ESC: Offenbar Abstimmung über Israels Teilnahme
27. September 2025
Darf Israel zum ESC 2026? Diese Frage soll sich im November endgültig klären. Die Europäische Rundfunkunion (EBU) lässt ihre 68 Mitglieder offenbar in einer digitalen Abstimmung über IsraelsTeilnahme entscheiden. Darüber hatte zuerst die österreichische Nachrichtenagentur APA berichtet. In einem Brief an die Mitglieder der EBU, den die österreichische "Kronen Zeitung" veröffentlichte, wird auf die "beispiellose Meinungsvielfalt" der EBU-Mitglieder auf der Generalversammlung im Sommer Bezug genommen, allerdings wird das Thema Israel selbst nicht namentlich erwähnt.
"Angesichts der Tatsache, dass die EBU noch nie zuvor mit einer derart spaltenden Situation konfrontiert war, ist der Vorstand sich einig, dass diese Frage eine breitere demokratische Grundlage für eine Entscheidung verdient." Daher habe man beschlossen, eine außerordentliche Generalversammlung zu organisieren, die Anfang November online stattfinden solle, "damit die Mitglieder über die Frage der Teilnahme am Eurovision Song Contest 2026 abstimmen."
Auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) bestätigte die EBU lediglich, den Brief verschickt zu haben: "Derzeit haben wir nichts Weiteres hinzuzufügen." Auch hier wird Israel nicht erwähnt.
ESC: Israelische Rundfunkanstalt KAN reagiert
Die israelische öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt KAN äußerte am Donnerstagabend auf dem Kurznachrichtendienst "X" die Hoffnung, dass der ESC "seine kulturelle und unpolitische Identität weiterhin bewahren wird". In dem Statement heißt es weiter: "Die mögliche Disqualifizierung (...) eines langjährigen, beliebten und erfolgreichen Teilnehmers des Wettbewerbs wäre insbesondere im Vorfeld der 70. Ausgabe des Song Contests, der als Symbol für Einheit, Solidarität und Gemeinschaft gegründet wurde, besonders beunruhigend. Ein solcher Schritt könnte weitreichende Auswirkungen auf den Wettbewerb und die Werte haben, für die die EBU steht."
Mit Blick auf die Abstimmung verwies KAN auf die EBU-Satzung: Außergewöhnliche Entscheidungen erforderten eine 75-prozentige Mehrheit der Generalversammlung, heißt es in dem "X"-Statement.
Doch auf die Frage der israelischen Zeitung "The Times of Israel“, welche Mehrheit der 68 Mitglieder erforderlich sei, um Israel aus dem Wettbewerb auszuschließen, erklärte die EBU am Donnerstag, dass für die Online-Abstimmung eine einfache Mehrheit reiche. Wenn also 35 oder mehr Mitglieder dafür stimmten, würde Israel aus dem Wettbewerb ausgeschlossen. Bisher haben Spanien, Irland, die Niederlande, Slowenien und Island offen mit einem Boykott gedroht, mehrere weitere Länder sympathisieren zumindest mit dieser Haltung.
Mehrheit für oder gegen Israel-Teilnahme?
Der Journalist Daniel Kähler, der den ESC für Radio Bremen und die ARD immer wieder begleitet hat, ist jedoch unsicher, ob eine Mehrheit der ESC-Sender gegen die israelische Teilnahme votieren wird: "Aus vielen Teilnehmerländern ist keine klare Haltung für oder gegen Israel beim ESC bekannt. Deutlich positioniert hat sich bislang nur eine Handvoll Verantwortlicher", sagt Kähler der DW. "Falls die EBU-Mitglieder sich mehrheitlich dafür aussprechen, dass eine Sängerin oder ein Sänger aus Israel auf der ESC-Bühne steht - und das könnte ich mir durchaus vorstellen - könnte das bedeuten, dass wir tatsächlich einen Song Contest mit weniger Teilnehmerländern in Wien erleben werden, denn beispielsweise Spanien und Irland haben ja ganz klar gesagt, dass sie dann nicht dabei sein möchten."
Deutschlands Kulturstaatsminister Wolfram Weimer warnte noch vor wenigen Tagen vor einer Ausgrenzung Israels. Der ESC sei mit der Idee gegründet worden, Nationen durch Musik zu verbinden, erklärte er. "Wer heute Israel ausschließt, stellt diesen Grundgedanken auf den Kopf und macht aus einem Fest der Verständigung ein Tribunal."
2024 und 2025 hatte es wegen des Gazakriegs Straßenproteste gegen die Teilnahme Israels gegeben. Trotz der Kontroversen um ihren Auftritt belegte die israelische Künstlerin Yuval Raphael beim Wettbewerb 2025 in Basel den zweiten Platz in der Gesamtwertung und den ersten Platz in der Publikumswahl. Erster wurde JJ aus Österreich, deshalb findet der nächste ESC 2026 nun in Wien statt.
In der Diskussion um Israel wird von Kritikern oft der Vergleich mit dem ESC-Ausschluss Russlands gezogen. Das Land darf seit seinem Angriff auf die Ukraine 2022 auf Beschluss des EBU-Vorstands nicht mehr am Wettbewerb teilnehmen.
Der Gaza-Krieg hatte mit dem beispiellosen Überfall der radikal islamistischen Hamas und anderer gewalttätiger Gruppierungen auf das israelische Grenzgebiet begonnen. Dabei wurden rund 1200 Menschen getötet und mehr als 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Israel ist wegen seiner Kriegsführung international zunehmend isoliert.