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Politik

Ein Frauenfeind im Europaparlament

Nina Niebergall
3. März 2017

Mitten in einer Parlamentsdebatte über ungleiche Gehälter von Männern und Frauen tritt ein polnischer Rechtsextremist auf den Plan. Seine Haltung: Frauen verdienen zurecht weniger. Ist er mit dieser Meinung alleine?

Janusz Korwin-Mikke
Provozierte: Janusz Korwin-MikkeBild: picture-alliance/PAP/R. Pietruszka

"Frauen müssen weniger verdienen"

01:26

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Die Ränge im Europäischen Parlament sind vergleichsweise leer. Auf der Agenda steht die Einkommenslücke zwischen Männern und Frauen, der sogenannte Gender Pay Gap. Eigentlich ist es kein Reizthema. Einkommensunterschiede von durchschnittlich 16,3 Prozent dürfen im Jahr 2017 nicht mehr sein - da sind sich fast alle Abgeordneten sowie die EU-Kommissarin für Justiz und Gleichstellung, Vera Jourova, prinzipiell einig.

"Weil sie schwächer, kleiner und weniger intelligent sind"

Dennoch kommt plötzlich Bewegung in die Debatte: Während die spanische Abgeordnete Iratxe Garcia Perez ihre Forderungen vorträgt, möchte Janusz Ryszard Korwin-Mikke eine Zwischenfrage stellen. "Wissen Sie, auf welchem Platz die bestplatzierte Frau bei der Olympiade der theoretischen Physik in Polen zu finden war?" Es scheint eine rein rhetorische Frage gewesen zu sein, denn die Antwort hat der polnische Abgeordnete gleich parat: "800".  Auch unter den besten 100 Schauspielern finde sich keine Frau, führt der polnische Abgeordnete aus. Er schlussfolgert: "Frauen müssen weniger verdienen. Weil sie schwächer sind, weil sie kleiner sind und weil sie weniger intelligent sind." Grinsend setzt sich der Vertreter der rechtsextremen Partei "Kongress der Neuen Rechten" wieder, wohl wissend wie provokant sein Vorstoß war.

Die Sozialdemokratin Perez reagiert dementsprechend scharf: "Sehr geehrter Abgeordneter, gemäß ihrer Theorien dürfte ich gar nicht hier sein." Auch wenn es Korwin-Mikke nicht passe, komme Perez ins Europäische Parlament, "um die Frauen zu verteidigen - und zwar vor ihnen!"

Janusz Korwin-Mikke sagte einmal: "Die EU wird von einer Kommunisten-Bande regiert" Bild: DW/M. Jaranowski

Der Pole Korwin-Mikke ist sicherlich ein Hardliner. Bei einem Redebeitrag 2015 hatte er für Aufsehen gesorgt, weil er seine Ausführungen mit dem Hitlergruß beendete. Bei diversen Gelegenheiten behauptete er außerdem, Vergewaltigungen seien ein schlichtes Missverständnis und Frauen solle es nicht erlaubt sein, zu wählen. Nach dem Eklat im Brüsseler Europaparlament stellt sich dennoch die Frage: Wie sehr müssen die Rechte von Frauen gegen Politiker wie Korwin-Mikke verteidigt werden?

"Zurück in die 50er"

Terry Reintke sitzt für die europäischen Grünen im Ausschuss für Gleichstellung. Es gebe nicht viele Abgeordnete, die für die extremen Aussagen Korwin-Mikkes applaudierten, meint sie. "Er ist mit seiner Meinung völlig isoliert. Nichtsdestotrotz gibt es hier im Europäischen Parlament auch diejenigen, die Teil des Rechtsrucks sind, den wir in der EU und in Deutschland sehen. Die wollen zurück in die 1950er Jahre, als Frauen sich nur als Hausfrau und Mutter verwirklichen konnten." Mit Reintke sitzt auch Beatrix von Storch im Ausschuss für Gleichstellung. Sie ist Abgeordnete der sogenannten "Alternative für Deutschland" (AfD) und für ihr rückwärtsgewandtes Frauen- und Familienbild bekannt.

