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Politik

Ecuadors wundersame Wahlen

Ofelia Harms Arruti
3. April 2017

Kampf der Machos: Nach der Präsidentschaftswahl in Ecuador ficht die Opposition das Ergebnis an. Sie wirft dem nationalen Wahlrat "Betrug" vor und fordert eine Neuauszählung der Stimmen. Aus Quito Ofelia Harms Arruti.

Ecuador Wahlen
Bild: Reuters/M.Bazo

"Ich lebe seit Oktober in einer anhaltenden Agonie", sagt Adriana Noboa, die Ecuadors Präsidentschaftswahlen aus nächster Nähe verfolgt hat. Gemeint ist der anhaltende Streit über die Auszählung der Stichwahl vom vergangenen Sonntag, bei der sich der Regierungskandidat Lenin Moreno mit einem knappen Vorsprung von 51 Prozent gegen seinen konservativen Herausforderer Guillermo Lasso durchsetzte.

Nach den Wahlen in Ecuador

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Wie bereits beim ersten Wahlgang am 19. Februar dieses Jahres fordern die Anhänger Lassos eine erneute Auszählung der Stimmen. Sie werfen dem Wahlrat Ecuadors mehrere Verstöße gegen das geltende Wahlrecht vor. Auch wenn die Wahl vorbei ist, die Auseinandersetzungen über den Urnengang halten an. Und die Glaubwürdigkeit des nationalen Wahlrates ist dahin.

Ideologische Grabenkämpfe

Gegensätzlicher hätten die beiden politischen Kontrahenten nicht sein können. Der ehemalige Banker Guillermo Lasso verkörpert die ecuadorianische Oligarchie, ist Mitglied der katholischen konservativen Laienorganisation Opus Dei und verfolgt ein neoliberales Wirtschaftsmodell. Regierungskandidat Lenin Moreno sitzt im Rollstuhl und will die "Bürgerrevolution" von Präsident Rafael Correa fortsetzen.

Wahlsieger Lenin Moreno mit seinem markierten WahlzettelBild: picture alliance/dpa/AP/D. Ochoa

In den Meinungsumfragen hatten beide ungefähr die Hälfte der Wählerschaft auf ihrer Seite. Von den mehr als zwölf Millionen Wahlberechtigten wünschten sich fast 50 Prozent einen Regierungswechsel. Lasso war für viele nicht die bessere Wahl, sondern das kleinere Übel. Denn vom "Correísmo" zeigten sich große Teile der Bevölkerung enttäuscht.

Zehn Jahre lang regierte Präsident Rafael Correa das kleine lateinamerikanische Land. Der Wirtschaftswissenschaftler sorgte zum ersten Mal seit vielen Jahrzehnten für politische Stabilität. Kaum ein Präsident hatte es in den Jahren davor geschafft, ein ganzes Mandat zu Ende zu regieren. Correa bekämpfte die Armut mit Sozialprojekten und sorgte lange Zeit für wirtschaftlichen Aufschwung.

Herausforderer Guillermo Lasso prangert Verstöße gegen Wahlgesetze anBild: picture alliance/AP Images/AP Photo/D. Ochoa

Ölpreisverfall und Erdbeben

Doch nach dem Verfall des Ölpreises geriet der Aufschwung ins Stocken. Hinzu kam das schwere Erdbeben im April 2016. Das Land sank in eine schwere Krise. "Nie hat Correa die Ausgaben gekürzt und an den weltweiten Verfall des Erdölpreises angepasst", erklärt Felipe Burbano, Politologe der Universität FLACSO. Dann wurden auch noch mehrere Korruptionsskandale seiner Regierung bekannt. Diese überschatteten zuletzt auch den Wahlkampf seines Kandidaten.

Trotzdem konnte sich Moreno in der zweiten Wahlrunde mit über 51 Prozent der Stimmen durchsetzen. Lasso blieb mit weniger als 49 Prozent auf Platz zwei. Dramatischer als Lassos Niederlage ist jedoch der Vertrauensverlust der Wähler in die Wahlgesetze ihres Landes.

Noch vor der Stichwahl am Sonntag hatte der ecuadorianische Wahlrat behauptet, er werde mit der Veröffentlichung von eingescannten Akten auf seiner Website die Transparenz der Wahlen sichern. Doch wie bereits beim ersten Wahlgang stürzte diese  bei der Durchzählung der Wahlakten erneut für über anderthalb Stunden ab.

Wunder auf der Webseite

Die Webseite ging offline, als gerade einmal 20 Prozent der Stimmen ausgezählt worden waren. Kurz vor acht Uhr abends, als die ersten offiziellen Ergebnisse bekannt gegeben wurden, war der "Fehler" dann behoben. Und wie durch ein Wunder waren dann auch schon über 90 Prozent der Akten geprüft worden.

Kein Wunder also, dass sich die Opposition empört zeigt. "Wir bleiben hier, bis jede einzelne Stimme neu gezählt wird", schrien Lasso-Anhänger vor der Zentrale des Wahlrates in Quito. Seit Sonntag Abend protestieren sie auf der Straße.

Wahlexperte Fausto Camacho war noch unter der Regierung von Präsident Correa Vorstandsmitglied im Wahlrat. Heute leitet er eine Bürger-Beobachtungsstelle. Aus seiner Sicht verstößt der Wahlrat gegen geltendes Gesetz.

Proteste nach Präsidentschaftswahl

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"Normalerweise müsste es drei Exemplare der Akten in jedem Wahllokal geben", erklärt er. "Der Rat hat in dieser Wahl entschieden, nur zwei zu präsentieren, und eine davon ist keine richtige Akte, sondern nur eine Zusammenfassung", so Camacho. In der Zusammenfassung werden nur Ziffern aufgeschrieben, die normalerweise in schriftlicher Form bestätigt werden müssten. "So vermeidet man, dass eine Null auf einmal zu einer Acht wird."

Obwohl Camacho's Beobachtungsstelle diesen und auch andere Verstöße bereits beim ersten Wahlgang angezeigt hatten, wurde er von den Behörden ignoriert. Die Wahl ist vorbei, gelaufen ist sie aber noch lange nicht. Die Opposition versichert, sie werde gegen den "Betrug" bis zur letzten Instanz klagen. Adriana Noboa's Agonie findet wohl noch immer kein Ende.

 

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