Die Schauspielerin pendelt zwischen französischer und internationaler Filmkultur. Dabei beweist sie ein sicheres Gespür bei der Auswahl ihrer Regisseure. Die deutschen Filmemacher haben sie noch nicht entdeckt.
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Die Filme der Juliette Binoche
Beim Europäischen Filmpreis wird auch ein besonders "beeindruckendes Engagement" fürs Kino ausgezeichnet. Der Ehrenpreis geht an die französische Schauspielerin Juliette Binoche. Wir stellen ihre wichtigsten Filme vor.
Bild: Barbara Sax/AFP/Getty Images
Europas Strahlkraft: Juliette Binoche
Der Europäische Filmpreis blickt nicht nur auf die europäischen Film-Höhepunkte des Jahres. Außer der Ehrung fürs Lebenswerk, die in diesem Jahr an den Regisseur Werner Herzog geht, gibt es auch einen Preis, der auf "außereuropäische" Auftritte von Schauspielern und Filmemachern schaut. 2019 also ist die Französin Juliette Binoche die Glückliche, die diesen wichtigen Preis entgegennehmen darf.
Bild: Barbara Sax/AFP/Getty Images
Beginn: "Rendez-Vous" (1985)
Die 1964 in Paris geborene Schauspielerin war zunächst fest verwurzelt im heimischen Kino. Nach ersten Erfahrungen beim Theater spielte sie Nebenrollen bei bekannten französischen Regisseuren: Jean-Luc Godard, Jacques Doillon oder André Téchiné. Hier ist sie in einer Szene aus Téchinés Film "Rendez-Vous" zu sehen. Sie spielt eine junge Schauspielerin vom Land, die in Paris nach Erfolg sucht.
Bild: picture-alliance/Mary Evans
Engagiert: "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" (1988)
Schon vier Jahre später ist Binoche angekommen im Weltkino. An der Seite von Daniel Day-Lewis ist sie in der meisterhaft in Szene gesetzten Literaturverfilmung "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" zu sehen. Die amerikanische Produktion von Regisseur Philip Kaufman blendet - nach der Vorlage des Romanciers Milan Kundera - in das Umbruchjahr 1968 in Prag zurück.
Bild: picture alliance/United Archives/IFTN
Kultfilm "Die Liebenden von Pont-Neuf" (1991)
Anfang der 1990er Jahre dann wirkte Juliette Binoche in einem der Kultfilme dieses Jahrzehnts mit: in Leo Carax' "Die Liebenden von Pont-Neuf" an der Seite von Denis Lavant. Auch dieser Film trug dazu bei, dass die französische Schauspielerin schon in einem frühen Karrierestadium zum Star aufstieg - weil sie ein überaus gutes Gespür für ihre Rollenauswahl besaß.
Bild: picture-alliance
Philosophisch: "Drei Farben Blau" (1992)
Das bewies sie wiederum zwei Jahre später erneut - diesmal bei einem polnischen Regisseur: Krzysztof Kieślowski. Auch in diesem verrätselten wie philosophischen Film, "Drei Farben Blau", vereinte sie ihre schlichte Eleganz und Schönheit mit tiefer Ausdruckskraft und variablem Spiel. Binoche war in jenen Jahren ein Top-Star des europäischen Kinos.
Bild: picture alliance/United Archives
Oscarreif: "Der englische Patient" (1996)
1996 kletterte die Französin dann auf eine weitere Sprosse ihrer Weltkarriere, sie bekam ihren ersten Oscar. In der vielfach ausgezeichneten Literaturverfilmung "Der englische Patient" gewann sie für ihre Rolle als Krankenschwester Hana - als eine der wenigen ausländischen Schauspielerinnen in der Geschichte der Academy Awards - den Oscar als beste Nebendarstellerin.
