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PolitikAfrika

ECOWAS: Putsch - Sanktionen - weiter so

Antonio Cascais
5. Mai 2022

In Westafrika wird wieder geputscht. Die ECOWAS reagiert mal mit Appellen, mal mit Sanktionen oder gar der Entsendung von Truppen. Doch die Kritik am Vorgehen der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft wächst.

Guinea-Bissau | Soldat in Bissau
Bild: Andre Kosters/EPA

"Westafrika ist wieder in den internationalen Schlagzeilen als Region für Staatsstreiche." So äußerte sich der ghanaische Präsident Nana Akufo-Addo jüngst bei einer Rede im Parlament in Accra - und appellierte an die Abgeordneten, die Maßnahmen der ECOWAS gegen Putschisten-Regime zu unterstützen. Akufo-Addo steht zurzeit turnusmäßig dem Wirtschaftsbündnis von 15 afrikanischen Staaten vor. Vor dem Parlament machte er deutlich, dass nur eine koordinierte Haltung der ECOWAS-Staaten die Putschisten in Ländern wie Mali, Guineaund Burkina Faso in die Schranken weisen könne.

Für eine entschlossene "Nulltoleranzpolitik" gegenüber Putschisten, die von der ECOWAS durchgesetzt werden müsse, plädiert der ivorische Historiker Arthur Banga: "Wir dürfen nicht hinnehmen, dass die demokratische Ordnung in unserer Region immer wieder durch Staatsstreiche gefährdet wird. Westafrika muss in der Lage sein, Militärputsche und die verantwortlichen Hintermänner effektiv zu bekämpfen", sagt Banga, der an der Felix-Houphouët-Boigny-Universität in Abidjan lehrt, im DW-Gespräch. Es sei notwendig, das Bündnis dabei zu unterstützten, etwaige Sanktionen gegen Putschisten auch tatsächlich durchzusetzen.

Geringe Glaubwürdigkeit, geringe Durchschlagskraft

Wie wenig Durchschlagskraft die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft im Umgang mit Putschisten-Regimen tatsächlich besitzt, wurde vergangene Woche beim ECOWAS-Gipfel in der ghanaischen Hauptstadt Accra deutlich: Die Militärregime in Mali, Guinea und Burkina Faso wurden zwar erneut aufgefordert, die politische Macht möglichst bald in zivile Hände zurückzugeben. Doch die Appelle stießen weiterhin auf taube Ohren: Alle drei Putschisten-Regime signalisierten, bis auf Weiteres an ihrer Macht festhalten zu wollen, von der ECOWAS gesetzte Fristen ließen sie verstreichen.

Das Vertrauen in die ECOWAS (französisch CEDEAO) sinkt: Demonstranten in Bamako im Januar 2022Bild: Florent Vergnes/AFP/Getty Images

"Burkina Faso hat um mehr Zeit gebeten. Auch Guinea äußerte den Wunsch nach mehr Zeit, um weitere Konsultationen zu ermöglichen. Und zu Mali haben wir keinen Kontakt, seit wir das Land von allen unseren Aktivitäten ausgeschlossen haben", hieß es dazu lapidar von der ECOWAS. Weitere Konsequenzen gab es nicht. Dabei sind sich die meisten Beobachter einig, dass supranationale Instanzen, die international verbindliche Regeln aufstellen, durchsetzen und überwachen, dringend benötigt werden. Doch das uneinheitliche Vorgehen nagt weiter am ohnehin angeschlagenen Image der ECOWAS, wie ein Blick auf die jüngsten Ereignisse zeigt.

Mali: Ein Putsch im Putsch wird sanktioniert

Bamako, 24. Mai 2021: Das malische Militär unter Führung von Assimi Goïta entmachtet den Übergangspräsidenten Bah N'Daw, der einer Interimsregierung vorstand, die infolge des erst im August 2020 vorausgegangenen Staatsstreichs eingesetzt worden war, um Neuwahlen vorzubereiten.

Die ECOWAS reagiert entschlossen: Sie schließt die Grenzen, verhängt Sanktionen gegen Mitglieder der Junta, friert ihre Vermögenswerte bei der westafrikanischen Zentralbank ein und verhängt ein Handelsembargo gegen Mali. Doch die Sanktionen träfen nur wenige Protagonisten des Putsches, die zudem über viele Möglichkeiten verfügten, diese zu umgehen, bemängeln Beobachter.

Guinea: Putschisten haben eine eigene Agenda 

Conakry, 5. September 2021: Eine Eliteeinheit des Militärs unter Führung von Mamady Doumbouya putscht sich an die Macht. Sie erklärt, die Regierung des greisen Präsidenten Alpha Condé sei aufgelöst, die Verfassung außer Kraft gesetzt. Der 84-jährige Condé hatte heftigen Widerstand auf sich gezogen, nachdem er 2020 eine neue Verfassung durchgesetzt hatte, die es ihm ermöglichte, für eine dritte Amtszeit als Präsident zu kandidieren.

Wieder verurteilt die ECOWAS den Putsch mit scharfen Worten: Die Junta müsse die Macht binnen sechs Wochen an eine zivile Regierung übergeben, andernfalls würden Sanktionen gegen das Land und seine neuen Machthaber erhoben.

Doch diese nehmen die Drohungen nicht ernst und lassen die Sechs-Wochen-Frist verstreichen. Erst acht Monate nach dem Putsch stellt Juntachef Doumbouya eine Rückkehr seines Landes zur verfassungsmäßigen Ordnung in Aussicht, allerdings erst "nach einer 39-monatigen Übergangsphase". Führende Junta-Mitglieder in Guinea wurden inzwischen mit Sanktionen belegt und unterliegen seitdem einem Reiseverbot innerhalb des Blocks. Doch diese Sanktionen seien für die Putschisten leicht zu verschmerzen, sagen Beobachter.

