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Eemshaven: Der letzte Liegeplatz des Autotransporters

Dirk Kaufmann
3. August 2023

Der vor der niederländischen Insel Ameland havarierte und mittlerweile gelöschte Autotransporter Fremantle Highway ist nach Eemshaven geschleppt worden. Wo liegt das und warum scheint es dafür geeignet?

Beschädigter Frachter Fremantle Highway in Eemshaven
Der fast gelöschte Autofrachter Fremantle Highway wird an seinen wohl letzten Liegeplatz geschlepptBild: VINCENT JANNINK/ANP/IMAGO

Ein Hafen ist ein Ort an einem schiffbaren Fluss oder einer Meeresküste, an dem Schiffe anlegen können. Dort gibt es Kapazitäten, Fracht zu löschen oder aufzunehmen oder Menschen zu befördern. Dazu gehört auch eine funktionierende Verkehrs-Infrastruktur und eine Stadt oder ein kleinerer Ort als Verbindung ins Hinterland.

Das trifft auch auf Eemshaven zu - nur dass es dort keinen Ort gibt und auch keine Bewohner: Eemshaven dient rein wirtschaftlichen Zwecken. Das betrifft vor allem die Energieversorgung der Niederlande durch Stromgewinnung in Kraftwerken, mit Windrädern und Solaranlagen und die Versorgung von Offshore-Windparks. Einziger "ziviler" Zweck Eemshavens sind Fährverbindungen. Passagiere können, teilweise auch mit Fahrzeugen, zur deutschen Nordseeinsel Borkum sowie nach Kristiansand in Norwegen übersetzen.

Eine ganz kurze Geschichte

Eemshaven existiert seit den frühen 1970-Jahren und wird seither beständig erweitert. Er wurde auf einem eingedeichten und so künstlich verlandeten Stück Meeresbodens, einem sogenannten Polder, errichtet. Der Hafen ohne Stadt gehört zur Gemeinde Het Hogeland in der Provinz Groningen, die mit nur 48.000 Einwohnern die flächenmäßig größte Gemeinde der Niederlande ist.

Der Name des Hafens kommt von seiner Lage: Er liegt an der Mündung des nordwestdeutschen Flusses Ems (niederländisch: Eems) in die Nordsee. Zwischen der Ems und der offenen See liegt der Dollart. Diese Meeresbucht bildet heute den nördlichen Teil der Grenze zwischen Deutschland und den Niederlanden.

Der niederländische westliche Teil steht unter Naturschutz, das östliche Gebiet gehört zu Deutschland, ist ebenfalls Natur- und EU-Vogelschutzgebiet und gehört zum Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer. Der Dollart genießt daher höchsten Schutz. Vor rund 60 Jahren war dort - allerdings vergeblich - nach Erdgas gebohrt worden.

Eemshaven von See: das Gaskraftwerk Magnum und das Kohlekraftwerk Eemshaven von RWEBild: Jochen Tack/picture alliance

Mit größter Vorsicht

Trotz der aus Umweltschutzperspektive betrachtet prekären Lage, ist Eemshaven für die Fremantle Highway ein perfekter Fluchthafen. Die Wassertiefen von bis zu 15,5 Metern erlauben ein Vertäuen des Schiffes am Kai. Von dort haben die Feuerwehren und Brandbegutachter einen guten und sicheren Stand für die weiteren Untersuchungen.

Außerdem kann die Ladung - Autos verschiedener Größen - nach dem endgültigen Löschen der Brandherde an Land gebracht und entsorgt werden. Sollte das Schiff dabei auseinanderbrechen oder sinken, kann das Wrack bei der relativ geringen Wassertiefe wieder geborgen werden.

Die Lage im Hafen macht es auch sehr viel einfacher, Umweltschäden durch austretendes Öl zu vermeiden: Ein Hafenbecken kann nämlich, wenigstens an der Wasseroberfläche und so an der im Havariefall besonders neuralgischen Zone, abgeschlossen und die Öle abgesaugt werden, weil kein Seegang dieses Manöver behindern würde. Etwaige Verschmutzungen wären auf das Hafengebiet beschränkt, das geschützte Ökosystem Wattenmeer bliebe verschont.

Hinzu kommt, dass ein Unglück in Eemshaven keine unbeteiligte Bevölkerung gefährden würde, weil es ein unbewohntes Industriegebiet ist. Die ansässigen Unternehmen selbst halten Feuerwehren mit Geräten und Knowhow bereit, die mit einer solchen Situation umgehen können.

"Hollands Steckdose" im Großen und im Kleinen: Autoladestation im Fährhafen von EemshavenBild: Jochen Tack/picture alliance

Hollands Energiestandort Nummer Eins

Eemshaven wird im Volksmund spöttisch aber treffend als "Steckdose von Holland" bezeichnet. Ein Blick auf den Hafen von der Seeseite zeigt, warum: Man sieht von Eemshaven nichts als Windräder, Kühltürme und Kraftwerke. Vom Fährbetrieb abgesehen legen hier hier keine "zivilen" Schiffe an oder ab, Sportbootverkehr gibt es gar nicht.

Hier befindet sich die Konverterstation für das 580 km lange Seekabel von NorNed, das das norwegische und das niederländische Stromnetz verbindet. Das belgische Energieunternehmen Engie Electrabel betreibt hier das Gas-und-Dampf-Kombikraftwerk Eemscentrale. Für das niederländische Unternehmen Nuon erzeugt das Kraftwerk Magnum seit 2013 Strom. Der deutsche Energieversorger RWE unterhält hier ein Kohlekraftwerk, das "Kraftwerk Eemshaven". Im Gespräch war auch, auf dem Gelände ein Atomkraftwerk zu bauen, doch dieser Plan wurde im Dezember 2022 vom Klima- und Energieministerium der Niederlande wieder ad acta gelegt.  

Der beschädigte Autofrachter Fremantle Highway kommt in Eemshaven anBild: Peter Dejong/AP/picture alliance

Seit rund 30 Jahren wird Eemshaven auch als Standort für Windenergieanlagen,  beispielsweise den  Windpark Westereems, genutzt. Der Hafen dient als Bau-, Lager- und Basis-Station für Offshore-Windenergieanlagen: So wurden von hier bereits - laut dem Online-Lexikon Wikipedia - 16 Offshore-Windparks errichtet. Außerdem ist Eemshaven Wartungs- und Servicepunkt für verschiedene Windparks in der südwestlichen Nordsee mit insgesamt mehr als 300 Anlagen. Außerdem werden in Eemshaven die im deutschen Papenburg (Meyer-Werft) gebauten Kreuzfahrtschiffe vor der Auslieferung an die Kunden ausgerüstet.

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