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Eher Fakten statt Stimmungen

Nina Werkhäuser19. Januar 2005

Der Nachrichtensender Al Arabija ist zu einer wichtigen Stimme in der arabischen Welt und zur Konkurrenz für Al Dschasira geworden. Nina Werkhäuser hat mit dem Nachrichtenchef Nabil Chatib über Medienfreiheit gesprochen.

Konkurrenz für Al DschasiraBild: dpa

Al Arabija ist Teil der privaten MBC-Gruppe, die arabischen Unternehmern gehört, allen voran dem saudischen Geschäftmann Walid al Ibrahim. Moderner und technisch besser ausgestattet könnte kein Sender sein - Al Arabijas Sendezentrale liegt in der edlen "Media City" in Dubai, Tür an Tür mit CNN, Reuters und anderen weltumspannenden Medienunternehmen. Der Vorteil des Standorts liegt für Nachrichtenchef Nabil Chatib auf der Hand: Die maximal erreichbare Freiheit von staatlicher Einflussnahme in der arabischen Welt. Aber das heißt noch lange nicht, dass der Privatsender Al Arabija frei berichten kann.

Kein freier Zugang zu Informationen

Chatib erklärt den Unterschied zwischen der Gründung eines modernen, unabhängigen Medienunternehmens und der gesellschaftlichen Realität in arabischen Ländern. "Wenn wir die Wirklichkeit abbilden wollen, dann müssen unsere Korrespondenten frei berichten können, in Marokko, Ägypten, Saudi-Arabien, Palästina, im Libanon, überall. Was diesen Punkt angeht sind wir aber blockiert, denn dort gibt es keine wirklich freie Presse und keinen freien Zugang zu Informationen."

Blick in den Regieraum des arabischen Nachrichtensenders Al ArabijaBild: dpa

Der Al Arabija-Korrespondent in Algier hat zum Beispiel seit einigen Monaten Berufsverbot, weil er in seiner Berichterstattung den Wahlsieg des Konkurrenten von Präsident Abdelazziz Bouteflika für möglich erklärt hatte. Im Irak sind acht Mitarbeiter von Al Arabija ums Leben gekommen, außerdem wurde das Korrespondentenbüro für vier Monate von der Regierung geschlossen.

Es sei falsch, die Medien in der arabischen Welt nach westlichen Maßstäben zu beurteilen, Nabil Chatib. In keinem arabischen Land gebe es ein Gesetz, das die Regierung oder Behörden zur Auskunft gegenüber Journalisten verpflichte. Außerdem fehle der soziale Schutz-Mechanismus, wenn Journalisten sensible Informationen veröffentlichten.

Zwei Jahre erfolgreicher Arbeit

Immerhin ist der Erfolg des erst zwei Jahre alten Privatsenders Al Arabija schon ein Beleg für den Bedarf nach einer größeren Informationsvielfalt. Und so grenzt sich Al Arabija auch deutlich vom 1996 gegründeten Sender Al Dschasira ab, der dem Emirat Katar gehört. Nabil Chatib hält Al Dschasira für populistisch, um populär zu sein. Er sagt weiter: "Viele Araber sind wütend, weil es keine Demokratie gibt, weil sie keine Arbeit haben, wegen des israelisch-palästinensischen Konflikts und vielen anderen Dingen. Sie sind wütend und frustriert. Entweder geht man rational damit um, oder man erzählt den Leuten, was sie hören wollen, um ihre Wut noch zu steigern. So macht es Al Dschasira, und sie sind glücklich damit."

Eingang des arabischen Nachrichtensenders Al ArabijaBild: dpa

Al Arabija orientiere sich dagegen mehr an Fakten als an Stimmungen und lege Wert auf eine neutralere Wortwahl, betont Chatib: "Bei Al Dschasira ist jeder getötete Palästinenser ein 'Märtyrer', bei uns aber nicht. Getötete Iraker werden bei Al Dschasira auch nicht 'Märtyrer' genannt, nur Palästinenser. Das ist verwirrend für die Iraker und für alle anderen, deswegen lehnen wir diesen Ausdruck ab."

Dialog der Kulturen

Dafür nehme Al Arabija auch in Kauf, dass der Sender in den Palästinensergebieten nicht so populär sei wie Al Dschasira, sagt Chatib, selbst Palästinenser, und nennt weitere Regeln der Berichterstattung. So strahle Al Arabija keine Videos von Terroristen aus. "Unsere Redaktion hat entschieden, keine Videobotschaften in voller Länge auszustrahlen. Wir senden nur die Auszüge, die einen Nachrichtenwert haben."

Senderaum des arabischen Nachrichtensenders Al ArabijaBild: dpa

Sehr genau beobachtet Chatib auch, wie sich die Kontakte der arabischen zur westlichen Welt entwickeln. Ein Teil der Gesellschaft in den arabischen Ländern wolle eine Öffnung und den Dialog mit dem Westen, ein anderer Teil halte diesen Weg für sinnlos. Die letzte Gruppe sei zwar die kleinere, aber die lautstärkere und radikalere. "Innerhalb der arabischen Welt spielt sich ein Kampf ab" erklärt Chatib. "Während im Westen mehr Toleranz und mehr Verständnis für die Bedeutung dieses Dialogs da ist, ist diese Frage hier noch nicht entscheiden. Es gibt Leute, die sich diesen Dialog wünschen, und andere, die dagegen kämpfen. Dieser Kampf ist noch nicht ausgestanden."

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