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Politik

Umstrittener Gedenkraum für Kolonialverbrechen

Daniel Pelz
26. Januar 2019

Völkermord im damaligen Deutsch-Südwestafrika, Raubkunst in den Museen: Ein Gedenkraum im Berliner Humboldt-Forum soll an die Verbrechen der deutschen Kolonialherrschaft erinnern. Doch nicht jeder findet die Idee gut.

Humboldt-Forum in Berlin
Bild: picture-alliance/dpa/C. Storz

Fällt in Deutschland der Name "Humboldt-Forum" ist Streit meist programmiert. Besucher können die Ausstellung im wiederaufgebauten Berliner Stadtschloss zwar erst ab Ende 2019 sehen. Für heftige Debatten sorgt das Museum schon seit die Planungen begannen.

Denn wenn es um das Humboldt-Forum geht, schwingt immer auch eine Frage mit: Wie geht Deutschland mit seiner Kolonialvergangenheit um? Schließlich sollen im Forum Exponate gezeigt werden, die oft als koloniale Raubkunst nach Deutschland gelangten. Außerdem befindet sich das Forum im rekonstruierten Berliner Stadtschloss. Im Original, 1950 gesprengt, regierten einst die deutschen Kaiser. Wie kaum ein anderes Gebäude stand es für das brutale deutsche Streben, Weltmacht zu werden.

'Kolonialismus wurde nicht ausreichend aufgearbeitet'

Eine Ära, die heute in Deutschland nahezu vergessen ist. "Der deutsche Kolonalismus ist bis zum heutigen Tag nicht ausreichend aufgearbeitet worden", sagt Henning Melber im DW-Interview. Eine Initiativgruppe um den deutsch-namibischen Afrikanisten ist im Januar mit einem Vorschlag an die Öffentlichkeit getreten, der für eine neue Debatte gesorgt hat: Das Forum soll einen Gedenkraum für die Verbrechen des Kolonialismus erhalten.

Henning MelberBild: Gerhard Süß-Jung

"Das Humboldt-Forum ist ein Ort, an dem die Besuchenden Beutekunst anschauen, die zu Zeiten des deutschen Kolonialismus in den Ländern des globalen Südens geraubt worden ist. Es ist also ein unmittelbarer Anknüpfungspunkt, um daran zu erinnern, dass es ein völlig unaufgearbeitetes Kapitel deutscher Geschichte gibt", so Melber. Ein Kapitel, das über Kunstraub weit hinausgeht. Schließlich fällt in diese Ära beispielsweise auch der Völkermord an den Herero und Nama im damaligen "Deutsch Südwest-Afrika".

Im Internet sammelt die Gruppe Unterstützer. Der Gedenkraum solle ein Ort "der Besinnung und Stille sein, der die Besucherinnen zu kritischer (Selbst-)Reflexion einlädt", heißt es in ihrem Aufruf. Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und Ex-Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul haben ihn bereits unterschrieben.

Nur Werbung für das Forum?

Auch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist im Prinzip dafür. Sie stellt einen Großteil der Sammlung. "Die Besucher werden in dem Haus sehr viele Informationen über die Zeit des Kolonialismus bekommen", sagte Stiftungspräsident Hermann Parzinger der Deutschen Presse-Agentur. "Aber es wäre wichtig, irgendwo auch einen Ort zu schaffen, der darüber hinaus nachdenklich macht und eigene Gedanken und Reflexionen zulässt."

Mnyaka Sururu MboroBild: picture-alliance/dpa/S. Stache

Gedenken gerne - aber bitte anders, meinen dagegen Aktivisten wie Mnyaka Sururu Mboro. Der gebürtige Tansanier engagiert sich seit Jahren für einen kritischen Umgang mit der deutschen Kolonialvergangenheit. Das Humboldt-Forum betrachtet er mit Argusaugen. Der von ihm mitbegründete Verein "Berlin Postkolonial" fordert eine rasche Rückgabe geraubter Kunstschätze an die Herkunftsgesellschaften.

Im Humboldt-Forum sollen einige umstrittene Schätze gezeigt werden - zum Beispiel die Benin-Bronzen. Britische Soldaten hatten sie 1897 im damaligen Königreich Benin in Westafrika geraubt. Das soll nach Veranstalterangaben in der Ausstellung thematisiert werden.

"Der Vorschlag scheint mehr eine Art Werbung für das Humboldt-Forum zu sein", sagt Mboro im DW-Interview. "Ich will nicht, dass man versucht, dort einen Raum der Stille einzurichten, das ist für mich nicht akzeptabel."

Ein Denkmal mitten in Berlin

Mboro plädiert stattdessen für ein öffentliches Denkmal für die Opfer von Kolonialismus und Versklavung. Ähnlich sieht es der Hamburger Kolonialhistoriker Jürgen Zimmerer.  "Das Humboldt-Forum steht aber nicht primär für den deutschen Kolonialismus, sondern für einen transnationalen Kolonialismus, weil dieser Kunstraub und das koloniale Sammeln transnationale Phänomene waren", so Zimmerer im DW-Interview. "Des spezifisch deutschen Kolonialismus, zum Beispiel des Völkermords an den Herero und Nama, sollte man nicht im Humboldt-Forum gedenken, sondern muss das an zentraler Stelle außerhalb tun."

Ein Modell zeigt die Außenansicht des im Umbau befindlichen Stadtschlosses in BerlinBild: Imago/IPON

Der geplante Gedenkraum erinnere ihn an eine Flughafen-Kapelle, die man eigentlich nie bemerke, sagte er der FAZ. Zum Gedenken an das Humboldt-Forum fordert Zimmerer "etwas hochsymbolisches" - etwa das Museum in "Benin-Forum" umzubenennen. "Meine Sorge ist, dass durch diesen einen Raum, sofern es ihn denn geben wird, im Grunde nicht die Aufarbeitung des Kolonialismus gefördert wird, sondern eher behindert, weil man sagt: Wir haben ja einen Gedenkraum, und im Rest des Humboldt-Forums müssen wir das nicht machen. Vor allem sollten wir uns mit dem Problem Raubkunst auseinandersetzen."

Initiator Melber nimmt Kritik an seiner Idee gelassen auf. Ein zusätzliches öffentliches Denkmal fordert seine Initativgruppe auch. Einen Raum der Stille im Humboldt-Forum hält er aber ebenfalls für wichtig. Natürlich müsse er durch Ausstellungen, Vorträge und andere Aktivitäten ergänzt werden, sagt Melber: "Einige Kritiker haben zum Beispiel gesagt, dass es nicht reiche, den deutschen Kolonialismus mit Stille zu bearbeiten, sondern das müsste sehr laut passieren. Diese lautstarke Debatte gibt es ja schon, und die wird auch weitergeführt. Aber Stille, verstanden als Nachdenklichkeit, als Reflexion, als Suche kann ebenfalls sehr laut sein."

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