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Gesellschaft

"Ein Essen - aber bitte ohne Coronavirus!"

Marco Müller
5. Februar 2020

Werden Asiaten in Deutschland seit dem Ausbruch des Coronavirus diskriminiert? Schaut man in soziale Netzwerke lautet die Antwort: ja. Bilden sie die Realität ab? Ein Ortsbesuch in der asiatischen Community.

Füssen Touristen mit Mundschutz
Asiatische Touristen reisen mit Mundschutz durch DeutschlandBild: picture-alliance/dpa/K.-J. Hildenbrand

"Ich habe jetzt keine Zeit. Sie sehen ja, was hier los ist. Kommen Sie später wieder." Die Frau, die in der offenen Küche des asiatischen Supermarkts mit integriertem Restaurant kocht, ist im Stress. Damit hat sie trotzdem die Frage beantwortet. Meiden die Menschen in Deutschland seit dem Corona-Ausbruch asiatische Supermärkte und Restaurants? Nein - zumindest meiden sie dieses Geschäft nicht.

Es ist das erste von mehr als einem Dutzend asiatischen Geschäften, Restaurants und Beauty-Salons, die wir an diesem Tag in Bonn besuchen. Bonn, die 320.000-Einwohner-Stadt im Westen Deutschlands, ist beliebt bei asiatischen Touristen. Denn Bonn ist Beethoven-Stadt. Im Herzen der Stadt steht das Geburtshaus von Ludwig van Beethoven. Der weltberühmte Komponist wird in Asien besonders verehrt und sorgt dafür, dass viele asiatische Touristen die Stadt am Rhein besuchen - umso mehr, da in diesem Jahr mit vielen Veranstaltungen Beethovens 250. Geburtstag gefeiert wird. Daher sieht man recht viele asiatische Touristen in Bonn - und auch diverse asiatische Geschäfte. Der eine oder andere Bonner könnte die Sorge haben, dass durch den Touristenstrom aus Asien das Coronavirus den Sprung nach Bonn schafft, und daher Asiaten gegenüber kritisch eingestellt sein.

Eines von vielen asiatischen Geschäften in BonnBild: DW/M. Müller

"Ich bin kein Virus"

In sozialen Medien liest man, wie in verschiedenen Ländern Asiaten seit dem Ausbruch des Coronavirus diskriminiert werden. Unter dem französischen Hashtag #JeSuisPasUnVirus, dem englischen #IAmNotAVirus oder dem deutschen #IchBinKeinVirus kann man lesen, wie Passanten die Straßenseite wechseln, wenn ein asiatisch aussehender Fußgänger den Weg kreuzt, wie Asiaten in bestimmten Restaurants nicht bedient werden oder sie als Viren-Träger beschimpft werden - oder dass Gäste asiatischen Restaurants fern bleiben. Sind das Einzelfälle oder beschreiben diese Fälle den aktuellen Alltag von Asiaten in Deutschland?

Coronavirus allgegenwärtig

Eines wird schnell klar: Das Coronavirus ist eines der absolut beherrschenden Themen. Beim Besuch einer Apotheke am Rande der Bonner Innenstadt fällt sofort ein an der Kasse angebrachter Aushang auf, der über das Virus informiert - und vor Panikmache warnt. Dort heißt es: "Dass das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in der Öffentlichkeit das eigene Risiko einer Ansteckung signifikant verringert, ist nicht wissenschaftlich belegt (kein Eigenschutz)."

Apothekerin Stephanie Maletz mit diversen Mundschutz-PackungenBild: DW/M. Müller

Scheinbar ist so ein Aushang notwendig. Apothekerin Stephanie Maletz sagt, dass vor allem der Mundschutz mit eingebautem Filter beliebt ist. Speziell ausländische Kunden fragten danach. "Die Chinesin heute Morgen wollte um die 200 Stück kaufen, die wir leider auch nicht mehr bieten konnten. Wir hatten noch 50 Stück da. Die hat sie mitgenommen." Die Chinesin wolle die Mundschutze an ihre Familie in China senden. Jetzt ist der knapp zehn Euro teure Mundschutz ausverkauft. Wohl gibt es aber noch den dünnen OP-Mundschutz für zehn bis 20 Cent pro Stück.