Burkina Faso: Keine Sanktionen gegen die Putschisten

Ouagadougou, 24. Januar 2022: In Burkina Faso stürzt eine Gruppe von Offizieren um Paul-Henri Sandaogo Damiba nach zweitägigen Meutereien Präsident Roch Marc Christian Kaboré. Auch hier die übliche Rhetorik: Die ECOWAS verurteilt den Umsturz.

Die routinierten Krisentreffen der ECOWAS-Staatschefs - hier im Januar 2022 - nehmen die Putschisten gelassenBild: IVORY COAST PRESIDENTIAL PRESS SERVICE/REUTERS

Sogleich stellen die neuen Machthaber "eine baldige Rückkehr zur Demokratie" in Aussicht. Doch das Versprechen wird bald zur Makulatur: Die Militärs sollten für eine Übergangszeit von drei Jahren im Amt bleiben, heißt es nur wenige Wochen später. Das Argument der Junta: Man müsse sich zunächst mit dem blutigen Aufstand von Dschihadisten auseinandersetzen.

Diesmal bleibt die ECOWAS untätig und verhängt - anders als in Mali und in Guinea - keine Sanktionen gegen die Putschisten.

Guinea-Bissau: ECOWAS-Schutztruppe für die Machthaber?

Bissau, 1. Februar 2022: Bewaffnete Soldaten stürmen ein Regierungsgebäude, in dem der zunehmend autokratisch regierende Präsident, Umaro Sissoco Embaló, eine Regierungssitzung abhält. Bei Gefechten zwischen der Präsidentengarde und Angreifern werden elf Menschen getötet.

Die Reaktion der ECOWAS fällt diesmal ganz anders aus: Vor allem auf Initiative des großen Nachbarlands Senegal beschließt die Gemeinschaft die Entsendung eines Stabilisierungskontingents von zunächst 631 Soldaten. "Eine Sondermaßnahme der ECOWAS für ein kleines, portugiesischsprachiges, zwischen Senegal und der Republik Guinea gelegenes Land", sagt der bissau-guineische Jurist Fodé Mané im DW-Interview und betont, dass es bisher noch keine offizielle Information gebe, was der genaue Zweck dieser Militärmission sei. Inoffiziell heißt es, die Soldaten, vornehmlich aus dem Senegal und aus Nigeria, sollten gewählte Regierungsmitglieder schützen. Auch hohe Staatsbedienstete sowie staatliche Gebäude und systemrelevante Infrastruktur sollten bewacht werden.

Guinea-Bissau im Ausnahmezustand: Präsident Umaro Sissoco Embaló mit Offizieren der Armee nach dem gescheiterten PutschBild: Präsidentschaft der Republik Guinea-Bissau

Nach Guinea-Bissau entsandte das Wirtschatsbündnis nach einem blutigen Militärputsch bereits zwischen 2012 und 2020 eine Stabilisierungstruppe. Bei anderen Putschstaaten bleiben Sanktionen das schärfste Schwert der Wirtschaftsgemeinschaft. Was sind die Gründe für dieses unterschiedliche Vorgehen, fragen sich viele Vertreter der Zivilgesellschaft, die dem Einsatz skeptisch gegenüberstehen. "Wir von der bissau-guineischen Zivilgesellschaft haben kein gutes Gefühl bei dieser Mission", sagt Jurist Fodé Mané. "Keiner hier glaubt, dass diese Stabilisierungstruppe unsere Probleme lösen wird."

Mané sieht in der neuen ECOMIB-Truppe weniger eine Friedens- und Stabilisierungsmission als vielmehr eine "Dienstleistung" der beiden einflussreichsten ECOWAS-Länder, die im Gegenzug "Unterwürfigkeit" erwarteten: "Für mich und viele andere Menschen ist dies keine ECOWAS-Truppe. Wir sehen hier Streitkräfte des Präsidenten Macky Sall aus dem Senegal und von Muhammadu Buhari aus Nigeria, die unter dem Deckmantel der ECOWAS ihren Freund in Guinea-Bissau beschützen wollen."

Messen mit zweierlei Maß?

Fodé Mané erinnert daran, dass die ECOWAS in der gesamten Region, nicht zuletzt durch den laschen Umgang mit den Putschisten in Mali, Burkina Faso und Guinea, massiv diskreditiert sei. Niemand könne nachvollziehen, warum der Regionalblock in Bezug auf die einzelnen Länder immer wieder mit zweierlei Maß messe.

Eine Kritik, die Oulata Gaho, ehemaliger Oberst der ivorischen Armee, im DW-Gespräch noch ausweitet: "Da die ECOWAS sich mehrheitlich aus frankophonen Staaten zusammensetzt, erwecken die Führer dieser Länder, die früher französische Kolonien waren, den Eindruck, dass der Élysée-Palast ihnen vorschreibt, wie sie die Probleme der Region zu lösen hat."

Das erklärt in den Augen des pensionierten Militärs das immer schlechtere Ansehen des Bündnisses: "Viele Menschen in Westafrika haben den Eindruck gewonnen, dass sich ihre Führer, sobald sie an der Macht sind, völlig von ihnen abkoppeln und gemeinsam mit der ECOWAS gegen die Interessen ihrer Völker anrudern." Das müsse sich ändern.

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