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"Ein beängstigender Ort": Jason Stanley verlässt Trumps USA

Stuart Braun
7. April 2025

Der bekannte Yale-Professor kritisiert die Politik der Regierung Trump. Er sieht klare Ansätze von Faschismus. Jetzt dreht er der USA den Rücken zu, um in Kanada zu arbeiten. Und er ist nicht der Einzige.

Jason Stanley steht vor einem grün-verschwommenen Hintergrund
Der US-amerikanische Professor Jason Stanley sieht die Demokratie in seiner Heimat in GefahrBild: Privat

Der US-amerikanische Wissenschaftler Jason Stanley hat bereits zwei hochgelobte Bücher zum Faschismus im 20. Jahrhundert geschrieben - und er zieht direkte Parallelen zur zweiten Amtszeit von Donald Trump. "Das, was die Trump Regierung gerade macht, ist Faschismus", sagte er gegenüber der DW.

Ende März gab Stanley seine Entscheidung bekannt, die renommierte Universität Yale zu verlassen und nach Kanada zu ziehen, um an der "Munk School of Global Affairs and Public Policy", die zur Universität von Toronto gehört, zu arbeiten. Er folgt damit dem Ehepaar Timothy Snyder und Marci Shore, die beide in Yale Geschichte unterrichten. Doch nach den US-Präsidentschaftswahlen entschieden sie sich, nach Toronto zu ziehen. "Ich habe Angst, dass mich die Regierung ins Visier nimmt", begründet Stanley seine Entscheidung, Yale zu verlassen.

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Er kritisiert auch die Gefährdung eingewanderter Akademikerinnen und Akademiker, die abgeschoben werden könnten, wenn sie sich in vermeintlich negativer Weise über Trump äußern: "Ich gehe, weil meine Kollegen, die keine Staatsbürger sind, in den sozialen Medien nicht über Politik sprechen können ... sonst könnte ihnen das Visum entzogen werden."

Werden die USA unter Trump autoritär?

In Stanleys 2018 erschienenem Buch "How Fascism Works: The Politics of Us and Them" (deutscher Titel: "Wie Faschismus funktioniert") beschreibt er, wie der Faschismus "Teile der Bevölkerung entmenschlicht", um die "unmenschliche Behandlung - von der Unterdrückung der Freiheit über Masseninhaftierungen bis hin zur Ausweisung" zu rechtfertigen.

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Stanley sagt, die Trump-Regierung, der vorgeworfen wird, Einwanderer entgegen gerichtlicher Anordnungen abzuschieben, könne nicht länger nur als "populistisch" bezeichnet werden. Zumal unter Trump die freie Meinungsäußerung eingeschränkt werde, etwa indem sie Universitäten oder Bundesbehörden, die die sogenannte "DEI"-Politik (Diversität, Gleichheit und Inklusion) fördern, die Finanzierung verweigere.

Das Wort "populistisch" beschönige die Bedrohung, meint Stanley. Dass Donald Trumps Intoleranz von Natur aus faschistisch sei, beschreibt er auch in seinem 2024 erschienenen Buch "Erasing History: How Fascists Rewrite the Past to Control the Future" (etwa: "Geschichte auslöschen: Wie Faschisten die Vergangenheit umschreiben, um die Zukunft zu kontrollieren").

Timothy Snyder lebt ebenfalls im kanadischen Exil. Der Bestsellerautor von "Über Tyrannei" beschreibt "Amerikas Hinwendung zum Autoritarismus" unter der ersten Trump-Präsidentschaft.Bild: Ine Gundersveen

Setzt Trump Antisemitismus als Waffe ein, um Universitäten unter Druck zu setzen?

Die Trump-Administration geht auch gegen Universitäten vor und hält für sie vorgesehene Gelder zurück, wenn sie Schauplatz von Anti-Kriegs-Protesten im Israel-Hamas-Konflikt waren. Sie behauptet, die Einrichtungen würden Antisemitismus fördern. Stanley weist jedoch darauf hin, dass "jüdische Studierende in Yale eine der größten Gruppen waren, die an den Lagern und Protesten teilnahmen".

