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Musik

"Echo in the Canyon" - Der Sound Kaliforniens

Philipp Jedicke
7. Juni 2020

Die Musikdoku "Echo in the Canyon" erzählt die Entstehungsgeschichte eines Sounds, der die Popmusik entscheidend prägen sollte.

Tom Petty mit zwölfsaitiger Rickenbacker-Gitarre, dahinter Jakob Dylan
Tom Petty (vorne) und Jakob Dylan Bild: Echo In The Canyon LLC

Immer wieder gibt es Orte, die fest mit einer musikalischen Entwicklung verbunden sind, so wie Detroit mit Motown oder Seattle mit Grunge Rock. Der Laurel Canyon im US-Bundesstaat Kalifornien ist der Geburtsort des kalifornischen Folk Rock, einer Spielart des Westcoast-Sounds. Es handelt sich dabei nicht um ein klar umrissenes musikalisches Genre.

Aber wenn man die ersten Takte von "Turn! Turn! Turn!" der Byrds oder das Intro von "California Dreaming" von The Mamas and the Papas im Ohr hat, dann wird einem klar: Der Sound Kaliforniens war ein besonderer. Er stand für Aufbruch und Hoffnung in einer Zeit großer gesellschaftlicher Umbrüche.

Ein Ort und ein neuer Sound

Es waren die Jahre 1965 bis 1967, kurz vor der Hippie-Ära, und die wegweisenden Alben jener Zeit hießen "Mr. Tambourine Man" von den Byrds, "Pet Sounds" von den Beach Boys oder "If You Can Believe Your Eyes and Ears" von The Mamas and the Papas. Sie beeinflussten Musiker weit über die USA hinaus.

Das Epizentrum des California-Sounds: der Laurel Canyon bei L.A.Bild: Echo In The Canyon LLC

Selbst die Beatles aus England - damals die unangefochtene Nummer Eins auf der ganzen Welt - wurden massiv durch den Sound aus dem sonnigen Kalifornien inspiriert. Im kulturellen Gedächtnis ist die Musik von dort ebenso fest mit Flower Power verbunden wie Batik-Shirts, das Friedenszeichen oder Woodstock.

Vor fünf Jahren veranstaltete Andrew Slater, Filmemacher und ehemaliger Chef von Capitol Records, gemeinsam mit dem Singer/Songwriter Jakob Dylan (dem Sohn von Bob Dylan) ein Konzert zu Ehren der Laurel-Canyon-Szene. Dabei entstand die Idee, einen Dokumentarfilm zu drehen - mit Andrew Slater als Regisseur und Jakob Dylan als Interviewer und Protagonist.

Laurel Canyon: einzigartiger Ort des musikalischen Austauschs

In der an diesem 8. Juni auf Streaming-Plattformen in Deutschland erscheinenden Doku "Echo in the Canyon" begibt sich Jakob Dylan auf Spurensuche in den Laurel Canyon nahe der Millionenstadt Los Angeles, um die Protagonisten jener Zeit zu befragen. Schon am Anfang des Films wird klar, dass es sich um eine nostalgische Reise in die Vergangenheit handelt. In einer geschickt gebauten Montage fährt Dylan in einem Oldtimer-Cabrio scheinbar gleichzeitig durch das heutige und das damalige Los Angeles.

David Crosby (links) ist einer der Protagonisten der Laurel-Canyon-SzeneBild: Echo In The Canyon LLC

Im Laufe des Films trifft er auf die Erfinder des kalifornischen Folk Rock. Sie alle lebten und leben teils noch heute im Laurel Canyon, und sie beeinflussten sich alle gegenseitig: Roger McGuinn von den Byrds, David Crosby, Stephen Stills, Graham Nash und Neil Young, Michelle Phillips von Mamas and the Papas, Brian Wilson von den Beach Boys oder die Komponistin Carole King. Auch Frank Zappa, Jim Morrison, Joni Mitchell und viele andere Musiker wohnten einmal hier. 

Anstatt im nahe gelegenen Los Angeles in die Clubs zu gehen, besuchte man sich gegenseitig, feierte Partys, nahm bewusstseinserweiternde Drogen und jammte gemeinsam - Tag und Nacht. Es war ein freier Austausch von Ideen. Einen gewissen "Ideenklau" gab es dabei zwar ständig, aber man war als Musiker froh oder sogar geehrt, wenn eine andere geschätzte Band die eigenen Ideen zur Vollendung brachte. Unter den Musiker*innen herrschte offensichtlich eine positive Art von Konkurrenz, die den Songs diente, anstatt sie kaputtzumachen.

Wie in anderen Fällen begünstigten auch bei der Laurel-Canyon-Szene mehrere gleichzeitig stattfindende Entwicklungen ihren Erfolg: Der Gitarrenbauer Rickenbacker entwickelte eine zwölfsaitige E-Gitarre, die dem elektrisch verstärkten Folk den nötigen Drive gab. Die allgegenwärtigen Beatles und die Beach Boys befruchteten sich transatlantisch gegenseitig über mehrere Alben. Und DJs spielten erstmals Rockmusik mit poetischer Tiefe im Radio.

Wo vorher ausschließlich "Bubble-Gum-Pop" zu hören war, gab es nun sozialkritische oder psychedelische Stimmen, Bands vertonten Texte von Folk-Ikonen wie Pete Seeger oder Bob Dylan neu. Wie David Crosby in der Doku sagt: "Wir fingen an, Rock 'n' Roll ernst zu nehmen." Folk Rock war geboren.  

Nachhaltiger Einfluss auf die Geschichte der Pop- und Rockmusik

Der Austritt Neil Youngs aus der Band Buffalo Springfield markiert im Film symbolisch das Ende der Laurel-Canyon-Szene und den Beginn der Ausdifferenzierung in musikalische Individuen. Neil Youngs Stimme ist im ganzen Film nicht zu hören, aber seine Gitarre sagt mehr als ein Interview: Während des Abspanns sieht man den Young von heute in einem Aufnahmestudio, und es ist ganz klar: Hier spielt keine Band, kein Kollektiv ist hier zugange, sondern allein Mr. Neil Young mit seiner Gitarre.

Der Sound aus dem Laurel Canyon prägte nicht nur seine Zeitgenossen im In- und Ausland nachhaltig. Auch Tom Petty (im Film in seinem letzten Interview zu sehen) schöpfte später in Songs wie "Free Fallin'" oder "Learning To Fly" daraus, ähnlich wie in den Neunzigern und Nullerjahren Singer/Songwriter wie Beck, Cat Power, Norah Jones, Jade, Regina Spektor oder Fiona Apple - um nur jene zu nennen, die im Film gemeinsam mit Jakob Dylan auftreten, um Songs aus jener Ära neu zu interpretieren.

Regina Spektor, Jakob Dylan, Beck und Cat Power (von links) proben gemeinsamBild: Echo In The Canyon LLC

"Echo in the Canyon" ist eine stimmige Momentaufnahme einer kurzen, intensiven Ära, die bis heute immensen Einfluss auf die gesamte Rock- und Popmusik ausübt. Angesichts der aktuellen Entwicklungen in den Vereinigten Staaten ist der Film jedoch mehr als eine gelungene Musikdoku. "Echo in the Canyon" zeigt die USA, wie sie auch sein können - ein Land der unbändigen Kreativität, der Poesie, der Gemeinschaft und Offenheit.

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