Die Europäische Union verändert sich - auch durch den Brexit. Wir wagen deshalb ein Gedankenspiel: Was wäre, wenn die EU für Großbritannien ein afrikanisches Land aufnähme? Zum Beispiel Ghana? Würde das funktionieren?
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Dies ist ein Gedankenspiel: In unserem Experiment ersetzen wir G-roßbritannien buchstabengetreu durch G-hana.
Eddy Micah Jr., DW-Journalist aus Ghana, hätte auch schon ein paar Ideen, was sein Heimatland in einem solchen Szenario der EU beisteuern würde:
"Braucht die EU ein neues Mitglied?"
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Die Skepsis von Eddy ist nicht unbegründet: Auch in den Mitgliedsstaaten hat die EU nicht das beste Image - bürokratisch und schwerfällig, zunehmend abgeschottet, alles andere als volksnah. Großbritannien hat sich schließlich auch für einen Austieg aus der EU, den Brexit, entschieden.
Auf der anderen Seite gilt die EU als Garant für Sicherheit und Wohlstand. Bevor ein Land wie Ghana davon profitieren kann, müssten zum einen die Ghanaer für einen Beitritt, ihren "Ghentry" sozusagen, stimmen. Zum anderen muss ein Beitrittskandidat vier Kriterien erfüllen:
Wie wird ein Land EU-Mitglied?
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Wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind und Ghana Mitglied wäre, begänne Brüssels Macht dort, wo die von Accra aufhört: an den Landesgrenzen.
In Angelegenheiten, die ein Land auf nationaler oder lokaler Ebene effektiv allein regeln kann, darf die EU sich nicht einmischen. Umgekehrt gilt: die Union übernimmt dann das Kommando, sobald eine Aufgabe zu groß ist für ein einzelnes Land oder mehr erreicht werden kann, wenn alle Unionsmitglieder an einem Strang ziehen.
Dass Ghana - auch ohne EU-Mitgliedschaft - noch ungenutztes Potenzial hat, kann auch Eddy Micah Jr. bestätigen:
"Ghana hat noch einen langen Weg vor sich."
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Nach erfolgreichem Beitritt kommt ein neues EU-Mitgliedsland in den Genuss vieler Vorteile, die die europäische Staaten-Union bietet:
FREIZÜGIGKEIT – Bessere Löhne in der EU?
Ghanas Arbeitslosenquote ist mit 2,4 Prozent deutlich geringer als die der meisten EU-Länder. Allerdings können viele Ghanaer nicht von ihrer Arbeit leben: Der Durchschnittslohn je Stunde liegt bei nur 1,17 Ghana Cedi (entspricht etwa 0,20 US-Dollar oder 0,22 Euro). Selbst die niedrigsten Mindestlöhne Europas betragen mehr als das zehnfache.
Wer in Ghana keine zufriedenstellende Arbeit findet, könnte es in unserem Szenario einfach in einem anderen EU-Land versuchen. Will Ghana die Abwanderung von Arbeitskraft verhindern, müssten Arbeitgeber konkurrenzfähige Gehälter zahlen. So könnte eine Mitgliedschaft in der EU auf Dauer die ghanaischen Löhne nach oben ziehen.
Ein Blick in die vielen Gesichter Ghanas
"Man liebt einen Menschen nicht alle Tage", lautet ein Sprichwort aus Ghana. Wobei ... die Gesichter dieses Landes muss man mögen.
Bild: Imago/F. Stark
Ein Stück Schokolade, noch eines, noch eines
Eine Schokoladenverkäuferin in den Straßen der Hauptstadt Accra. Schokolade ist für die Menschen in Ghana nicht irgendein Produkt, sondern fast ein Kulturgut. Die Regierung hat 2005 sogar einen "National Chocolate Day" ins Leben gerufen.
Bild: picture-alliance/JOKER
Ein Präsident am Anfang seiner Arbeit
Im Januar 2017 wurde Präsident Nana Akufo-Addo in sein Amt eingeführt (Bild). Seitdem hat sich der Politiker daran gemacht, die Situation im Land zu verbessern. Westliche Partner würdigen immer wieder die Versuche des Programms "Ghana beyond aid", also Ghana von Hilfe unabhängig zu machen.
