Eines der bekanntesten Gesichter Deutschlands bei der Frauen-WM ist Dzsenifer Marozsan. Die Stürmerin erlitt vor einem knappen Jahr eine Lungenembolie. Jetzt ist sie wieder voll da - aber nicht mehr dieselbe.
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Wenn die 18-jährige WM-Debütantin Klara Bühl das "Küken" ist, wie sie sich selbst beschreibt, dann ist Dzsenifer Marozsan die Mutterhenne im DFB-Frauenteam. Als das ungleiche Paar nach der DFB-Pressekonferenz am Donnerstag zusammentrat, bekam Bühl von Marozsan einen beruhigenden Klaps auf den Rücken. Manchmal flößen Pressetermine mehr Respekt ein als ein Länderspiel selbst.
Je näher der Auftakt der deutschen Mannschaft bei Frauen-Weltmeisterschaft gegen China rückt, umso mehr übernimmt Marozsan, obwohl sie gerade erst 27 Jahre alt ist, die Rolle der "Alterspräsidentin". Sie strahlt Ruhe und Gelassenheit aus und übernimmt Verantwortung in einem Team, in dem es einige neue Gesichter gibt.
"Ich helfe ihnen nur, sich auf dem Platz zu zeigen, und ich gebe mein Bestes, um ein wirkliches Team zu formen und zu gewinnen", sagte Marozsan der DW im deutschen Trainingslager bei Rennes. "Ich will vorwärts gehen. Ich hoffe, die jungen Spielerinnen sehen mich an und folgen mir."
Die Nummer "10" Deutschlands ist zwar nicht mehr Kapitänin, eine Position, die sie unter der ehemaligen Trainerin Steffi Jones innehatte. Aber auch ohne die Binde genießt sie viel Respekt, gerade bei den jungen Spielerinnen wie Klara Bühl: "Man kann sich eine dicke Scheibe davon abschneiden, wie sie sich verhält und wie ruhig sie ist."
Vorbild aus Erfahrung
Obwohl Marozsans Zeit als Nachwuchsspielerin lange her ist, kann sie sich immer noch gut in die jüngeren Teamkolleginnen hineinversetzen. Sie erinnert sich gut an ihr internationales Debüt im Jahr 2010, damals ebenfalls im Alter von 18 Jahren, als sie neben zwei Legenden des deutschen Spiels - Birgit Prinz und Inka Grings - gegen Australien auf dem Platz stand.
"Es war hart, weil viele großartige Spieler im Team waren, und ich war wirklich schüchtern", erinnert sich Marozsan. "Ich habe zu ihnen aufgeschaut, ich wollte genau wie sie sein. Aber es war auch großartig, denn so kann man sein Spiel verbessern. Es hilft den jungen Spielerinnen sehr."
Geboren in Ungarn, aber als Deutsche eingebürgert, hat Marozsan eine ganze Menge erlebt, seit sie zum ersten Mal das Deutschland-Trikot trug. Drei Jahre bevor sie Olympiasiegerin wurde, gehörte sie auch schon zu dem Team, das 2013 die Europameisterschaft in Schweden gewann.
Auch die Erfolge der Angreiferin auf Vereinsebene sind nicht zu übersehen: Mit dem 1. FFC Frankfurt und Olympique Lyon hat sie die Champions-League-Trophäe insgesamt schon viermal gewonnen. Nach drei Jahren in Lyon ist Marozsans Bekanntheitsgrad in Frankreich mittlerweile fast größer als in Deutschland.
"Es ist cool, weil ich erst seit drei Jahren hier bin", sagt Marozsan. "Ich bin in einem anderen Land und lerne viele neue Leute kennen, das verbessert mich als Person. Ich bin wirklich stolz auf mich selbst, jetzt spreche ich auch ein wenig Französisch."
Gesundheitsfragen
Die Karriere der wohl besten Spielmacherin kam 2018 jedoch auf beängstigende Weise zum Stillstand. Marozsan erlitt eine Lungenembolie, die durch ein verstopftes Blutgefäß in der Lunge verursacht wird. Sie verpasste drei Monate der Saison, zwischenzeitlich war sogar fraglich, ob sie jemals wieder Fußball spielen würde.
