Ein Fest kommt in die Jahre
14. Juli 2003Ohrenbetäubende Techno-Rythmen erklingen von 30 Lastkraftwagen, die sich mühsam ihren Weg durch die Massen auf der Straße des 17. Juni bahnen. Raver, wie die Tänzer sich selbst nennen, feiern in abenteuerlicher Verkleidung, bewaffnet mit Wasserpistolen und Trillerpfeifen, dazu trinken sie Bier und Säfte aus Pfandbechern. Berlin lud am Samstag (12.07.2003) wieder ein zur Love Parade, zum weltgrößten Techno-Spektakel im zentralen Statdteil Tiergarten.
Eingezäunt
Was 1989 mit ein paar hundert Tänzern und einem schrottreifen Minivan auf dem Kurfürstendamm begann, ist mittlerweile eine Industrie für sich - allerdings eine Industrie, die ein bisschen in die Jahre gekommen ist. Mitte der neunziger Jahre kamen 1,5 Millionen junge Menschen zur Mega-Party an die Spree, diesmal nur noch die Hälfte. Aber wo man hinhört zwischen Brandenburger Tor und Ernst-Reuter-Platz: Die Stimmung ist gut, Techno längst noch nicht out.
Vieles ist freilich anders als früher. In den Clubs hören Zwanzigjährige heutzutage eher Indie-Pop, Reggae oder Soul. Die Love Parade - Motto diesmal "Love rules", Liebe regiert also - ist keine politische Demonstration mehr, die Veranstalter um den Erfinder der Parade DJ Dr. Motte müssen daher für die Müllbeseitigung selbst aufkommen. Ein fast fünf Kilometer langer, zwei Meter hoher Zaun führt um den Tiergarten, von 400 Ordnern bewacht. Damit will die Love Parade verhindern, dass wilde Händler auf den Grünflächen ihre Geschäfte mit Dosenbier machen. Streichelzoo für Techno-Tänzer wurde diese Umzäunung bereits vorab genannt. Die Organisatoren verkauften an der Strecke Getränke in Pfandbechern. Ein Müllvermeidungs-Konzept, an dass die Raver eher nicht glauben.
Neue Kritik
Die Love Parade, das ist nicht nur die etwa fünfstündige Parade selbst. Danach wird traditionell in Hunderten von Techno-Klubs weitergefeiert. Jahrelang machte die Stadt Berlin den Zauber wegen der Millionenumsätze mit, jetzt melden sich wieder Kritiker, wie der CDU-Landesvorsitzende und Bezirksbürgermeister des Bezirks Mitte, Joachim Zeller: "Ob es in dieser Form, also mit Techno-Musik, weitergehen soll, das muss überlegt werden. Jeder sagt, dass Techno mittlerweile im Abklingen ist. Ich meine aber, dass ein derartig großes Fest für junge Menschen, die gern nach Berlin kommen, um zu feiern, dass es das weiter geben soll."
Die Love Parade aber ohne Techno - undenkbar. Und auch in überschaubarerer Besetzung ist die Love Parade für beeindruckende Zahlen gut: Fünf Fernsehsender berichteten live, 20 weitere in- und ausländische Fernsehsender brachten Ausschnitte. Die Lautsprecherwagen kamen aus elf Nationen. 45 Tonnen Eis kühlten die Getränke an den 90 Verkaufsständen. "Love rules" - dass stimmt also noch. Nur nicht mehr ganz so unangefochten wie früher.