Bild: imago/Entertainment Pictures
Hintergründig: "Caché" (2004)
Nach einigen leichteren Filmen, darunter die charmante Komödie "Chocolat" mit Johnny Depp, arbeitete Juliette Binoche zu Beginn des neuen Jahrtausends zweimal mit Regisseur Michael Haneke zusammen. Besonders eindrucksvoll geriet ihr Auftritt in "Caché" an der Seite von Filmpartner Daniel Auteuil. Die beiden spielen ein bürgerliches Ehepaar, das von der Vergangenheit des Mannes eingeholt wird.
Bild: picture-alliance/KPA
Blickpunkt Iran: "Shirin" (2008)
Eine Art filmisches Experiment und ein weiterer Beleg für die sorgsame Auswahl der Schauspielerin in Sachen Regie war im Jahr 2008 der Film "Shirin". Inszeniert vom Iraner Abbas Kiarostami, zeigt das Werk vor allem die ausdrucksstarken Gesichter im Publikum einer Theateraufführung. Es sind vor allem iranische Darsteller, die "Shirin" prägen - aber eben auch die Französin Juliette Binoche.
Bild: Coffecinema
Gewagt: "Das bessere Leben" (2011)
Nach einem weiteren Film mit Abbas Kiarostami folgte die Zusammenarbeit mit der Polin Małgorzata Szumowska. In "Das bessere Leben" spielt die Schauspielerin eine Journalistin, die bei einer Recherche zum Thema Prostitution mit dem eigenen Ich, ihren Ängsten und Bedürfnissen konfrontiert wird. Ein weiterer mutiger Auftritt der Binoche, die in der Rolle viel von sich preisgibt.
Bild: ZORRO FILM
Düster: "Cosmopolis" (2012)
In dem Film "Cosmopolis" von Kanadas Regiestar David Cronenberg hatte Juliette Binoche 2012 einen weiteren Auftritt, in dem sie auch ihre erotische Ausstrahlung ausspielen konnte. Der Film, der zu großen Teilen in der Luxus-Limousine eines von Robert Pattinson gespielten Milliardärs aufgenommen wurde, ist die französische Darstellerin eine von mehreren Gästen während einer Fahrt durch New York.
Bild: picture-alliance/dpa
Freizügig: "Un beau soleil intérieur" (2017)
Um Beziehungen, Partnerschaften und Sexualität geht es auch in dem vor drei Jahren gedrehten Film "Un beau soleil intérieur" ("Meine schöne innere Sonne"). Binoche spielt dort eine alleinstehende Malerin in Paris, die Mutter einer Tochter ist. Eine starke Frauenrolle in einem Film von einer der wichtigsten französischen Regisseurinnen der Gegenwart: Claire Denis.
Bild: Filmfest München/S&L Medianetworx GmbH
Star-Duo: "La Vérité" (2019)
Ihren bislang letzten großen Auftritt hatte Juliette Binoche im vergangenen September, als sie gemeinsam mit Catherine Deneuve die Filmfestspiele in Venedig eröffnete. Der Film "La Vérité" war zum Auftakt des Festivals am Lido zu sehen und zeigte die zwei großen französischen Schauspielerinnen aus zwei unterschiedlichen Generationen im Duett. Regie führte diesmal ein Japaner: Hirokazu Kore-eda.
Ob ein japanischer Regisseur, ein iranischer, ein britischer, kanadischer oder amerikanischer - Juliette Binoche arbeitet mit den Großen des Weltkinos zusammen. Vor allem auch diese international ausgerichtete Karriere hat die Jury des Europäischen Filmpreises bewegt, die Schauspielerin im Jahre 2019 mit dem "Preis für die beste europäische Leistung im Weltkino" auszuzeichnen.
Bild: picture-alliance/dpa
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Natürlich, Juliette Binoche ist eine französische Schauspielerin, fest verankert in der Kinoszene ihres Heimatlandes. Seit Mitte der 1980er Jahre hat sie mit vielen wichtigen französischen Regisseuren zusammengearbeitet: ganz am Anfang mit Altmeister Jean-Luc Godard, später mit Jacques Doillon, André Téchiné, Leos Carax, Louis Malle, Olivier Assayas, zuletzt mit Bruno Dumont und Claire Denis.
