Eigentlich ist Apfelzeit in Deutschland. Jetzt sollten die Bäume vollhängen mit Früchten, die leckeren Saft versprechen, Kuchen und Mus. Nicht aber dieses Jahr, sagt Tamsin Walker. Es sind kaum Äpfel da.
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Letztes Jahr bin ich an einen Ort gezogen, an dem ein Apfelbaum steht. Der Baum hat so viele Früchte getragen, dass ich es nicht geschafft habe, wirklich alle zu verwerten. Und so richtig hübsch waren die Äpfel auch nicht. Eher von blassgrüner Farbe, nicht glänzend rot oder gelb. Sie wurden mir also nicht gerade aus den Händen gerissen.
Also haben die Wespen ihren Anteil verschlungen, und ich habe selbst Beutel um Beutel mit ihnen gefüllt. Ich habe sie geschält, in kleine Stücke geschnitten und gekocht, um Apfelmus aus ihnen zu machen. Reichlich Apfelmus. Ich wollte so wenig Abfall wie möglich produzieren und sicherstellen, dass nichts verkommt.
Traurige Ernte
Dieses Jahr wird das wohl klappen. Nicht, weil ich einen Masterplan habe, der Apfelflut Herr zu werden, sondern weil der arme Baum nur zwei Äpfel hervorgebracht hat. Zwei! Und selbst die sind nicht hübsch geworden.
Was ich erlebe, scheint es überall im Land zu geben. Am Anfang des Jahres war auch noch alles in Ordnung. Die Blüten krochen pünktlich in die Sonne. Sie konnten ja nicht ahnen, dass sie überrumpelt werden würden. Denn dann kam der Frost und hat sie all ihrer guten Voraussetzungen beraubt. Und ich meiner bereits gemachten Pläne.
Die werde ich sicherlich nicht verwerfen müssen. Aber die schlechte Ernte, die vielen Landwirten in Berlin und Brandenburg bevorsteht, ist eine Nachricht, die sich nicht so leicht verdauen lassen wird.
Such den Straßenapfel
Das Landwirtschaftsministerium schätzt, dass die Ernte 2017 nur 18.000 Tonnen betragen wird. Im vergangenen Jahr lag der Wert noch bei 28.000 Tonnen. Und das ist auch für die Apfelkonsumenten nicht gut, denn die Preise werden steigen. Spätestens dann werden die Berliner wieder was zu meckern haben, über das unzuverlässige Wetter und sicher auch das teure Obst.
Bis das aber soweit ist, gibt es auch solche Bäume, denen es gelungen ist, den kalten Händen von Väterchen Frost zu entgehen. Es gibt einige, die vollhängen mit glänzenden roten und goldenen Früchten. Auf meinem Weg zur Arbeit komme ich immer durch einen kleinen Obstgarten auf dem ehemaligen Todesstreifen zwischen Ost- und Westberlin. Und da sehe ich Äpfel, die immer dicker und reifer werden. Bisher hat sich niemand um sie gekümmert. Aber ich habe sie im Auge. Es ist nur eine Frage der Zeit.
Aus Großmutters Garten
Nicht nur Kleidung unterliegt der Mode, auch Gemüse und Obst. Vieles von dem, was bei unseren Großeltern und Urgroßeltern im Kochtopf oder im Einmachglas landete, ist heute in Vergessenheit geraten.
Bild: Colourbox
Hier ist gut Kirschen essen
Die "Ermstäler Knorpelkirsche" sieht nicht nur lecker aus, sondern sie ist es auch. Umso trauriger, dass sie von den Märkten verschwunden ist. Weil die Früchte zu klein sind und auch noch anfällig für Schädlinge, gilt diese Kirsche als unrentabel. Nur noch selten wird sie auf Wochenmärkten angeboten und junge Bäume gibt es so gut wie gar nicht mehr. Schade!
Bild: Slow Food Deutschland e.V.
Knoblauch aus deutschen Landen
Knoblauch gibt es nur am Mittelmeer? Falsch! Knofi gab's auch im fränkischen Bamberg (Bayern). Dort war der Anbau von Knoblauch im 19. Jahrhundert von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Nach dem zweiten Weltkrieg aber ging's bergab. Immer häufiger wurden die weißen Knollen importiert und regional schließlich gar nicht mehr vermarktet. Nur wenige Bauern bieten ihn noch an.
Bild: Stefan Abtmeyer
Monstranzbohne - Eine Bohne mit Geschichte
Während des Dreißigjährigen Krieges wollte ein Pfarrer die Monstranz seiner Kirche vor Plünderern retten. Er vergrub sie an einer einsamen Stelle und kennzeichnete sie mit Bohnen. Überlebende des Krieges entdeckten die aufgehenden Hülsenfrüchte und begannen, im Boden zu graben. Was sie fanden, war die Monstranz des klugen Pfarrers. Und ihre Umrisse – die sind auf der Bohne und geben ihr den Namen.
Bild: Deaflora
Krumme Knolle
Seine Form ist das Markenzeichen des Bamberger Hörnles. Aber Hörnle ist nicht gleich Hörnle, und die ursprüngliche Sorte ist kaum noch verbreitet. Ihr ging es so ähnlich wie vielen alten Gemüse- und Obstsorten. Sie musste robusteren Sorten Platz machen, denn die sind leichter und ohne viel Aufwand zu züchten. Das Original ist heute eher ein Produkt für Liebhaber.
Bild: Imago/Redeleit
Ein Apfel wie aus dem Märchen
So muss der Apfel von Schneewittchen ausgesehen haben: rot, appetitlich, zum Anbeißen. Aber trotzdem ist der Birkenfelder Rotapfel, oder Rotäpfelchen, selten geworden. Junge Bäume werden kaum noch gepflanzt. Weil man sie gut lagern konnte, haben viele Familien sie früher bis Weihnachten aufbewahrt, um die gute Stube und den Tannenbaum mit den Äpfeln zu dekorieren. Aber: Das war einmal.
Bild: Slow Food e.V.
Ein spitzer, grüner Hut
Urkundlich erwähnt wurde das Filder Spitzkraut erstmals Im Jahre 1501. Es ist eine lokale Sorte aus dem Stuttgarter Raum. Auf den Tisch kommt es vor allem als Sauerkraut. Aber durch seine Form ist es kaum geeignet für die maschinelle Verarbeitung. Die Industrie bevorzugt so genanntes Rundkraut. Das passt bestens in die Maschine. Damit ist es für die große Masse uninteressant.
Bild: Slow Food Deutschland e.V.
In aller Munde
Bis ins 18. Jahrhundert gehörten Pastinaken zur deutschen Grundnahrung. Speisekartoffeln und Karotten lösten sie dann ab. Lange Zeit war die Knolle kaum zu finden, sie war eben nicht "in". Aber es gibt sie wieder: als Süppchen, als Gemüse oder als Babynahrung! Pastinaken gehören zu den Gemüsesorten, die durch Frosteinwirkung milder und süßer werden.
Bild: Colourbox
Im Schneckentempo - Slow Food
Langsam und genussvoll essen und mit regionalen Produkten kochen. Das ist das Ziel von Slow Food. Die Organisation wurde 1986 von dem Italiener Carlo Petrini gegründet und ist mittlerweile weltweit aktiv. Zu den Projekten des Vereins gehört die "Arche des Geschmacks", in der allein in Deutschland rund 35 "Arche-Passagiere" gelistet sind: Lebensmittel, die in Vergessenheit geraten sind.