"Es kommen schon weniger Kunden"

Phung Minh Hoang sitzt an der Kasse seines kleinen Asia-Marktes in der Nähe des Hauptbahnhofs und spielt mit dem Handy. Aktuell ist kein Kunde zu sehen. Auswirkungen der Angst vor dem Coronavirus? "Das Coronavirus beeinträchtigt unseren Laden, würde ich sagen. Es kommen schon weniger Kunden. Aber über das Virus hat bis jetzt keiner etwas gesagt", sagt der gebürtige Vietnamese. Seit letzter Woche gebe es Einbußen - nicht besonders große, aber doch spürbar.

Phung Minh Hoang in seinem kleinen gut sortierten asiatischen Supermarkt Bild: DW/M. Müller

Der Kontakt zwischen Angestelltem und Kunde ist bei einem Nagelstudio immer recht eng. In einem Nagelstudio im Bonner Zentrum ist ein asiatisch aussehender Mann dabei, einer Kundin die Nägel zu verschönern. Vor dem Mikrofon möchte er nichts sagen, seinen Namen möchte er auch nicht nennen. Hinter vorgehaltener Hand aber sagt er, dass normalerweise alle Termine belegt sein müssten. Gerade aber seien viele frei. Woran das liege, wisse er nicht. Corona? Könnte sein. Definitiv wisse er es aber nicht. Ähnlich sieht es in einem asiatischen Restaurant aus. Gerade ist es leer. Ein Angestellter, der nicht genannt werden möchte, erklärt, dass aktuell weniger Gäste kämen.

Alles wie immer, aber…

Liest man bis hier, könnte man meinen, das in den sozialen Medien gezeichnete Bild stimme und die Asiaten in Deutschland würden gemieden. Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit. In dem zweiten besuchten Nagel-Studio waren alle drei asiatischen Mitarbeiterinnen fleißig dabei, Nägel zu verschönern. Einen Rückgang gebe es nicht. Und auch in der Mehrzahl der besuchten asiatischen Restaurants und Geschäften hieß es: alles wie bisher.

Zhang Baoxiang kam 1980 nach Deutschland und betreibt in Bonn ein chinesisches GeschäftBild: DW/M. Müller

Zhang Baoxiang, Inhaber eines asiatischen Supermarktes, antwortet auf die Frage, ob weniger Kunden kommen: "Nein, in Deutschland ist alles normal. Chinesen, Deutsche - alles normal. Kein Unterschied." Ähnlich sieht es Huang Fu Zhang. Er ist der Geschäftsführer von "Ocean Paradise", einem chinesischem Restaurant auf einem im chinesischem Stil gebauten Schiff am Bonner Rheinufer. Der aus der Nähe von Shanghai stammende Chinese sagt, dass nicht weniger Gäste als vorher kämen. Also alles normal? Fast.

"Gestern Abend zum Beispiel hat jemand aus Spaß angerufen. Die wollen Essen kommen, aber sie wollen kein Virus. Das hat mich richtig ein bisschen geärgert." Witzig findet er es nicht.  

Huang Fu Zhang, Geschäftsführer des "Ocean Paradise", kann über Scherze über das Coronavirus nicht lachenBild: DW/M. Müller

Wenn Asiate, dann Desinfektionsspray?

Georg Tuerk ist Mitglied der Gesellschaft für Deutsch-Chinesische Freundschaft und Geschäftsführer der DeKang GmbH, die deutsche Unternehmen in China berät. Eigentlich hätte er Ende des Monats eine Reisegruppe aus China in Deutschland betreuen sollen. Die Reise wurde verschoben - bis auf weiteres.

Er erzählt von einer Geburtstagsfeier vom vergangenen Wochenende. Als er erzählte, was er beruflich macht, hätten die Anwesenden - "leicht im Scherz, aber trotzdem" - gesagt: "Wann warst Du das letzte Mal in China? Bist Du auch krank? Und da habe ich gesagt: Mann, lasst die Kirche im Dorf!" Von negativen Reaktionen gegenüber seinen chinesischen Freunden habe er bisher allerdings noch nichts mitbekommen.

Das Restaurant "Ocean Paradise", in Bonn besser bekannt als "China-Schiff", ist quasi fester Bestandteil des RheinufersBild: DW/M. Müller

Alle von uns in Bonn befragten Asiaten antworteten auf die Frage, ob sie nach Ausbruch des Virus persönliche Diskriminierung erfahren haben, mit "nein". Naja, fast alle. Eine Mitarbeiterin eines asiatischen Schnellimbiss sagte, dass ihre asiatischen Freunde in einem Drogeriemarkt erlebt hätten, dass, nachdem sie bezahlt haben, die Kassiererin den Kassenbereich mit Desinfektionsspray eingesprüht habe.

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