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14. November 2006

Bunte Bilder statt Zahlenkolonnen – Vietnam reformiert seine Schulbücher, seine Lehrpläne, seinen Bildungssektor. Um international mithalten zu können, ist mehr Eigenständigkeit gefragt - von Schülern, Lehrern, Eltern.

Antreten zum morgendlichen AppellBild: DW/Peter Koppen,

Vietnams Bevölkerung wächst in rasantem Tempo: Seit dem Ende des Kriegs hat sich die Einwohnerzahl auf 80 Millionen Menschen verdoppelt. Viele von ihnen sind jung: Etwa die Hälfte der Vietnamesen ist unter 25 Jahre alt, und die meisten gehen noch zur Schule.

Spitzenplatz aus eigener Kraft

Die jungen Leute sind die Zukunft des Landes

„Vietnam gehört sicherlich zu den Ländern, wo Bildung eine große Rolle spielt. Die Eltern geben sehr viel Geld für Bildung aus, sie schicken Kinder ins Ausland, sie finanzieren Nachhilfeunterricht und mehr. Bildung steht ganz, ganz oben, noch vor der Anschaffung eines Autos oder dem Bau eines Hauses.“ sagt Andreas Dernbach, der die vietnamesische Regierung im Auftrag der Weltbank in Ausbildungsfragen berät.

Fast jeder kann lesen und schreiben, fast jedes Kind geht neun Jahre zur Schule. Mit einer Alphabetisierungsrate von über 90% nimmt Vietnam im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz ein. Dafür nimmt die Regierung viel Geld in die Hand: Sie investiert rund 17% des Staatshaushalts in den Bildungsbereich des Landes – mehr als doppelt soviel wie Deutschland. Dabei ist Vietnam im südostasiatischen Vergleich mit einem Durchschnittseinkommen von umgerechnet 400 $ immer noch eines der ärmsten Länder in der Region.

Staubtrockene Bücher und Frontalunterricht

Neue Schulbücher erleichtern das LernenBild: DW/Peter Koppen

Doch das Schulwesen ist veraltert - es hält dem internationalen Vergleich nicht stand und wird zurzeit reformiert. Der erste große Schritt war die Einführung neuer Lehrbücher in allen Schulen des Landes. Für Professor Dingh Quang Bao, Rektor der Universität für Erziehungswissenschaften in Hanoi, war Vietnams Wissenskanon nicht mehr zeitgemäß. „Es gab mehrere Gründe für die Einführung neuer Lehrpläne und Schulbücher: Einmal haben sich Wissenschaft und Technologie so rasant verändert, dass die alten Lehrpläne und Schulbücher völlig überaltert waren. Zum anderen sind unsere Lehrmethoden sehr rückständig verglichen mit den modernen pädagogischen Ansätzen vor allem in den Industrieländern. Bei uns wird noch überwiegend frontal unterrichtet, der Unterricht ist theorielastig und wenig interaktiv. Dies müssen wir verändern hin zu einer Bereitschaft der Schüler, eigeninitiativ zu werden und sich selbst Wissen anzueignen.“

Auch der Bildungsexperte Andreas Dernbach meint, dass eine Reform der alten Schulbücher längst überfällig war. „In der Vergangenheit sahen sie aus wie Telefonbücher: Von oben links bis unten rechts eine einzige Bleiwüste. Inzwischen ist das alles ein bisschen aufgelockerter, es ist im Farbdruck, es sind auch graphische Elemente in den Büchern, so dass es den Kindern leichter fällt, Spaß auch beim Lesen zu entwickeln und das zu begreifen, was sie lesen.“

Einfluss der Eltern

Schüler in Hanoi werfen einen letzter Blick ins Vokabelheft

Es gibt aber auch Kritik an der Bildungspolitik Vietnams: immer noch haben es Kinder aus sozial benachteiligten Schichten und Kinder ethnischer Minderheiten schwer, Zugang zur Bildung zu erhalten. Und immerhin machen die ethnischen Minderheiten wie zum Beispiel die Thay, die Khmer oder Muong zusammen fast 15 Prozent der Bevölkerung aus. Ein Grund ist, dass sie meist in unzugänglichen und abgelegenen Regionen des Landes leben. Dazu kommt, dass jede Minderheit ihre eigene Sprache, Geschichte und Kultur hat. Hoang Van Sit, Bildungsexperte bei UNICEF, dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen berichtet: „Eltern aus dem städtischen Umfeld investieren viel mehr in die Bildung ihrer Kinder als Eltern aus den abgelegenen Regionen. Das liegt sicher an der Armut, aber auch am Bewusstsein dort für die Bedeutung von Bildung. Hinzu kommen der Einfluss der lokalen Kultur und eigene Wertevorstellungen der ethnischen Minderheiten. Viele tendieren dazu, eher ihre Jungs als die Mädchen zur Schule zu schicken.“

Zu viel des Guten - arme reiche Kinder

Fit für die Anforderungen der Moderne?

Bildung ist in Vietnam aber nicht nur eine Frage des Stadt-Land-Gefälles. Untersuchungen der Weltbank haben ergeben, dass Zugang und Qualität auch eine Frage des sozialen Status sind. Vietnams wohlhabende Eltern geben allein für Nachhilfeunterricht 30mal mehr aus als Eltern aus unteren sozialen Schichten. Dadurch erhöhen sie die Chancen ihrer Kinder auf einen der begehrten Studienplätze in Vietnam, oft aber auch auf Kosten der Kinder, findet Nguyen Thi Hang, zweifache Mutter. „Die Kinder werden überlastet, und das ist ein Problem, das die Eltern selbst erzeugt haben. Viele von ihnen setzen ihre Kinder sehr unter Druck, weil sie sonst befürchten, ihre Sprösslinge schaffen die Aufnahme in eine der guten Schulen nicht, oder erzielen keine guten Noten oder sind nicht fit für die Anforderungen der Moderne.“

Eine Entwicklung, die auch im industrialisierten Westen beobachtet wird...

Autoren: Thuc Hien und Peter Koppen

Redaktion: Peter Koppen

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