Golfen im Armutsviertel
25. Januar 2014Reis mit Knoblauch gibt es bei Moe Moe Khaing, wie jeden anderen Morgen auch. Das dampfende Frühstück serviert die zierliche Frau auf einem Bananenblatt. Vor der Bambusbaracke spielt ihr kleiner Sohn mit dreckigen Plastikfetzen. Seine Großmutter kniet daneben über einer Waschschüssel und schrubbt Hosen, die sie später zum Trocknen auf dem Palmblatt-Dach der Hütte auslegen wird. Ein von Moskitos befallener Sumpf, der sich hinter dem Schuppen befindet, dient als Latrine. Sauberes Wasser und Strom gibt es nicht. Zu viert lebt die Familie in Hlaing Thar Yar, einer 30.000-Seelen-Gemeinde am Rande der Millionenstadt Rangun. Mit seinen zahlreichen Textilfabriken ist der Vorort eines der größten Gewerbegebiete Myanmars. Auch Moe Moe Khaing und ihr Mann sind Textilarbeiter, knapp drei Euro verdienen sie jeweils in einer Zehn-Stunden-Schicht.
Steigende Mieten und Zwangsräumungen
Schwer vorstellbar ist es, dass sich inmitten dieses Slumgebietes einer der exklusivsten Golfclubs Asiens verbergen soll, nur wenige Gehminuten entfernt von Bretterverschlägen, staubigen Straßen und verseuchten Gewässern. Das "Pun Hlaing Golf Estate" liegt hinter hochragenden Betonmauern.
Nay Lin ahnt nicht, was sich dahinter verbirgt. Langsam schiebt er seinen kleinen Imbisswagen mit Grillspießen vor sich hin. Wenn das Geschäft gut läuft, verdient er knapp zwei Euro am Tag. Gerade ist er zwanzig geworden, ein schmächtiger Junge mit flottem Haarschnitt. Nay Lin bedeutet übersetzt "Sonnenaufgang". Er lacht. Dann beginnt er zu erzählen, von verdrecktem Trinkwasser, der kleinen Nachbarstochter, die kürzlich an Denguefieber gestorben ist, von hochverschuldeten Freunden und Zwangsumsiedlungen. Nachdem der verheerende Zyklon Nargis im Jahr 2008 weite Teile des Landes verwüstete, brach eine Flüchtlingswelle über die Vororte Ranguns herein. Verstärkte Binnenmigration, steigende Mieten und gleichbleibend niedrige Gehälter führen nun dazu, dass immer mehr Arbeiter in Myanmar ihr Heim illegal auf Staatsgebiet oder Privatgrundstücken errichten. Sobald die Regierung neue Bauaufträge vergibt, müssen sie fürchten, aus ihren Behausungen vertrieben zu werden. Auch Nay Lin fühlt sich bedroht. Zusammen mit seiner zehnköpfigen Familie teilt er sich eine Neun-Quadratmeter-Hütte. Er hofft dennoch, mit seiner Freundin einmal in eine eigene Bambushütte ziehen zu können. Dies ist sein größter Traum. Bis dahin, meint er amüsiert, muss er noch ein paar Grillspieße verkaufen.
Das Tor zu einer anderen Welt
In Rangun gehören Fahrräder und Rikschas nicht zum Stadtbild. Das strikte Zweiradverbot dort ist ein bizarres Relikt aus Zeiten der Militärdiktatur. In den Außenbezirken dürfen sie sich jedoch wieder durch den Verkehr schlängeln. Hier in Hlaing Thar Yar sind sie das einzige Transportmittel für die große Masse der Fabrik- und Bauarbeiter. Einige dieser Räder fahren auch in Richtung Golfplatz: Frauen in Putzkitteln und Männer bepackt mit Schaufeln und Harken. Das mächtige Stahltor wird von bewaffneten Wächtern geöffnet. Für einige Stunden wird der Arbeiterarmee der Zutritt zu einer anderen Welt gewährt.
Plötzlich wirkt die Luft rein, die Vögel zwitschern, ein malerischer See wiegt sich in der unendlichen Weite von Grüntönen. Üppige Wiesen, geteerte Straßen, Tennisplätze und Fitnessanlagen erstrecken sich auf einer Fläche von 637 Hektar. Hinter dem See gibt es ein Schwimmbad mit Spa, al fresco Restaurants und Bars, Appartements und Luxusvillen geziert mit weißem Stuck und roten Ziegeldächern. Ein Hauch von Palm Beach weht durch das "Pun Hlaing Estate", das von der südafrikanischen Golfer-Legende Gary Player entworfen wurde.
