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Ein Fall wie tausend andere?

Christian Ignatzi5. August 2014

Können sich reiche Angeklagte freikaufen? Der Fall Bernie Ecclestone scheint das zu bestätigen. Doch der wegen Bestechung angeklagte Formel-1-Chef wurde behandelt wie viele andere Bürger.

Formel 1 Chef Bernie Ecclestone Bestechungsprozess
Bild: picture-alliance/dpa

Es ist ein Justiz-Rekord. Gegen eine Zahlung von 100 Millionen US-Dollar stellt das Landgericht München ein Verfahren gegen Formel-1-Chef Bernie Ecclestone ein. Die Entscheidung stößt auf scharfe Kritik. Die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sagte im Deutschlandfunk, die Einstellung des Verfahrens sei nicht mit dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen in Deutschland in Einklang zu bringen: "Da beschleicht mich ein erhebliches Unbehagen."

Ecclestone stand vor Gericht, weil ihm vorgeworfen wurde, dem Ex-Vorstand der BayernLB, Gerhard Gribkowsky, beim Verkauf der Formel-1-Mehrheit vor acht Jahren 44 Millionen Dollar Bestechungsgeld gezahlt zu haben. Von 2003 bis 2008 war Gribkowsky für die Formel-1-Beteiligung der Bank zuständig. Gribkowsky verkaufte das Paket 2006 an einen von Ecclestone erwünschten britischen Investor und soll dafür die Schmiergelder erhalten haben. Ecclestone sagte hingegen, er sei erpresst worden.

Höchste Vereinbarung in der Geschichte

Die nun nach 22 Verhandlungstagen ausgehandelte Verfahrenseinstellung geht als höchste Vereinbarung zwischen Gericht und Angeklagtem in die Geschichte ein. Laut Leutheusser-Schnarrenberger gehe es um Summen, die zeigten, "dass im Kern schon eine ganz erhebliche Schuld vorliegen muss, die hier vor Gericht verhandelt wird mit einem Strafmaß von bis zu möglichen zehn Jahren". In solch einer Dimension dürfe nicht mit der Justiz gehandelt werden.

Die Richter haben ihre Entscheidung im Prozess gegen Ecclestone verkündetBild: Reuters

Der Freiburger Rechtsanwalt und Experte für Wirtschaftsrecht, Gerson Trüg, sieht das anders. Die Vorgehensweise des Gerichts sei kein wirklicher Deal. Bei einer als solcher bezeichneten, umstrittenen Absprache zwischen Anklägern, Verteidigern und Gericht ginge es in der Regel darum, dass ein Angeklagter unter bestimmten Voraussetzungen einen Strafnachlass bekommt. "Hierbei handelt es sich um eine Einstellung eines Verfahrens gegen eine Auflage. So etwas kommt in Wirtschaftsverfahren jeden Tag vor und ist nichts Besonderes", sagt Trüg.

Grundlage ist der Paragraf 153 A der deutschen Strafgesetzordnung. Nach dieser Vorschrift würden mehr als 100.000 Verfahren pro Jahr beendet, so Trüg. Dabei komme es oft vor, dass es sich um Delikte in Millionenhöhe handelt. "Es kommt immer auch auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten an", sagt Trüg.

Eine Zwei-Klassen-Gesellschaft?

Beispiel Schwarzfahren: Landet jemand vor Gericht, weil er mehrfach ohne Ticket in öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs war, kann das Verfahren gegen eine Auflage eingestellt werden – meist gegen die Zahlung von Geld. Und da hängt es davon ab, wie die Einkommensverhältnisse des Angeklagten sind. Trüg: "Wenn Herr Ecclestone wegen Schwarzfahrens angeklagt gewesen wäre, hätte er auch mehr zahlen müssen, als ein paar hundert Euro."

Bernie Ecclestone kann das Gericht als freier Mann verlassenBild: picture-alliance/dpa

Doch da Ecclestone mehr vorgeworfen wurde als Schwarzfahren, fürchten viele Deutsche nun eine Zwei-Klassen-Gesellschaft vor Gericht. Rechtsanwalt Trüg ist anderer Meinung: "Man muss immer den Einzelfall sehen." Das Gericht habe nämlich Zweifel an der Aussage der Hauptbelastungszeugen gehabt und sei deshalb zu dem Schluss gekommen, dass die Schwere der Schuld einer Einstellung des Verfahrens nicht im Weg stehe – eine Voraussetzung für die Anwendung des Paragrafen 153 A. Hat sich Ecclestone dennoch freigekauft? "Man kann natürlich immer sagen, dass das auf Freikaufen herausläuft", sagt Trüg, "aber keine westliche Prozessordnung verzichtet auf solche Zwischenebenen, die die Gerichte bei Wirtschaftsdelikten entlasten."

Der Hauptzeuge Gerhard Gribkowsky überzeugte die Richter nichtBild: picture alliance/dpa

Warum sich Bernie Ecclestone auf die hohe Zahlung von 100 Millionen Dollar eingelassen hat, scheint schnell klar. Er kann das Gericht als freier Mann verlassen und gilt nicht als vorbestraft. Seine Rolle als Chef der Rennserie Formel 1 kann er somit weiter ausüben. Niki Lauda, ehemaliger Formel-1-Weltmeister, begrüßt das. Nun seien alle Vorwürfe vom Tisch, sagte er der Süddeutschen Zeitung: "Damit hat er alles richtig gemacht. Es hören auch alle Spekulationen um Bernie und um die Zukunft der Formel 1 auf. Kontinuität an der Spitze der Formel 1 ist wichtig."

Die Frage nach dem Skandal

Viele deutsche Medien sehen in der Einstellung des Verfahrens allerdings einen Skandal. Als Konsequenz müsse eine drastische Reform der Absprache-Regel folgen, schreibt etwa die Frankfurter Rundschau. Und auch die ehemalige Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger wird deutlich: "Das hat nicht nur ein Geschmäckle, das ist wirklich eine Frechheit", kommentierte sie. Die Gesetzesformulierung müsse mit Blick auf die Schwere von Delikten präzisiert werden.

Rechtsanwalt Gerson Trüg hält dagegen: "Ich sehe keinen Skandal. Und ich bin sicher, dass das Oberlandesgericht in München sich genau überlegt hat, was es entscheidet." Schließlich habe es den Nehmer des Schmiergelds, Gerhard Gribkowsky, zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt. Und erst kürzlich brachte das Münchner Landgericht den FC Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß wegen Steuerhinterziehung ins Gefängnis. Ein großer Name und ein großer Geldbeutel haben also bislang nicht jeden gerettet.

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