"Meine ganze Familie war schockiert", erzählt Marozsan. "Es war wirklich keine schöne Situation. Ich bin froh, dass ich viel Unterstützung von meinem Verein, vom Nationalteam, meiner Familie und von meinen Teamkolleginnen erhalten habe. Das war wirklich wichtig. Jetzt bin ich einfach glücklich, wieder auf dem Platz zu sein."
Für eine Weile war Marozsan zurückhaltend und wollte nicht offen über ihren Gesundheitszustand sprechen. Sie muss jetzt viel vorsichtiger sein, aufpassen, was sie isst und trinkt, und sie muss auf langen Reisen Kompressionsstrümpfe tragen. Die gesamte Erfahrung hat ihre Sichtweise auf das Leben verändert.
"Wenn man in solch einer Situation ist, merkt man erst, wie wichtig es ist, jeden Tag zu genießen, denn es kann jeden Tag etwas Schlimmes passieren", sagt Marozsan. "Also bin ich jetzt ganz ruhig. Wenn ich eine kleine Verletzung erleide, sage ich mir: Es gibt viele schlimmere Dinge. Bleib ruhig und es wird dir bald wieder besser gehen. Jetzt genieße ich einfach jeden Moment."
Marozsans bisheriger Saisonhöhepunkt war der vierte Titel in der Champions League, doch der Sommer ist noch nicht vorbei. Möglicherweise darf Marozsan am Ende die eine große Trophäe in die Höhe stemmen, die in ihrer Sammlung noch fehlt, vor fast 60.000 Fans an einem Ort, den sie heute ihr Zuhause nennt. "Hoffentlich spielen wir in Lyon", sagt Marozsan. "Das ist mein Traum, also werde ich hart dafür arbeiten. Ich sehne mich nach dem Weltmeistertitel. Ihn zu gewinnen, wäre fantastisch."
Die Top-Spielerinnen der Frauenfußball-WM
Welche Spielerin drückt der Frauen-WM ihren Stempel auf? Wer avanciert zum Superstar des Turniers? In den Kadern der 16 WM-Teilnehmer finden sich viele sehr gute Spielerinnen - diese zwölf stechen heraus.
Bild: picture-alliance/Citypress24/S. Chamid
Lieke Martens (Niederlande)
Die 26-Jährige war schon beim Gewinn des EM-Titels im eigenen Land der Star der Niederländerinnen: Lieke Martens, Stürmerin der "Oranjevrouwen" und beim FC Barcelona, weswegen sie mittlerweile den Spitznamen "Messis kleine Schwester" trägt. Martens bestimmt das Spieltempo, sie dribbelt, und sie sucht den Abschluss. 2017 wurde sie zur Weltfußballerin des Jahres gewählt.
Bild: picture-alliance/Citypress24/S. Chamid
Christine Sinclair (Kanada)
Die Rekordspielerin und -torschützin der kanadischen Mannschaft tritt in Frankreich bereits zur fünften Weltmeisterschaft ihrer Karriere an. Sinclair, die trotz ihrer fast 36 Jahre nach wie vor die wichtigste Spielerin ihres Teams ist, debütierte vor 19 Jahren für Kanada. Ihre Bilanz von 282 Länderspielen und 181 Toren* spricht für sich. (*Stand 24.05.2019)
Bild: picture-alliance/empics
Wendie Renard (Frankreich)
Wendie Renard (l.) ist das Herzstück von Olympique Lyon und des französischen Nationalteams. Die Innenverteidigerin holte mit Lyon 13-mal in Folge den französischen Titel und insgesamt sechsmal die Champions League. Die 28-Jährige gilt als eine der besten Defensivspielerinnen der Welt und für Frankreich unersetzbar bei dem Ziel, die Frauenfußball-Weltmeisterschaft 2019 im eigenen Land zu gewinnen.
Bild: Getty Images/AFP/Jonathan Nackstrand
Lucy Bronze (England)
Ein großartiger Treffer der Verteidigerin von Olympique Lyon gegen ihren ehemaligen Verein Manchester City im Halbfinale der Champions League 2018 brachte Lucia Roberta Tough Bronze die Nominierung für das UEFA-Tor der Saison ein. Die 27-Jährige gilt als eine der besten Fußballerinnen der Welt und verspricht, bei der Weltmeisterschaft 2019 eine Schlüsselspielerin für England zu werden.
Bild: Getty Images/N. Baker
Irene Paredes (Spanien)
Die 27-Jährige ist schnell, zweikampf- und kopfballstark, dazu auch noch torgefährlich. Die Innenverteidigerin, die seit 2016 für Paris St. Germain spielt, erzielte in der WM-Qualifikation für Spanien vier Treffer und war damit die erfolgreichste Torschützin ihres Teams. Paredes gilt als eine der besten Abwehrspielerinnen der Welt. Bei der WM trifft sie mit Spanien in der Vorrunde auf Deutschland.
Bild: picture-alliance/NurPhoto/J. Breton
Marta (Brasilien)
"Kämpfe gegen ihre Vorurteile, fehlende Unterstützung, gegen alles - die Leute, die sagen, dass du es nicht kannst", schrieb Marta Vieira da Silva in einem Artikel für "The Players' Tribune". Sechsmal wurde die 33-Jährige als Weltfußballerin geehrt. Für viele Experten ist die Stürmerin aus Brasilien, die ihr Geld beim US-Klub Orlando Pride verdient, immer noch die beste Spielerin der Welt.
Bild: Getty Images
Carli Lloyd (USA)
Die 36 Jahre alte Angreiferin ist immer dann zur Stelle, wenn es wirklich darauf ankommt. 2008 und 2012 erzielte sie entscheidende Tore zum Olympiasieg der USA. 2015, beim letzten WM-Finale, gelangen ihr beim 5:2-Sieg der Amerikanerinnen gegen Japan drei Treffer. Ihre Bilanz: 273 Länderspiele, 110 Tore und 52 Vorlagen*. 2015 und 2016 war sie Weltfußballerin des Jahres. (*Stand 28.05.2019)
Bild: Getty Images/P. Vilela
Asisat Oshoala (Nigeria)
Der Stern der wuchtigen Stürmerin ging 2014 bei der U20-WM in Kanada auf. Oshoala verlor damals zwar mit den Nigerianerinnen das Finale, gewann aber den Goldenen Ball als beste Spielerin und den Goldenen Schuh als beste Torschützin des Turniers. Mittlerweile spielt die 24-Jährige beim FC Barcelona. Sie gewann mit Nigeria zweimal den Afrika Cup und war dreimal Afrikas Fußballerin des Jahres.
Bild: Getty Images/AFP/A. Kisbenedek
Dzsenifer Marozsan (Deutschland)
Die deutsche Nummer 10 ist die perfekte Spielmacherin: stark im Dribbling, torgefährlich und gut bei Standards. Marozsan ist eine der am höchsten dekorierten Fußballspielerinnen aus Deutschland. Viermal gewann die gebürtige Ungarin bereits die Champions League. 2016 gab es Olympia-Gold, drei Jahre zuvor den EM-Titel. Jetzt soll es mit den DFB-Frauen für die 27-Jährige auch bei der WM klappen.
Bild: picture-alliance/GES/T. Eisenhuth
Amandine Henry (Frankreich)
Fast jeder Angriff läuft über die Mittelfeldspielerin Amandine Henry (r.), egal ob im Verein bei Olympique Lyon oder in der französischen Nationalmannschaft. Sie ist eine Ballerobererin, die von der Defensive schnell auf Offensive umschalten kann. Die Art und Weise, wie sie ein Spiel lesen kann, ist ein Grund dafür, warum die 29-Jährige zu den besten Fußballerinnen der Welt zählt.
Bild: Reuters/V. Ogirenko
Samantha Kerr (Australien)
Samantha Kerr hält den Rekord von 50 Toren in der National Women's Soccer League in den USA. Bereits im Alter von 15 Jahren debütierte sie in der australischen A-Nationalmannschaft der Frauen. Seitdem führte sie die "Matildas" auf den sechsten Platz in der FIFA-Weltrangliste und zur Qualifikation für die Frauen-Weltmeisterschaft 2019. Jeden Treffer feiert die 25-Jährige mit einem Salto.
Bild: Getty Images/G. Denholm
Saki Kumagai (Japan)
Mit Olympique Lyon gewann die 28 Jahre alte Innenverteidigerin sechs französische Meisterschaften und vier Champions-League-Titel in Folge. Zuvor spielte Kumagai zwei Jahre für den 1. FFC Frankfurt und holte auch hier den Titel in der Königsklasse. Mit dem Nationalteam gewann sie 2014 und 2018 die Asien-Meisterschaft. Im WM-Finale 2011 gegen die USA gelang ihr der Siegtreffer im Elfmeterschießen.