Bild: picture-alliance/AP Photo
Wiyaala - die junge Löwin
Noelle Wiyaala wird von den Fans "the young lioness of Africa" genannt, die junge Löwin des Kontinents. Hier performt Wiyaala gerade bei den All Africa Music Awards im Konferenzzentrum der Hauptstadt Accra. Die Sängerin macht Afropop und kombiniert dabei Englisch oft mit Sissala und Waale, zwei ghanaischen Sprachen. Neben der Musik setzt sie sich für die Rechte von Frauen und Kindern ein.
Bild: Getty Images/AFP/C. Aldehuela
Willkommen in Accra
Fast 2,4 Millionen Menschen leben in Accra – der größten Stadt Ghanas. Als Hauptstadt ist sie das administrative und wirtschaftliche Zentrum. Die durchschnittliche Höchsttemperatur beträgt 30,3 Grad Celsius – und im Jahr kommt man auf 54 Regentage. Dass die Stadt sich international sieht, kann man schon an den Partnerschaften erkennen – zu Chicago und Washington D.C.
Bild: Imago/UIG
Keine Ananas wie jede andere
Auf der Greenfields Ananas Farm in Ekumfi ernten Frauen Ananas. Die Früchte wachsen auf 650 Hektar Land, die dem jungen Unternehmensgründer Daniel Kwarteng gehören. Subventioniert wird er von der Regierung: Mit dem Förderprogramm "One District, One Factory" will der Staat dafür sorgen, dass es in jedem District Ghanas ein prosperierendes Unternehmen gibt.
Bild: Getty Images/AFP/C. Aldehuela
Die Malaria im Blick
Forscher am "Entomologist Research Centre" in Obuasi in der Ashanti-Region arbeiten mit Moskitos, um Insektizide zu entwickeln und Malaria effektiver zu bekämpfen. In den vergangenen zehn Jahren hat Ghana die Zahl der Malaria-Fälle um drei Viertel reduziert, jedoch bleibt die Krankheit die häufigste bei Kindern unter 5 Jahren.
Bild: Getty Images/AFP/C. Aldehuela
Tomate gefällig? Der Markt von Agbogbloshie
In Ghana sollte man Tomaten mögen. Die Menschen hier essen sie eigentlich immer, auf der Hand oder gerne als Salat mit Zwiebeln. Auf dem Markt von Agbogbloshie in der Hauptstadt sind es zumeist Frauen, die sich auf die Qualität verstehen. Die Gegend ist übrigens ist nicht nur für ihre Tomaten berühmt, sondern auch für eine gigantische Mülldeponie, auf der es deutlich weniger appetitlich aussieht.
Bild: Getty Images/AFP/C. Aldehuela
Weitsprung - fast bis nach Australien
Sie rennt die 100 Meter, die 200 und die 800. Sie springt hoch und weit, wie hier bei den Commonwealth Games im April 2018 im Stadion von Carrara in Australien: Elizabeth Dadzie ist als Kombiniererin eine der erfolgreichen Sportlerinnen Ghanas. Bei den Commonwealth Games hat sie ihr Land vertreten, bei den Afrikanischen Spielen zwei Medaillen gewonnen. Olympia? Das bleibt bislang noch ein Traum.
Bild: Getty Images/C. Spencer
Fußball - über Frankfurt nach Barcelona
Eine der schönsten Stunden im Leben des Fußballprofis Kevin-Prince Boateng: Im Mai 2018 feiert der Mittelfeldspieler mit seiner Mannschaft von Eintracht Frankfurt den Gewinn des DFB-Pokals auf dem Balkon des Römers. Boateng ist in Berlin geboren, er ist deutsch-ghanaischer Fußballspieler und kickt inzwischen in Spanien. Ein Mann mit Wurzeln in Ghana aus Berlin über Frankfurt nach Barcelona.
Bild: Getty Images/AFP/A. Arnold
Der schwarze Stern der Unabhängigkeit
Man findet ihn auf der Nationalflagge, man findet ihn auch auf dem "Independent Arch", dem Unabhängigkeitsdenkmal in der Hauptstadt: der schwarze Stern erinnert an den 6. März 1957, an dem Ghana als erstes Land in Afrika unabhängig von der britischen Kolonialmacht wurde. "Freedom and Justice" steht auf dem Tor.