Binoche arbeitet mit der Crème de la Crème des internationalen Kinos
Doch dieses "Who is Who" des französischen Kinos wird fast noch übertroffen von der Auswahl der internationalen Regisseure des Weltkinos, für die sie vor der Kamera stand. Und mit denen sie offenbar unbedingt arbeiten wollte, was für ihren Filmgeschmack und ihre Kenntnisse der internationalen Kinoszene spricht. Als da wären: die Amerikaner Philip Kaufman und Abel Ferrara, die Briten Mike Figgis und Anthony Minghella, der Ire John Boorman, Krzysztof Kieślowski und Małgorzata Szumowska aus Polen, die Belgierin Chantal Akerman, der Österreicher Michael Haneke, der Israeli Amos Gitai, der Taiwanese Hou Hsiao-Hsien, der Iraner Abbas Kiarostami, die Spanierin Isabel Coixet.
Man muss diese Regisseure nicht alle mit Namen und Vita kennen - die eindrucksvolle Liste zeigt aber: Juliette Binoche kennt sich aus im internationalen Filmgeschäft, und weiß offenbar ganz genau, wohin sie will mit der Wahl ihrer Rollen und ihren Auftritten. Das hat sie zur "ersten europäischen Schauspielerin mit Preisen auf den drei wichtigsten Festivals der Welt" gemacht, wie die Berliner Filmfestspiele im Februar betonten, als Binoche der Berlinale-Jury als Chefin vorstand.
Vielfach geehrt auf Festivals und bei Filmpreisverleihungen: Juliette Binoche
In Berlin, Cannes und Venedig wurde sie also schon ausgezeichnet. Darüber hinaus gewann sie mehrere Europäische Filmpreise, Césars und auch einen Oscar - für die beste Nebenrolle in dem modernen Kinoklassiker "Der englische Patient". Jetzt folgt also auch noch die große Ehrung der Europäischen Film-Akademie.
Juliette Binoche, geboren 1964 in Paris, dürfte neben Isabelle Huppert heute die bekannteste französische Schauspielerin ihrer Generation sein. Frühe Filme wie "Die Liebenden von Pont-Neuf" haben sie schnell weltbekannt gemacht. Gedreht hat sie aber auch leichtere Kost wie "Chocolat" oder "Jet Lag".
Und auch wenn man sie in ihrer Heimat Frankreich schon mal als "Frau mit tausend Gesichtern" beschreibt, weil sie so viele unterschiedliche Frauenfiguren dargestellt hat, so erkennt man die Binoche auf der Leinwand doch immer wieder als Schauspielerin mit starker Persönlichkeit.
Während der Karriere zeigte sich Juliette Binoche auch wandlungsfähig
Ihre Spezialität sind eher schwierige, grüblerische Charaktere, aber auch Frauen, die brüsk zwischen erotischer Ausstrahlung und einem schroffen Auftreten wechseln. Noch vor ein paar Jahren, als jedes Jahr zwei bis drei Filme mit Binoche in die Kinos kamen, schien es so, als ob man ihr ein wenig überdrüssig werden könnte. Ein gewisser Hang zum manierierten Auftritt ist manchmal nicht zu übersehen.
Doch auch diese Phase hat sie überwunden - in einer überdrehten Komödie wie "Die feine Gesellschaft" verstand sie es vor drei Jahren trefflich mit dem eigenen Image zu spielen. Das zeugte von Größe.
Man darf also gespannt sein auf die Zukunft der Binoche. Wird sie weiter zwischen französischen Regisseuren und internationalen Filmemachern hin- und herpendeln? Wir sie wieder einmal in einem Hollywood-Film zu sehen sein? Und, auch diese Frage muss erlaubt sein, wann wird sie mit einem der bekannten deutschen Regisseure zusammenarbeiten? Zunächst aber einmal: Herzlichen Glückwunsch zum Europäischen Filmpreis 2019 in Berlin!