Der "Stolz Myanmars"
Ein makelloses Idyll inmitten des Elends. Es zieht vor allem Geschäftsleute und Diplomaten an, aus Japan, China, Südkorea, Großbritannien und den USA. Ihre Kinder besuchen die "Yangon International School", die direkt hinter den bewachten Wohnsiedlungen liegt. Das hochmoderne Privatkrankenhaus wurde eigens für die circa 2.000 Bewohner des Anwesens erbaut.
Seit Myanmar vor drei Jahren begann, sich der Welt zu öffnen, herrscht im gesamten Land Goldgräberstimmung. Ausländische Investoren wittern hier das große Geschäft. Insbesondere die Baubranche erlebt derzeit einen Boom, und das vor allem im oberen Preissegment: Luxushotels und exklusive Wohnanlagen entstehen derzeit allerorts. Golfclubs wie das "Pun Hlaing Estate" bieten für betuchte Expats und Einheimische das Rundum-Wohlfühlpaket: Freizeitvergnügen, Erholung und Luxus-Wohnkomfort zugleich. Die Club-Mitgliedschaft fängt hier bei 50.000 US-Dollar an, eine 3-Zimmer Wohnung ist ab 300.000 US-Dollar zu haben, die exklusiveren Lofts kosten weit über eine Million. Die Immobilienbroschüre verspricht den Anwohnern dafür "Sicherheit, Abgeschiedenheit und Prestige". Als "Stolz Myanmars" bezeichnet sich die Luxus-Gemeinde auf ihrer Internetseite. Kaum größer könnte er sein, der Kontrast jenseits und diesseits der Trennmauern, zwischen Golfparadies und Armutsviertel.
Gehen oder bleiben?
Der Eingang zum Country Club gleicht einem viktorianischen Wohnzimmer, Kronleuchter hängen von der Decke herab, ein Duft von Rostbraten und Lavendel schwebt in der Luft. Wortfetzen in verschiedenen Sprachen, die Klientel ist bunt gemischt. Kinder spielen mit ihren iPads am Fuße eines riesigen Weihnachtsbaums.
Ohne Aufforderung serviert der junge Kellner Oolong-Tee und gekühltes Limettenwasser. Für den Job verließ er sein kleines Heimatdorf auf dem Land. 80.000 Kyat erhält er im Monat, umgerechnet knapp 60 Euro, das liegt etwas über dem durchschnittlichen Monatseinkommen von rund 55 Euro in Myanmar. Glücklich ist er trotzdem nicht, der Lohn sei zu niedrig. Dabei verdient er mehr als die Sonnenschirmträger des Golfplatzes, die mit einem Tagelohn von gerade einmal 70 Eurocent auskommen müssen. Der Kellner sieht seine Zukunft dennoch nicht in seinem Heimatland: Er hofft, eines Tages in einem Hotel in Malaysia oder Thailand zu arbeiten.
Am Nachbartisch sitzt ein Burmese im purpurfarbenem Poloshirt und kariertem Longyi, dem traditionellen Wickelrock. Er ist Consultant für das "Lodge Project", ein Fünf-Sterne-Hotel, das unmittelbar hinter dem Golfplatz errichtet werden soll. Acht Jahre lang hat er zuvor in Brunei gearbeitet, jetzt ist er in seine Heimat zurückgekehrt. "Dies ist der richtige Moment, um in Myanmar zu sein - so viel wie hier im Augenblick passiert." Seine Augen leuchten. Was er von den informellen Siedlungsgebieten außerhalb des Anwesens hält? "Ach die?" Er macht eine kurze Handbewegung nach hinten, seine silberne Rolex verrutscht etwas. Ja, das sei schon eine ganz andere Kulisse da draußen. Er nimmt einen letzten Schluck Bier und reicht dem Kellner die Kreditkarte. Seine Stimme wird leiser, gleicht nun einem Flüstern. "Fast ein wenig skurril, oder?", fügt er hinzu. Den Blick in die Ferne gerichtet, meint er schließlich: "Ich hoffe, dass nach den Präsidentschaftswahlen 2015 alles besser wird; vor allem wünsche ich mir politische Stabilität." Er stockt. "Das wäre eine Veränderung zum Guten." Mit einem Lächeln verabschiedet er sich und macht sich auf in das satte Grün, gefolgt vom Schatten der Sonnenschirmträger.