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Politik

Ecuador streitet über Spritpreise

Johan Ramírez
10. Juli 2022

Die Senkung der Treibstoffpreise bringt Quito in ein Dilemma: Um die Subventionen zu finanzieren, muss die Regierung entweder unpopuläre Maßnahmen im Land ergreifen oder einen Konflikt mit dem Währungsfonds riskieren.

Ecuador | Indigene beenden Generalstreik
Auf Vermittlung der katholischen Kirche haben Indigene am 30. Juni ihren Generalstreik in Ecuador beendetBild: Martin Bernetti/AFP/Getty Images

Die zwischen der ecuadorianischen Regierung und der mächtigen indigenen Bewegung erzielte Vereinbarung hat nach 18 Tagen Protesten wieder Ruhe ins Land gebracht. Beide Seiten haben Zugeständnisse gemacht und so den nationalen Streik beendet.

Zentrale Streitfrage waren die Spritpreise. Angesichts der festgefahrenen politischen Lage und des drohenden Chaos auf den Straßen versprach die Regierung von Präsident Guillermo Lasso, die Preise für Kraftstoffe um fünfzehn Cent zu senken.

Der Betrag liegt zwar weit unter den von der Dachorganisation der indigenen Bewegung CONAIE geforderten 50 Cent. Zusammen mit anderen Zusagen reichte die Absenkung jedoch aus, um eine Krise zu beenden, die unvorhersehbare Ausmaße anzunehmen drohte. 

Ecuador ist trotz Erdölförderung im eigenen Land und eigenen Rohölexporten abhängig von Ölimporten. Im Land sind nicht genügend Raffineriekapazitäten vorhanden. Der größte Bananenexporteuer kämpft mit hoher Verschuldung und finanzieller Abhängigkeit vom Weltwährungsfonds und China.

Unter Druck: Ecuadors Präsident und Banker Guillermo LassoBild: BOLIVAR PARRA/Ecuadorian Presidency/AFP

Wie lange reicht das Geld für Subventionen?

Nach dem Ende der Proteste stellt sich nun die Frage: Wie will die Regierung diese Subvention finanzieren? Und wird sie eine dauerhafte Lösung anbieten, um die Unzufriedenheit der Ecuadorianer auszuräumen?

"Warum haben wir diese Vereinbarung getroffen?", fragt Juan Carlos Holguín, Ecuadors Außenminister, in einem Exklusivinterview mit der DW in Quito. Und gibt sich die Antwort gleich selbst.

"Weil auch seitens der Vertreter der indigenen Bewegung verstanden wurde, dass wir mit Steuergeldern verantwortungsvoll umgehen müssen. Wir geben derzeit mehr als 3,3 Milliarden Dollar für die Subvention von Kraftstoffen aus. Ich denke also, dass es uns in dieser Vereinbarung gelungen ist, unsere Sichtweisen anzunähern, gleichzeitig aber auch einen Austausch über die gezielte Ausrichtung der Subventionen zu starten. Das wird sehr schwierig, aber wir werden das schaffen."

Atempause schaffen

Leonidas Iza, Präsident der CONAIE und prominentester Anführer des Generalstreiks, erklärte gegenüber der DW: "Wir fordern nicht, dass der Staat heruntergewirtschaftet wird. Wir haben nicht einmal eine definitive Senkung der Kraftstoffpreise gefordert. Wichtig ist, dass der Preis gesenkt wird, damit die Bürgerinnen und Bürger eine Atempause bekommen. Dann können wir uns zusammensetzen und die Möglichkeiten einer zielgerichteten Neugestaltung bewerten."

Mächtiger Gegenspieler: Indigenenanführer Leonidas Iza vor Anhängern in QuitoBild: Adriano Machado/REUTERS

Die Festlegung der Kriterien für diese eventuelle Neugestaltung der Subventionen, ihr Umfang und der Zeitplan dafür werden in den kommenden Wochen die Agenda der Regierung in Quito bestimmen. Nach Ansicht von Esteban Ron, Direktor der School of Law an der Internationalen Universität Quito, sollte diese Reform zwei Komponenten beinhalten: eine persönliche Variable für Kriterien begünstigter Bürger, und eine strategische Variable für Kriterien begünstigter Produktionssektoren (z. B. Landwirtschaft, Stein- und Blumenzucht).

Ron zieht auch eine andere Finanzierungsquelle in Betracht: "Mittelfristig muss die Regierung Haushaltsposten umschichten und diese gegenfinanzieren."

"Griff nach den Währungsreserven"

Kritiker befürchten, dass sich die Absenkung der Spritpreise auf den Staatshaushalt oder auf die Fähigkeit des Staates auswirken könnte, Verpflichtungen gegenüber dem Ausland oder ausländischen Institutionen nachzukommen.

Der indigene Anführer Leonidas Iza verweist auf eines der Hauptziele, die der IWF in der Vereinbarung mit der ecuadorianischen Regierung 2020 festgelegt hat: Währungsreserven in Höhe von 8,5 Milliarden Dollar anzulegen.

"Der Präsident muss verstehen, dass er für das ecuadorianische Volk regiert und nicht für den Internationalen Weltwährungsfonds (IWF)", ist er überzeugt. "Das Geld zur Finanzierung dieser Subvention kann den Währungsreserven entnommen werden".

Dies sieht auch Wirtschaftsexperte José Emilio Vásconez so: "Internationale Reserven oder Goldbarren sind in einer Welt nach Corona, die einen wirtschaftlichen Aufschwung braucht, meiner Ansicht nach ungenutztes Geld."

Andere Maßnahmen wie die Kürzung der öffentlichen Ausgaben lehnt Vásconez ab, da dies die ohnehin schon strapazierten Versorgungsleistungen weiter beeinträchtigen würden.

Auch eine Erhöhung der Zinssätze hält der Experte nicht für machbar, da Kredite für Investitionen in Ecuador bereits sehr teuer sind. Aus diesem Grund beobachtet er die internationalen Umschwünge genau.

Angst vor neuen Unruhen

"Der Griff nach den Währungsreserven wird in den Augen des IWF einen Preis haben", meint Wirtschaftsexperte Vásconez. "Die Regierung muss in einer wirtschaftspolitischen Entscheidung wählen, ob sie die sozialen Sektoren der Gesellschaft oder den IWF verärgern will. Und ich glaube, dass der IWF in dieser Phase flexibler sein wird, weil er keinen weiteren gescheiterten Plan in Lateinamerika haben will.

Auf jeden Fall steht die Regierung von Ecuadors Präsident Lasso vor einer Verpflichtung, die sie einhalten muss, da sonst, wie die CONAIE bereits gewarnt hat, die indigene Bevölkerung erneut auf die Straße gehen wird. Die kommenden Tage werden für die Staatskasse Ecuadors entscheidend sein.

Aus dem Spanischen adaptiert von Gabriel Gonzalez.

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