Das Hambacher Schloss
18. August 2010Wie bitte? Hier soll eine Revolution stattgefunden haben? In dieser idyllischen Hügellandschaft mit ihren Wanderwegen? Zwischen grünen Weinbergen, in den Dörfern mit den rot gedeckten Häusern? Tatsächlich: "Hinauf, hinauf zum Schloss!" lautete 1832 der Schlachtruf, und die Aufständischen, die sich gegen Pressezensur, gegen politische Repression und vorenthaltene Bürgerrechte wendeten, stürmten auf den Berg: zu Fuß, zu Pferd – und fanden oben eine Ruine vor. Die Burg, die heute Hambacher Schloss heißt, war in den pfälzischen Erbfolgekriegen im 17. Jahrhundert zerstört worden und bot ein erbarmungswürdiges Bild.
Revolutionäre Bauern und Bürger
Das aber focht die 30.000 nicht an: Winzer und Bauern, Bürger und Studenten, Journalisten und Rechtsgelehrte - und beileibe nicht alle aus der unmittelbaren Umgebung. Es war beschwerlich, nach Hambach zu kommen, die Obrigkeit versuchte, das Fest zu verhindern. Dennoch: Man kam sogar aus Stralsund, München oder Frankfurt, reiste auf Schusters Rappen oder mit echten Pferdegespannen. Und oft auf Um- oder Schleichwegen. Den weitesten Weg hatten Polen und Franzosen, die sich zur Unterstützung der Revolutionäre hinzugesellten.
Demokratie angucken
Heute erreicht man das Schloss, das längst zu einem steinernen Sinnbild der Demokratie geworden ist, bequem mit dem Auto oder als Spaziergänger zu Fuß. Und heute sind – selbstverständlich – Besucher hoch willkommen. Man ist ja auch nicht mehr revolutionär. "Wir gehen uns jetzt die Demokratie angucken", sagt energisch ein älterer Herr, der den Weg hinauf stapft. Ein paar andere, die gerade vorbei kommen, haben nur noch schemenhafte Erinnerungen an einen lange zurückliegenden Geschichtsunterricht. Tja, da oben war irgendwas mit einer Versammlung – aber welcher? Höchste Zeit also für einen Museumsbesuch. 86 000 sahen im Jahr 2009 die neu gestaltete Ausstellung. Und da sind die, die nur der schönen Aussicht wegen kommen, nicht mitgezählt, erklärt Schlossmanagerin Ulrike Dittrich.
Sie begleitet uns durch die sehr ansehenswerten Räume und deutet auf eine verblichene Fahne in einer Glasvitrine: "Unsere Fahne – die damals beim Fest hier auf den Turm aufgesetzt wurde. Es ist ein ganz starkes Symbol. Die staatliche Einheit, Deutschlands Wiedergeburt hat man ja damals gefordert, das ist hier aufgedruckt, und die Farben Schwarz, Rot, Gold sind noch erkennbar."
Ein Schoppen für die Revolution
Wo heute ein schickes Bistro und ein üppiger Festsaal mit Speis und Trank und vielen öffentlichen Veranstaltungen um Publikum werben, ging es 1832 etwas derber zu. Es war eine Revolution mit Volksfestcharakter: Wer politisierte und diskutierte wollte auch essen und trinken. An Buden gab es den Pfälzer Schoppen Wein, Karussells drehten sich, es wurde Musik gemacht. Die "Hambacher Galoppade für das Piano" war, was man heute einen Hit nennt. Frauen waren – ungewöhnlich für die damalige Zeit - ausdrücklich eingeladen, mitzutun. Auch bei der Politik. Als ihre Männer ins Gefängnis geworfen oder zu Geldstrafen verurteilt wurden mussten sie den Lebensunterhalt verdienen. Und ihre Angehörigen in den Zuchthäusern irgendwie mit versorgen – mit Lebensmitteln, aber auch Trost spendenden Briefen.
Kostüme und Kokarden
All dies erzählt die Ausstellung, auch mit vielen unterhaltsamen interaktiven Elementen – mit denen man jugendliche Besucher anlocken will "Wir wollen natürlich auch gerade den jungen Menschen schon sehr früh beibringen: Demokratie ist nicht selbstverständlich. Sie wurde erkämpft und sie muss auch täglich weiter erkämpft und gelebt werden", sagt Ulrike Dittrich. Was so ein bisschen akademisch klingt, wird im Museum anschaulich und konkret umgesetzt. Fünf exemplarische Lebensläufe können über mehrere Stationen verfolgt werden: das Leben der Winzertochter Anna beispielsweise. Kostüme aus der Zeit sind zum Anprobieren da. Originelle Hörstationen vermitteln mit Musik und Geschichten zusätzliche Informationen. Wer geschickt genug ist, kann sich eine schwarz-rot-goldene Kokarde basteln – damals ein Zeichen am Revers der Revolutionäre.
Kinder willkommen
Es gibt Kinderführungen und Workshops und viel Geld zur Unterstützung dieser Aktivitäten: "Die Kulturstiftung Rheinland-Pfalz hat einen schönen Betrag zur Verfügung gestellt, mit dem der Besuch rheinland-pfälzischer Schulklassen hier finanziert wird. Das heißt, der Besuch mit einer Führung plus Katalog ist dann für Klassen kostenlos, wenn sie sich bewerben, und sie bekommen einen Zuschuss zu den Fahrtkosten", berichtet Ulrike Dittrich. Vielleicht kommt dann der Kleine im Podolski-Shirt noch mal wieder, der mit seinen Eltern hier heraufgewandert und ein wenig außer Atem ist. Was an diesem Ort eigentlich los war - so ganz genau weiß er das nämlich nicht. "Hm, da waren, glaub ich, alle Präsidenten. Kurt Beck zum Beispiel. Und ich glaub 1984 war diese große Tour mit George Bush."
Autorin: Cornelia Rabitz
Redaktion: Conny Paul