Grünen-Abgeordnete Reintke: "Die wollen zurück in die 50er Jahre"Bild: Monika Keiler

Daneben gibt es auch diejenigen Abgeordneten, die Gleichberechtigung entschieden voran bringen wollen. So fordert die Österreicherin Elisabeth Köstinger: "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit muss heute eine Selbstverständlichkeit sein." Die Einkommenslücke zwischen Männern und Frauen nennt sie einen "eklatanten Beweis, dass manche Teile unserer Gesellschaft noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen sind". In Österreich verdienen Frauen 22 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Auch Deutschland liegt mit 21 Prozent Verdienstunterschied deutlich über dem EU-Durchschnitt.

Lücke zwischen Kassiererin und Lagerarbeiter

Die Gründe dafür sind vielfältig: Frauen arbeiten noch immer häufiger in Teilzeitjobs, weil sie in der Mehrzahl für die Kindererziehung zuständig sind. Das führt auch dazu, dass ihre Karrieren unterbrochen werden und sie es oft nicht bis an die Spitze eines Unternehmens schaffen. Im Jahr 2013 waren nur 4,8 Prozent der Vorsitzenden großer börsennotierter Unternehmen weiblich. Der Anteil weiblicher Vorstandsvorsitzender war noch niedriger.

Darüber hinaus werden klassische Frauenberufe oft unterbewertet. So verdient die Kassiererin im Supermarkt weniger als ihr männlicher Kollege im Lager, die weibliche Reinigungskraft weniger als der Müllmann und die Krankenschwester weniger als der männliche Medizintechniker.

Selbst zwischen Männern und Frauen gleichen Alters, mit vergleichbarer Erfahrung und Ausbildung und gleicher Tätigkeit bleibt ein Unterschied von über fünf Prozent. Was zunächst wenig klingt, kann sich im Laufe eines Arbeitslebens auf hunderttausend Euro summieren. 

Männer- und Frauenbilder

Mit Blick auf Deutschland sagt die Abgeordnete Reintke: "In vielen Köpfen sind immer noch Männer die Hauptverdiener und Frauen verdienen nur nebenbei dazu." Gebe es die EU nicht, stünde Deutschland wahrscheinlich noch schlechter da, denkt die Politikerin der Grünen. Sie erinnert daran, dass es ein Verdienst der EU ist, wenn deutsche Arbeitnehmerinnen heute ein Gehalt einklagen können, das ebenso hoch ist wie das ihrer männlichen Kollegen. Der Europäische Gerichtshof hatte 2013 ein entsprechendes Urteil erlassen. Oft wüssten Frauen aber gar nicht, dass sie weniger verdienten, meint Reintke. Deshalb müsse das Europaparlament auf höhere Transparenz in Unternehmen pochen. Außerdem sei es wichtig, schon in der Erziehung klassische Geschlechterrollen aufzubrechen - damit Kinder "auf Basis ihrer Interessen eine Berufswahl treffen können, und nicht auf Basis dessen, was von ihnen erwartet wird". 

Politiker wie Korwin-Mikkes, von Storch und Co. erschweren es Reintke und ihren Kollegen "gute Politik zu machen", erzählt die 29-Jährige. Zwar hat das Europaparlament inzwischen eine Untersuchung gegen den rechtsextremen Abgeordneten eingeleitet. Aber selbst wenn er vorübergehend aus Parlamentssitzungen verbannt wird - Korwin-Mikke ist demokratisch gewählter Abgeordneter und wird dementsprechend vorerst nicht aus dem Europäischen Parlament verschwinden.

Reintke versucht es positiv zu sehen: "Deshalb kämpfen wir sehr viel lauter und bestimmter um Gleichberechtigung und Selbstbestimmung von Frauen. Wir stehen eng zusammen, um eben auch beim Gender Pay Gap Erfolge erzielen zu können."

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