Bild: picture-alliance/dpa/S. Gätke
Kofi Annan - Stolz eines ganzen Landes
Als Kofi Annan noch Generalsekretär der Vereinten Nationen war (bis 2006), funktionierte die Weltgemeinschaft besser. Das hatte nicht nur mit dem Spitzendiplomaten zu tun, aber auch. Annan war in New York und in aller Welt gerühmt für sein ruhiges, diplomatisches Geschick. Als er am 18. August 2018 im Alter von 80 Jahren starb, da trauerte ein ganzes Land um einen der berühmtesten Söhne Ghanas.
Bild: Getty Images/C. Aldehuela
Nicht ganz Miss Universe
Dies ist mit Sicherheit eine der schönsten Frauen Ghanas, vielleicht ist Akpene Diata Hoggar aus der Stadt Tefle sogar eine der schönsten Frauen auf der Welt. Schließlich hat sie im Dezember 2018 Ghana bei der Miss-Universe-Wahl in Bangkok vertreten. (Am Ende gewann eine Frau aus den Philippinen). Hoggar hat Management-Informationssysteme studiert und arbeitet als Beraterin.
Bild: Getty Images/AFP/L. Suwanrumpha
Die Farben Ghanas auf der Leinwand
Nicht nur Musik, auch bildende Kunst prägt das kulturelle Leben. In der Hauptstadt Accra ist die Dei Centre Art Gallery ansässig, die zeitgenössische Kunst aus Westafrika zeigt. Und manchmal sind die Farben Ghanas auf der Leinwand eben golden, wie auf diesem Bild von Ablade Glover. Das Dei Centre ist übrigens benannt nach dem Unternehmer Seth Dei, auch ein Förderer der Kunst seines Landes.
Bild: Getty Images/AFP/C. Aldehuela
Kein Job, aber viele Träume
Es gibt aber nicht nur farbenfrohe Seiten in Ghana. Davon kann Albert Oppong erzählen. Der 30-Jährige stammt aus Dormaa-Ahenkro. Und obwohl er zur Schule ging und eine Ausbildung hat, findet Oppong keine Arbeit. Seit fünf Jahren nicht! Sicher, Ghanas Wirtschaft gehört mit einem Wachstum von über acht Prozent zu den Hoffnungsträgern weltweit, doch viele Menschen können von ihrer Arbeit nicht leben.
Bild: Getty Images/AFP/C. Aldehuela
Ein Pass und ein Bündel von Cedi
Und weil viele Menschen in Ghana ohne Arbeit sind, glauben sie schnell an eine bessere Zukunft in einer anderen Heimat. Sie verkaufen ihren Besitz, verschulden sich und machen sich für ein dickes Bündel von Cedi (der Landeswährung, 1 Cedi entspricht etwa 0,16 Euro) auf den riskanten Weg. Zum Beispiel nach Europa, viele von ihnen über die heikle Mittelmeerroute. Eine lebensgefährliche Entscheidung.
Bild: Getty Images/AFP/C. Aldehuela
Heimat? Heimat!
Wer sein Land verlässt, der gibt ein Stück Heimat auf. Selbst wenn er ein neues Zuhause und neue Freunde findet. Das Lachen, die Freude, die Sonne, die Luft werden anders sein als in Accra. Hier tanzen gerade traditionell gekleidete Männer bei einer Tour in der Anlage der Christiansborg, in der dänische Kolonialherren im 17. Jahrhundert Sklaven hielten. Nicht alles war, ist besser durch Europa.
Bild: Getty Images/C. Jackson
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BILDUNG – Studieren in Kumasi und Bologna
Mit dem EU-Austauschprogramm "Erasmus+" können Studierenden, Auszubildenden und Lehrenden einen Teil ihrer Ausbildung in einem anderen EU-Land absolvieren. Außerdem zahlen sie keine Studiengebühren, bekommen Taschengeld von der EU und können sich ihre Kurse anrechnen lassen.
Ohne Erasmus-Stipendium schwanken die Kosten für ein Studium in der EU: Von komplett kostenlos, wie etwa in Schweden oder Dänemark, bis zu ein paar tausend Euro pro Semester etwa in Italien oder Spanien. So teuer wie die Studiengebühren in den USA ist Bildung in Europa nur selten.
