagte er gegenüber der DW. Bei den letzten Zwischenwahlen auf den Philippinen etwa sicherten sich vier Geschwisterpaare Sitze im Senat - das entspricht einem Drittel der Kammer. In 18 Provinzen kontrollieren übergroße Dynastien mittlerweile die lokale Politik.

In Kambodscha ist diese Machtkonzentration besonders ausgeprägt: Die Regierungspartei arrangiert Ehen unter den Kindern hochrangiger Politiker. Hun Manets Ehefrau ist die Tochter eines ehemaligen Spitzenbeamten des Arbeitsministeriums; sein Bruder Hun Many ist Minister für den öffentlichen Dienst, ein weiterer Bruder - Hun Manith - leitet die Streitkräfte und den militärischen Geheimdienst.

Ist familiäre Herrschaft schädlich?

Analysten verweisen auf tief verwurzelte Ursachen für den dynastischen Machterhalt: von vor-kolonialen Herrschaftsstrukturen über die Schwäche politischer Parteien gegenüber charismatischen Einzelpersonen bis hin zu unzureichenden Antikorruptionsmaßnahmen.

Weitverbreitet ist die Einschätzung, dass dynastische Politik nicht nur Symptom, sondern auch Ursache für schrumpfende demokratische Spielräume ist. In den vergangenen zehn Jahren sind fast alle südostasiatischen Staaten im Demokratie-Ranking der US-Organisation Freedom House zurückgefallen.

"Dynastische Machtwechsel stehen eher für autoritäre Kontinuität als für eine demokratische Öffnung", schreiben die Forscherinnen Andrea Haefner und Sovinda Po in einer aktuellen Analyse.

Frauen zwischen Macht und Dynastie

Ein unerwarteter Nebeneffekt der familiären Politik: Der Aufstieg von Frauen. Laut Maria Diana Belza von der Universität der Philippinen hat der dynastische Zugang zur Macht die politische Repräsentation von Frauen erhöht. Wenn männliche Verwandte durch Amtszeitbegrenzungen ausscheiden oder in Ungnade fallen, treten oft weibliche Nachfolgerinnen auf den Plan - um die familiären Netzwerke zu sichern.

Doch Belza warnt: Der wachsende Anteil von Frauen in der Politik "bedeutet nicht zwangsläufig mehr politische Teilhabe für Frauen außerhalb dieser dynastischen Kreise".

Bislang haben nur sieben Frauen in Südostasien höchste Staatsämter bekleidet: Corazon Aquino, Gloria Macapagal Arroyo, Megawati Sukarnoputri, Yingluck Shinawatra, Aung San Suu Kyi, Paetongtarn Shinawatra und Halimah Yacob. Mit Ausnahme der amtierenden Präsidentin Singapurs waren alle entweder Töchter, Ehefrauen oder Schwestern männlicher Vorgänger.

Während sich politische Dynastien weiter festigen, bleibt offen, ob Südostasiens politisches System in Zukunft eine breitere Teilhabe ermöglichen kann. Vorerst sind familiäre Bande tief in den Strukturen der Macht verankert - und werfen grundlegende Fragen nach Regierungsführung, Rechenschaftspflicht und der Zukunft der Demokratie auf.

Aus dem Englischen adaptiert von Shabnam von Heim

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