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Tumornester bei Eierstockkrebs erkennen

Gudrun Heise
4. Februar 2022

Eierstockkrebs gehört zu den aggressivsten Tumoren der weiblichen Geschlechtsorgane. Aber krankes Gewebe und dessen Ausdehnung einzuschätzen, ist schwierig. Ein Fluoreszenzfarbstoff soll dabei helfen.

Eierstockkrebs - Eierstock weiblichen Körper mit Tumor und zusätzlich als Vergrößerung
Eierstockkrebs bildet oft sogenannte Tumorzellnester, Mikrometastasen Bild: imago images/Science Photo Library

Eierstockkrebs, das Ovarialkarzinom, ist die dritthäufigste bösartige Erkrankung der weiblichen Geschlechtsorgane.Laut des Zentrums für Krebsregisterdaten des Robert-Koch-Instituts gab es im Jahr 2018 etwa 7300 Neuerkrankungen, und mehr als 5300 der Patientinnen sind an Eierstockkrebs verstorben.

Ein Fluoreszenzfarbstoff zeigt krankes Gewebe

In den USA hat die amerikanische Arzneimittelmittelbehörde FDA (Food and Drug Administration) jetzt einen neuartigen Fluoreszenzfarbstoff zugelassen. Er soll dem Chirurgen während der Operation dabei helfen, Krebszellnester in der Bauchhöhle zu erkennen.

Bei Eierstockkrebs produziert der Körper mehr eines bestimmten Proteins in den Zellmembranen, den sogenannten Folatrezeptor. An diese Proteine bindet der Farbstoff Cytalux. Unter einem Nahinfrarot-Fluoreszenz-Bildgebungssystem leuchten diese Bereiche auf.

Bei der Phase-3-Studie wurde 134 Frauen im Alter von 33 bis 81 Jahren vor der Operation Cytalux intravenös verabreicht. "Der Fluoreszenzstoff reichert sich in den Eierstockkrebszellen an. Während der Operation wird dann ein spezielles Fluoreszenzlicht eingeschaltet, und man kann kleine Tumorzellnester in der Bauchhöhle besser erkennen, erklärt Susanne Weg-Remers vom Krebsinformationsdienst des DKFZ, des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg.

Cytalux wird mit einem Nahinfrarot-Fluoreszenz-Bildgebungssystem verwendet und bringt krankes Gewebe so quasi zum Leuchten. Die Patientinnen wurden sowohl unter normalem als auch unter Fluoreszenzlicht mit Cytalux untersucht. Die Operateure entdeckten mit dem neuen Verfahren bei 26,9 Prozent der Frauen mindestens eine krebsartige Läsion, die mit bloßem Auge oder über Tastbefund nicht zu erkennen war.

Eierstockkrebs kann in die Bauchhöhle streuen

Lautet die Diagnose Ovarialkarzinom, ist eine Operation meist unumgänglich und damit die Entfernung der Eierstöcke und Eileiter sowie weiterer, vom Tumor befallener Gewebe. Bei einem solchen Eingriff ist es für die Chirurgen oft ein Problem, die Ausdehnung des Tumors zu erkennen, um dann entscheiden zu können, wie viel Gewebe sie in welchen Bereichen entfernen müssen.

"Die Eierstöcke liegen im Unterleib relativ offen in der Bauchhöhle", erläutert Weg-Remers. "Der Krebs hat leichtes Spiel, denn er wird kaum durch andere Organe begrenzt und hat Zeit genug, sich auszudehnen. Da in der Bauchhöhle genug Platz ist, kann sich der Tumor oft ausbreiten, bevor die Patientin Beschwerden bekommt."

Es gibt zunächst keine signifikanten Symptome

Zu Beginn der Erkrankung kann die Patientin an Beschwerden wie unbestimmten Verdauungsbeschwerden leiden, an Völlegefühl oder Blähungen. Müdigkeit und Erschöpfung können hinzukommen, genauso wie Blutungen außerhalb der Monatsregel.

Die Gynäkologin oder der Gynäkologe klären, ob es sich um Eierstockkrebs handelt. Dazu tasten sie die Eierstöcke ab und machen eine Ultraschalluntersuchung über die Scheide. Wenn der Verdacht auf Eierstockkrebs besteht, wird eine Bauchspiegelung gemacht, um die Diagnose zu bestätigen und Gewebeproben für die feingewebliche Untersuchung zu entnehmen. 

In den meisten Fällen erfolgen eine solche Untersuchung und die entsprechende Diagnose recht spät, wenn der Tumor schon fortgeschritten ist. "Eierstockkrebs erkennen eine Ärztin oder ein Arzt häufig erst, wenn er nicht mehr nur auf die Eierstöcke begrenzt ist, sondern bereits in die Bauchhöhle gestreut hat. Bei einer nachfolgenden Operation könnte die neue Methode mit Fluoreszenzfarbstoff dabei helfen, die Tumorzellnester zu erkennen", sagt Weg-Remers. Sieht der Chirurg diese Metastasen deutlich, kann er sie großflächig entfernen.

Die Bauchhöhle ist ein kompliziertes Areal

Wenn der Chirurg die Bauchhöhle eröffnet hat, zeigt sich ein recht unübersichtliches Gebiet. Dort liegen die Darmschlingen und die Oberbauchorgane, die Leber, die Milz und der Magen. "Man muss all dieses genau untersuchen und schauen, ob es dort irgendwo verdächtige Areale gibt. Es ist also nachvollziehbar, dass dies durch eine Methode erleichtert wird, die verbliebene Tumorzellen sichtbar macht," sagt Weg-Remers.

Aber auch die neue Fluoreszenzmethode zum Aufspüren von Tumorzellen hat ihre Grenzen. "Die Daten aus der Studie haben gezeigt, dass damit zwar mehr, aber offenbar nicht alle Tumorzellennester entdeckt werden können. Es gab auch solche, die sich nicht angefärbt haben. Im Gegenzug haben die Operateure mit der Fluoreszenzmethode in einigen Fällen auch Gewebe entnommen, das gutartig war und keine Tumorzellen enthielt, aber trotzdem eingefärbt war. Die Untersuchung hat also ein falsch-positives Ergebnis gezeigt", gibt Weg-Remers zu bedenken.

In der Bauchhöhle kann sich Eierstockkrebs ungehindert ausbreitenBild: imago/Science Photo Library

Die Überlebenschancen bei Eierstockkrebs sind nicht gut

Die 5-Jahres-Überlebensrate ist bei allen Krebsarten ein wichtiges Kriterium. Bei Brustkrebs ist sie mit 87 Prozent mittlerweile sehr gut. "An zweiter Stelle stehen die Tumoren des Gebärmutterkörpers", erklärt Weg-Remers. "Auch da beträgt die Überlebensrate über siebzig Prozent. Dann folgen die Tumoren der Vulva mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von rund 70 Prozent. Gebärmutterhalskrebs liegt bei knapp über 60 Prozent. Eierstocktumoren haben bei den Organtumoren der weiblichen Geschlechtsorgane die schlechteste Prognose. Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt zwischen 40 und 50 Prozent."

Der Fluoreszenzfarbstoff ist nur in den USA zugelassen

Zurzeit sind es vor allem Chemotherapien, die nach einer Operation zur Weiterbehandlung eingesetzt werden. Diese adjuvanten Methoden können dabei helfen, die Heilungschancen zu verbessern. "Sie bekämpfen Eierstockkrebszellen, die trotz Operation im Körper verblieben sind und verhindern deren Wachstum. Aber die Erfahrung zeigt einfach, dass das umso wirkungsvoller ist, je weniger Krebszellen noch vorhanden sind", sagt Weg-Remers.

Die Zulassung des Fluoreszenzfarbstoffes zur Entdeckung von Tumorzellnestern während der OP bei Eierstockkrebs gilt zunächst nur für den amerikanischen Markt. "Damit er es auch auf den deutschen Markt schafft, ist eine entsprechende Zulassung in Deutschland nötig, und bis Cytalux in der klinischen Praxis ankommt, wird man noch weitere Studien benötigen, die den Nutzen belegen", glaubt Weg-Remers.

Bei Eierstockkrebs muss das Organ meist komplett entfernt werdenBild: imago images/Science Photo Library

Nebenwirkungen sind nicht ausgeschlossen

Laut der US- Studie hatten 30 Prozent der Patientinnen Nebenwirkungen durch die Gabe des Fluoreszenzfarbstoffes. So kam es beispielsweise zu Übelkeit und Erbrechen oder auch zu vorübergehenden Bauschmerzen. "Diese Beschwerden waren bei dem Großteil der Patientinnen nach 24 Stunden abgeklungen. Der Farbstoff bleibt nicht dauerhaft im Körper, er wird abtransportiert und dann ausgeschieden", so Weg-Remers.

Eine weitere, wesentlich bedenklichere Langfolge könnten Verwachsungsbeschwerden sein. Unter dem Fluoreszenzfarbstoff operieren die Chirurgen wesentlich großflächiger, mehr Gewebe wird entfernt. "Wenn Sie in die seröse Haut schneiden, die die Bauchorgane überzieht, um ein Tumorzellnest zu entfernen, dann entwickelt sich dort eine offene Wunde. Sie muss verheilen. Dabei kann es passieren, dass sich Narbengewebe und Verwachsungsstrukturen bilden. Das kann beispielsweise auch der Fall sein, wenn zwei benachbarte Wunden miteinander verkleben", gibt Weg-Remers zu bedenken.

Weitere Studien sind erforderlich

Die US-Studie basierte auf einem relativ kleinen Kreis von Krebspatientinnen. Weitere Studien müssen folgen und zusätzliche Daten erhoben werden, um nachzuweisen, dass Patientinnen verglichen mit den Standartbehandlungsmethoden einen Nutzen von der Fluoreszenzmethode haben. Dass sich also die Überlebensraten bei Anwendung der Methode verbessern. Ferner müssen eventuelle Nebenwirkungen und Langzeitfolgen akzeptabel sein. "Das Verfahren könnte ein Schritt in die richtige Richtung sein, aber das muss man natürlich in Studien auch entsprechend belegen", betont Weg-Remers.

Trotzdem hält die Wissenschaftlerin das Verfahren mit dem Fluoreszenzfarbstoff für vielversprechend. "Bis der Farbstoff in Deutschland zugelassen wird, dauert es wohl noch einige Zeit. Grundsätzlich aber ist der Farbstoff nicht uninteressant, und ich erwarte, dass die Forscher, die diese Studie durchgeführt haben, die Patientinnen auch nachbeobachten werden", fasst Weg-Remers zusammen. Sind die entsprechenden Ergebnisse gut, könnte die Therapie des gefährlichen Eierstockkrebses einen großen Schritt weiterkommen.

 

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