Bei der europäischen Leidenschaft für Bildung kann Ghana mindestens mithalten: Das Land gibt 20 Prozent seines Regierungsbudgets für Bildung aus – einer der höchsten Anteile weltweit, und weit mehr als irgendein EU-Land.
Würde Ghana der EU beitreten, müsste es jährlich ca. ein Prozent des Bruttonationaleinkommens, einen Teil der eingenommenen Mehrwertsteuer und einige Zollabgaben an die EU zahlen. Im Gegenzug könnte das Land dann in den ersten Jahren mit einer ganzen Menge an Fördergeldern rechnen. Wächst die Wirtschaft Ghanas aber weiterhin so stark, wie sie das selbst ohne EU-Mitgliedschaft schon tut, könnte sich das aber mit der Zeit ändern. Ghana müsste dann, genau wie die anderen Nettozahler der EU, zum Beispiel die abgelegenen Gegenden Finnlands mit unterstützen.
BINNENMARKT – Ghanaische Schokolade für die EU?
Ghana ist der weltweit zweitgrößte Kakaoproduzent – und Europa schon jetzt der größte Abnehmer. Fertig produzierte ghanaische Schokolade hingegen findet ihren Weg nur selten in europäische Supermärkte. Der Grund ist ein finanzieller: Während Ghana Kakaobohnen schon jetzt zollfrei in die EU exportieren kann, gilt auf Bruchschokolade eine Steuer von 15 Prozent des Warenwertes.
Wäre Ghana jedoch EU-Mitglied, wäre es automatisch auch Mitglied des europäischen Binnenmarktes, in dem Waren zollfrei die Grenzen überqueren können. So kämen europäische Zungen in den Genuss von dunkler ghanaischer Schokolade mit Meersalz.
SUBVENTIONEN – Wirtschaft stärken und schwächen
Wie wirkungsvoll – im positiven wie im negativen – eine Wirtschaftsunion wie die EU sein kann, zeigt sich auch an Subventionen, denn die Konsequenzen reichen bis nach Ghana. Beispiel: Geflügelzucht.
Der ghanaische Markt ist angesichts von Importen aus dem Ausland nahezu zusammengebrochen. Denn Subventionen – etwa für Tierfutter – erlauben europäischen Landwirten günstiger zu produzieren und das Fleisch zu einem geringeren Preis anzubieten: ein ghanaisches Hühnchen kostet den Kunden bis zu vier Mal so viel wie ein importiertes.
Wäre Ghana Mitglied in der EU, könnte Accra sich für eine verträglichere EU-Exportpolitik einsetzen. Ganz pragmatisch würde es bedeuten, dass auch Ghanas Geflügelzüchter Subventionen bekäme.
Von einer engeren wirtschaftlichen Zusammenarbeit würden beide Seiten profitieren, sagt DW-Journalist Eddy Micah Jr.:
"Wir wollen einen fairen Zugang zum Wettbewerb."
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UNION geht auch ohne Europa
Am Ende braucht Ghana nicht EU-Mitglied werden, um die Vorteile einer Staaten-Union zu genießen. Ghana war 1963 eines der Gründungsmitglieder der Organisation für Afrikanische Einheit, aus der knapp 50 Jahre später die Afrikanische Union (AU) hervorging. Heute sind alle afrikanischen Nationen Mitglied. Vereint in Vielfalt will die AU die Stimme Afrikas in der Welt sein, die Zusammenarbeit zwischen den afrikanischen Staaten fördern, Frieden und Demokratie sichern – das afrikanische Äquivalent dazu, was die EU für Europa darstellen will.
Fast die Hälfte der Ghanaer finden,dass die AU ihrem Land geholfen hat – die Europäer sehen das im Schnitt für ihr Land in der EU ähnlich. Das bedeutet aber auch: Die andere Hälfte sieht das anders oder weiß nicht genug über die Arbeit von AU bzw. EU. Für beide Staatengemeinschaften heißt das also: Es gibt noch Luft nach oben. Doch das ist nicht die einzige Gemeinsamkeit, findet Eddy Micah Jr.: