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"Ohne Unterstützung geht es nicht"

2. März 2019

Der Skandal um Eigenblutdoping während der nordischen Ski-WM schlägt weiter Wellen. Anti-Doping-Experte Mario Thevis erklärt im DW-Interview, wie Eigenblutdoping funktioniert und warum es nur schwer nachzuweisen ist.

Symbolbild Doping
Bild: picture-alliance/dpa

Bei der nordischen Ski-WM in Seefeld wurden am Mittwoch zwei österreichische, ein kasachischer sowie zwei estnische Skilangläufer festgenommen. Die fünf Sportler befinden sich inzwischen wieder auf freiem Fuß, nachdem sie alle Eigenblutdoping zugegeben haben. Ihnen drohen Anklagen wegen Sportbetrugs sowie sportrechtliche Sanktionen. Ein Sportmediziner aus Leipzig und ein mutmaßlicher Komplize sitzen in Deutschland in Haft. Sie sollen Drahtzieher eines internationalen Dopingnetzwerkes sein. Sollte ihnen das nachgewiesen werden, müssen sie mit einer Gefängnisstrafe von bis zu zehn Jahren rechnen. Dopingexperte Mario Thevis erklärt im DW-Interview, worum es beim Eigenblutdoping geht.

DW: Bei Eigenblutdoping denkt man natürlich gleich an die Affäre um den spanischen Arzt Eufemiano Fuentes, die im Jahr 2006 den Radsport erschütterte. Ist das Doping mit Eigenblut ein "Klassiker" unter den verbotenen Praktiken, der einfach nicht totzukriegen ist?

Prof. Mario Thevis: Eigenblutdoping ist in der Tat ein Mittel, das schon seit sehr vielen Jahren eingesetzt wird. Die Effekte, die sich Sportler davon versprechen, sind offenbar Anlass genug, immer wieder zu dieser Methode zu greifen. Es hat in der Vergangenheit sehr viele Forschungsvorhaben gegeben, um Eigenblutdoping nachweisen zu können.

Welche Effekte hat Eigenblutdoping auf den Körper eines Sportlers?

Insbesondere bei ausdauerlastigen Sportarten ist die Sauerstoffzufuhr aus den Lungen in die Muskulatur ein limitierender Faktor. Je mehr rote Blutkörperchen und damit mehr Transportkapazität ein Sportler hat, desto Ausdauer-leistungsfähiger ist er. Beim Eigenblutdoping wird dem Sportler eine zusätzliche Menge roter Blutkörperchen zugeführt. Da es sich um eigenes Blut handelt, ist ein Nachweis enorm schwierig.

Warum?

Prof. Mario Thevis von der Sporthochschule KölnBild: picture-alliance/dpa

Es ist ja nicht körperfremdes, sondern körpereigenes Material des Athleten. Festgestellt wird die Manipulation über den so genannten "Athletenpass", den "Athlete Biological Passport". Dabei wird dem Sportler über mehrere Monate hinweg regelmäßig Blut entnommen. Die Blutparameter werden bestimmt. Sollten auffällige Schwankungen nicht durch Maßnahmen wie Höhentraining, Blutspenden oder ähnliches erklärbar sein, geht man von einer Manipulation durch Eigenblutdoping aus.

Kann man Eigenblutdoping auch ohne fremde Hilfe betreiben? 

Das ist sehr schwierig, weil für Eigenblutdoping Ausrüstung erforderlich ist, die man handelsüblich nicht zu Hause zur Verfügung hat. Daher muss man davon ausgehen, dass hier Unterstützung angeboten und wahrgenommen wurde. Man muss allerdings auch hinterfragen, ob nicht eine Maskierung des Eigenblutdopings stattgefunden hat.

Muss das Blut fachgerecht gelagert werden, bevor es dem Körper wieder zugeführt wird?

Ja, ansonsten hat die Methode des Eigenblutdopings wenig Mehrwert für den Sportler. Das Blut muss zu einem gewissen Zeitpunkt abgenommen und dann zum richtigen Zeitpunkt vor dem Wettkampf dem Sportler wieder zugeführt werden. In der Zwischenzeit muss es fachgerecht, kontrolliert gelagert werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Konserve nicht mehr gebrauchsfähig ist und gegebenenfalls den Sportler in ein enormes gesundheitliches Risiko bringt.

Welches ist der richtige Zeitpunkt, um das Eigenblut wieder zuzuführen?

Eigenblutdoping führt nach wissenschaftlichen Erkenntnissen nur dann zu einem Leistungsvorteil, wenn die zugeführten roten Blutkörperchen eine gewisse Zeit im Körper regenerieren können, d.h. sich wieder an den lebenden Organismus gewöhnen können. Das bedarf mindestens einiger Stunden, wenn nicht gar eines ganzen Tages. Man kann also davon ausgehen, dass Sportler das Eigenblutdoping mehrere Stunden vor dem Wettkampf durchführen.

 

Ein österreichischer Skilangläufer wurde beim Eigenblutdoping im WM-Mannschaftshotel auf frischer Tat ertapptBild: picture-alliance/dpa/H. Schmidt

Bei der Komplexität des Verfahrens ist also ein regelrechtes Dopingsystem um den Athleten herum nötig. Sind die Dopingjäger damit nicht überfordert?

In der Tat müssen wir hier davon ausgehen, dass medizinisch ausgebildetes Personal Unterstützung leistet. Die Nachweisverfahren von Eigenblutdoping sind nicht so limitiert, wie man vielleicht denken könnte, aber sie haben doch ihre Grenzen. Es bedarf also der Zusammenarbeit - einer konzertierten Aktion zwischen den Strafverfolgungsbehörden, den Anti-Doping-Organisationen und den Kontrolllaboren. Jeder dieser Pfeiler leistet einen Beitrag für den Anti-Doping-Kampf. Das Gesamtergebnis kann am Ende zum Erfolg führen, wie wir jetzt gesehen haben.

Ist diese Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren intensiver geworden?

Es hat natürlich eine gewissen Anlaufzeit gebraucht, bis die Mechanismen so eingespielt waren, dass die Informationen auch rechtzeitig und im nötigen Umfang an die entsprechenden Stellen gelangten. Das ist in den letzten Monaten und Jahren deutlich besser geworden. Und wir dürfen davon ausgehen, dass die Zusammenarbeit noch weiter intensiviert wird.

Professor Mario Thevis leitet das Zentrum für Präventive Dopingforschung an der Sporthochschule Köln. Der 45 Jahre alte Chemiker und Sportwissenschaftler ist auch Mitglied der Expertengruppe, die die Verbotsliste der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) weiter entwickelt.

Das Gespräch führte Stefan Nestler.

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