Stanley ist selbst Jude, ein Teil seiner Familie kam im Holocaust um. Die Trump-Regierung mache einen Unterschied zwischen guten und schlechten Juden, sagt er. Die Unterscheidung zwischen rechtsgerichteten "Pro-Israel-Juden" und "Juden wie mir und vielen meiner Studierenden hier in Yale, die Israels Vorgehen in Gaza kritisieren", greife  "ein sehr gefährliches antisemitisches Stereotyp" auf, das fälschlicherweise behaupte, "dass wir amerikanischen Juden die Institutionen kontrollieren", so Stanley.

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Die Universität Yale, so der Professor, sei den Forderungen der Trump-Regierung, gegen die Protestierenden vorzugehen, nicht nachgekommen und habe "ihre Wissenschaftler geschützt". Stanley ist jedoch besorgt, dass Universitäten dem Druck nachgeben - wie die Columbia University. Die New Yorker Universität hat zugesagt, gegen pro-palästinensische Demonstranten zu ermitteln, um Finanzierungskürzungen in Milliardenhöhe abzuwenden.

"Wenn man diesen Forderungen zustimmt, ist man keine Universität mehr", stellt Stanley klar. "Eine Universität ist ein Ort der freien Forschung und der kritischen Auseinandersetzung. Und in den Vereinigten Staaten ist es angesichts unserer Beziehung zu Israel völlig legitim, eine Protestbewegung zu haben, die den Verzicht auf militärische Unterstützung Israels fordert."

Warum nicht in den USA bleiben und kämpfen?

Jason Stanley sowie Timothy Snyder und Marci Shore, die alle an die Universität von Toronto gewechselt sind, sind oft gefragt worden, warum sie die USA in einer Zeit der Not verlassen haben. "Es ist einfacher, Kanada zu verteidigen als Yale", antwortete Stanley der DW.

"Die Vereinigten Staaten werden in immer stärkerem Maße zu einem beängstigenden Ort", meint er. "Die Universität von Toronto kann ein Zufluchtsort sein; wir können Wissenschaftler und Journalisten dorthin bringen, um sie besser zu schützen, als wir es in den Vereinigten Staaten könnten."

Stanley möchte in seiner neuen Position dazu beitragen, ein integrativeres akademisches Umfeld zu schaffen. Die Monk School wolle "das weltweit führende Zentrum für die Verteidigung der Demokratie schaffen", sagt er. Sie werde Journalisten sowohl aus demokratischen als auch aus autoritären Ländern wie Russland und den USA willkommen heißen.

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Stanley möchte auch seine Kinder schützen, die schwarz und schwarz-jüdisch sind. Für Stanley sind Angriffe auf DEI und auf die "Schwarze Geschichte" auch ein Angriff auf schwarze Menschen. "Ich möchte, dass meine Kinder in Freiheit aufwachsen", sagt er.

Marci Shore und ihr Ehemann Timothy Snyder haben sich in ihrer Arbeit mit faschistischen Regimen in Osteuropa fokussiert - ein Blickwinkel, bei dem sie Parallelen zur Trump-Regierung ziehen.

"Ich konnte spüren, wie sich die Schreckensherrschaft zuspitzte", sagte Shore dem ukrainischen Online-Medium "Kyiv Independent" über ihre Entscheidung, die USA zu verlassen. "Mein Impuls war, meine Kinder zu nehmen und der Situation zu entkommen, die mir sehr dunkel und beängstigend erschien."

Jason Stanley betont, dass er trotz seines Umzugs den Kampf zu Hause nicht aufgibt. "Ich werde für die amerikanische Demokratie kämpfen, wo immer ich bin."

Adaption aus dem Englischen: Gaby Reucher 

Stuart Braun Australischer DW-Journalist und Buchautor.
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